Grußwort von Bundespräsident Horst Köhler bei der Verleihung des Silbernen Lorbeerblatts

Schwerpunktthema: Rede

Schloss Bellevue, , 30. April 2010

Bundespräsident Horst Köhler am Rednerpult

Herzlich willkommen in Schloss Bellevue! Manche von Ihnen kenne ich von der Piste, von der Loipe oder aus dem Stadion. In diesem Jahr konnte ich bei den Spielen leider nicht dabei sein. Umso mehr freue ich mich, dass Sie den paralympischen, olympischen und deaflympischen Geist hier nach Berlin bringen.

Es ist ein Geist, der Spitzenleistung mit Freude, Wettbewerb mit Fairness, Einzelerfolg mit Gemeinschaft verbindet. Ich hoffe, dass Sie dieser Geist auch weiter beflügelt. In Kanada, Taipeh und Salt Lake City hat er den deutschen Teams 80 Medaillen gebracht. Darauf sind wir alle mit Ihnen stolz.

Wir haben während der Wettkämpfe mit Ihnen mitgefiebert. Und ich sage Ihnen: Der Puls schlägt zu Hause vor dem Fernseher genauso hoch wie in einem Stadion. Bei den Olympischen Spielen genauso wie bei den Paralympics oder den Deaflympics. Deswegen freue ich mich, dass auch über die Paralympics in den Medien ausführlich berichtet wurde. Ich habe mir sagen lassen, ARD und ZDF hätten so viel übertragen wie nie zuvor von paralympischen Winterspielen. Das finde ich gut und ermutigend. Und trotzdem: Ich finde, da ist noch mehr möglich. Wir müssen uns noch mehr anstrengen, damit Sportler mit und ohne Behinderung die gleiche Aufmerksamkeit bekommen. Sie haben das schlicht verdient. Eine Gelegenheit dazu bietet sich wieder im Juni bei den Special Olympics in Bremen. Ich möchte Sie, liebe Vertreter der Medien, ausdrücklich auffordern, ausdrücklich darum bitten, auch von diesen Wettkämpfen ausführlich zu berichten.

Nutzen wir die Chance, die in den Spielen liegt. Die Chance, zu erleben, wie leistungsfähig Menschen mit Behinderung sind; die Chance, uns mit ihnen zu begeistern; die Chance, zu zeigen, wo sie hingehören: in die Mitte unserer Gesellschaft.

Sie alle, liebe Sportlerinnen und Sportler, haben Außergewöhnliches geleistet. Sie gehören zu den Besten der Welt in Ihren Disziplinen. Gratulation! Um dorthin zu kommen, mussten Sie an Ihre Grenzen gehen, Rückschläge einstecken manchmal, Verletzungen überwinden. Viele von Ihnen werden einmal eine Situation erlebt haben, in der Sie auch gefragt haben, wie es mit Ihrer sportlichen Karriere weitergehen wird, ob es überhaupt weitergehen kann. Das ist nicht ungewöhnlich im Leistungssport. Und doch will ich auf eine Geschichte aufmerksam machen, die ich besonders finde.

Es ist die Geschichte von Verena Bentele, die ich stellvertretend für viele erwähnen möchte. Im vergangenen Jahr sah es so aus, als müsste sie wegen eines schweren Unfalls ihre Karriere beenden. Doch - so sagt Verena Bentele selbst - sie ist ein "Stehauf-Weiblein". Sie hat ihre Verletzungen auskuriert, sie hat hart trainiert, und sie hat es auch geschafft, wieder so tiefes Vertrauen zu einem Menschen zu fassen, dass sie sich, bei voller Geschwindigkeit, blind auf seine Zurufe verlässt. Ich finde, das ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie viel wir erreichen können, wenn wir an uns selbst, aber eben auch an unserer Beziehung zu unseren Mitmenschen arbeiten; wenn wir einander vertrauen.

Am Ende sind wir vor allem im Team stark. Das erleben Sie ganz besonders. Und deswegen möchte ich auch all jenen danken, die Sie in Ihrer sportlichen Karriere begleitet und unterstützt haben: als erstes den Familienangehörigen natürlich - das sind meistens die wichtigsten - Trainern, Betreuern, den Verantwortlichen des Deutschen Behindertensportverbandes, des Deutschen Gehörlosen-Sportverbandes, des Deutschen Olympischen Sportbundes, der Deutschen Sporthilfe und den politisch Verantwortlichen: dem Bundesinnenminister, dem Bundesverteidigungsminister, dem Sportausschuss des Deutschen Bundestages und den Sportministern der Länder. Unterstützen Sie auch weiterhin unsere Sportlerinnen und Sportler. Ihre Leistungen belohnen uns alle.

Liebe Sportlerinnen und Sportler, heute tragen Sie den olympischen Geist in die Hauptstadt. Ich hoffe, dass wir in acht Jahren noch viel mehr von diesem Geist in Deutschland spüren. Und dann zuallererst im Süden des Landes. München, Garmisch-Partenkirchen und das Berchtesgadener Land haben sich für die Austragung der Olympischen Winterspiele 2018 beworben. "Freundliche Spiele" sollen es sein, haben die Bewerber sich vorgenommen. Ich finde, das ist ein gutes Motto. Ich stelle mir ein ähnliches Sportfest vor wie bei der Fußballweltmeisterschaft vor vier Jahren. Ein Fest, in dem Menschen aus aller Welt zusammenkommen und erleben: Deutschland ist ein offenes, fröhliches Land. Ein Land, in dem sich die Menschen wohl fühlen, ganz gleich, woher sie kommen, ob sie eine Behinderung haben oder nicht, ob sie jung sind oder alt. Ein Land des Miteinanders.

Es ist gut, dass München nicht nur freundliche, sondern auch umweltfreundliche Spiele ausrichten will. Dazu gehören strenge ökologische Standards bei Um- und Neubauten, kurze Wege, um Verkehr zu vermeiden, moderne Konzepte für Energieversorgung, Abfallrecycling und Wasserbedarf. Und dazu gehört auch, die Wünsche und Sorgen der Bürger miteinzubeziehen bei der Planung. Ziel muss sein, CO2-neutrale Spiele zu veranstalten; oder in der Sprache von Olympia: Green Champions zu werden.

Denn allein Champion zu sein, reicht nicht. Ihnen, liebe Sportlerinnen und Sportler, möchte ich jetzt als Anerkennung für Ihre großen Leistungen, aber auch für eine vorbildliche menschliche und charakterliche Haltung das Silberne Lorbeerblatt verleihen. Leben Sie weiterhin jungen Menschen die Werte Ihres Sports vor: Fairness, Miteinander, Anstrengung, aber auch Freude. Dann sind Ihre Medaillen nicht nur Ihr persönlicher Erfolg, dann sind sie ein Gewinn für unser ganzes Land.