Grußwort von Bundespräsident Horst Köhler anlässlich der Ausstellungseröffnung Meisterstücke aus der Sammlung Aga Khan

Schwerpunktthema: Rede

Berlin, , 16. März 2010

Bundespräsident Horst Köhler am Rednerpult

Die Berliner Festspiele und die Aga Khan-Foundation haben etwas ganz Besonderes nach Berlin getragen. In diese Stadt, die ganz gewiss nicht arm ist an kulturellen Höhepunkten.

Die Sammlung des Aga Khan gilt als einmalig und als bedeutendste Privat-Sammlung islamischer Kunst weltweit. Wir freuen uns von Herzen, dass diese überragenden Kunstwerke und diese kunsthandwerklichen Kostbarkeiten nun bei uns in Deutschland, hier in Berlin zu sehen sind.

Der Aga Khan hat auch ein internationales Hilfswerk aufgebaut, das an vielen Orten, vor allem in der islamischen Welt, Entwicklungsprogramme für Gesundheit, Bildung und Landwirtschaft in Gang gesetzt und befördert hat. Dieses soziale Engagement, das vielen Menschen bessere Lebensperspektiven eröffnet, und sein ebenso starkes Engagement für Architektur und Kunst: Für mich sind das zwei Seiten derselben Medaille.

Oft wird ja das eine gegen das andere ausgespielt, soziales Engagement gegen kulturelles und umgekehrt. Es gehört aber beides zusammen, weil beides zusammen uns ausmacht als Menschen. Das erfüllte Leben speist sich nicht nur aus materiellen und sozialen, sondern auch aus kulturellen und spirituellen Quellen.

Ort und Zeit dieser Ausstellung sind glücklich gewählt. Berlin ist spätestens seit der Gründung des Museums für islamische Kunst durch Wilhelm von Bode im Jahre 1904 ein Zentrum der Beschäftigung und der Auseinandersetzung mit Kunst aus der islamischen Welt geworden. Ich denke, dass diese Ausstellung dazu ein hervorragendes Seitenstück bildet, das seinerseits auch wieder darauf aufmerksam machen kann, welche Schätze islamischer Kunst in dieser Stadt zu besichtigen sind.

Auch die Zeit der Ausstellung, also das Jahr 2010, ist glücklich gewählt. Vor genau einhundert Jahren, nämlich 1910, fand in München die erste große internationale Ausstellung islamischer Kunst statt - damals nannte man das übrigens noch "muhammedanische Kunst". Auf Anregung des Kronprinzen Rupprecht von Bayern brachten die Ausstellungsmacher damals binnen kürzester Zeit 3.600 Exponate aus Europa, Kleinasien und aus Nordamerika zusammen und sie eröffneten so zum ersten Mal einen Einblick auf den gesamten Kosmos der islamischen Kunst. Eile war übrigens deshalb geboten, weil die Ausstellung zum 100. Jahrestag des Oktoberfestes stattfinden sollte.

Manches war dem Publikum vollkommen unbekannt, und man staunte zum Beispiel über den überraschenden Reichtum der islamischen Buchkunst, an den in Europa nichts heranreichte, wie ein Kurator schrieb. Künstler wie Kandinsky und Matisse ließen sich dort inspirieren.

Interessant scheint mir - und vor allem deshalb komme ich darauf zu sprechen -, dass dieser Ausstellung ausdrücklich ein aufklärerischer Anspruch zugrunde lag. Man wollte, wie es im Katalog damals hieß: "absichtlich gegen die volkstümliche Auffassung der orientalischen Kunst, gegen Märchenpracht und Basarware Front machen".

Ich denke, dass auch diese Ausstellung 2010 der Aufklärung über den Islam und seine Kultur dienen kann und soll.

Spätestens seit Goethes "West-östlichem Divan" gibt es in Deutschland zwar eine Tradition der Beschäftigung mit dem Orient und mit der orientalischen, islamischen Kunst und Kultur. Dennoch aber halten sich nach wie vor Klischees und Vorurteile und es herrscht auch schlicht Unkenntnis. Das ganze wird noch verstärkt durch ein Bild vom Islam, das von Terroranschlägen und von Aufrufen zu Gewalt und Intoleranz im Namen der Religion geprägt wird.

Wenn wir uns mit der großen islamischen Kunst und Kultur beschäftigen, dann wird damit nichts beschönigt oder verdrängt, was an Hässlichem im Namen des Islam begangen wird. Aber wir wollen doch die eigentlichen kulturellen und spirituellen Quellen dieser Kultur kennenlernen, die so vieles Wunderbares und Schönes hervorgebracht hat, ja die der Menschheit so vieles gegeben hat.

Aus dem antiken Griechenland ist uns der Satz überliefert, das Staunen sei der Anfang der Philosophie. Gemeint ist damit das Staunen über die Ordnung des Kosmos - aber sicher auch das Staunen über die Kunst und die schöpferischen Fähigkeiten des Menschen.

Wenn wir hier staunend vor den Kunstwerken der islamischen Kultur stehen, wenn wir innerlich versuchen zu begreifen, aus welchem Geist und aus welcher Weltsicht, aus welchem Glauben und welcher Leidenschaft diese Werke entstanden sind, dann wird es uns auch viel besser gelingen, das Denken, eben die Philosophie zu verstehen, die in dieser Kultur zum Ausdruck kommen.

Zum Staunen über die Kunst des anderen gehört es, zunächst einmal Respekt zu bezeugen vor dem, was der andere denkt und glaubt. Und viel zu lange hat es an diesem Respekt gefehlt. Vielleicht ist das ein guter Weg zu dem, was wir den "Dialog der Kulturen" nennen, der allzu oft oberflächlich bleibt oder nach einem kleinsten gemeinsamen Nenner sucht.

Ein Dialog kommt nur dann "zur Sache", wie wir sagen, wenn nicht nur das zur Sprache kommt, was uns eint, sondern auch das, was uns trennt. Wir müssen dem anderen da begegnen, wo er sozusagen innerlich am stärksten ist, wo er am meisten anders und wo er am meisten er selber ist - und das sind unter anderem die großen Hervorbringungen der Kunst und des Geistes.

Möge diese Ausstellung uns zum Staunen verführen - und möge sie ein Beitrag sein, zu einem Dialog der Kulturen, der diesen Namen verdient, weil er den Anderen in seinem Anderssein respektiert. So kann die Auseinandersetzung fruchtbar werden. Und das brauchen wir!