Staatsbankett zu Ehren des Präsidenten der Mongolei

Schwerpunktthema: Rede

Schloss Bellevue, , 29. März 2012

Bundespräsident Joachim Gauck und seine Lebenspartnerin Daniela Schadt begrüßen den Präsidenten der Mongolei, Tsakhia Elbegdorj, und dessen Frau Khajidsuren Bolormaa vor dem Staatsbankett in Schloss Bellevue

„Reise, indem du Proviant, Futter und Wasser des Pferdes voraus bedenkst.“ – Dieses mongolische Sprichwort erinnert an die legendäre Mobilität der Mongolen. Die Dynamik der Reitervölker aus Zentralasien ist aus der Weltgeschichte nicht wegzudenken. Heute gestaltet sich die Anreise dank der Direktverbindung der mongolischen Fluggesellschaft von Ulan Bator nach Berlin schneller und unkomplizierter. Das Flugzeug hat uns zu Nachbarn gemacht. Die Mongolei nennt Deutschland einen „dritten Nachbarn“ – darauf können wir stolz sein.

Daher freut es mich besonders, dass Sie, Herr Präsident, Ihren ersten Besuch in Europa in Deutschland beginnen. Dass ich die Ehre habe, den Präsidenten der Mongolei zum ersten Staatsbesuch nach meinem Amtsantritt zu empfangen, passt sehr gut zu den ausgezeichneten Beziehungen unserer Länder.

Die umfassende Partnerschaft zwischen unseren Ländern lebt von einem dichten Netz intensiver Kontakte und langer Freundschaften. Über 30.000 Mongolen haben in der damaligen DDR und im wiedervereinigten Deutschland studiert. In keinem anderen asiatischen Land gibt es einen höheren Bevölkerungsanteil, der deutschsprachig ist. Die Bundeskanzlerin konnte sich bei ihrem Besuch im vergangenen Jahr also ein wenig wie zu Hause fühlen. Wir können leider nicht mit so vielen mongolisch sprechenden Deutschen aufwarten, aber ich bin überzeugt, dass auch Sie sich bei uns sehr wohlfühlen werden. Lassen Sie uns Ihren Besuch in Deutschland dazu einsetzen, das Interesse unserer Jugend aneinander weiter zu stärken.

Die deutsch-mongolischen Kontakte blicken auf eine lange Geschichte zurück. 1926 kamen fast 50 mongolische Studenten nach Deutschland. Die Mongolei war gerade unabhängig geworden und wollte sich bei der Modernisierung nicht nur auf sowjetisches Wissen beschränken. Die Jugendlichen fanden Unterkunft in Schulen und Betrieben und blieben bis 1930. Peter Suhrkamp, der spätere Verleger und damalige Leiter der freien Schulgemeinde Wickersdorf, wo einige der Mongolen studierten, nannte sie die „namenlosen Botschafter“ ihres Landes. In der Mongolei sind ihre Namen dagegen bis heute sehr bekannt:

Ich nenne aus der Gruppe nur den Nationaldichter Natsagdorj und den Maler und Ingenieur Namkhaitseren. Einige der Studenten wurden nach ihrer Rückkehr Opfer der politischen Repressionen jener Zeit. Diese Vorreiter der deutsch-mongolischen Freundschaft sollten nicht in Vergessenheit geraten.

Den Freiheitswillen der Mongolen hat selbst die lange Periode unter sowjetischer Dominanz nicht erstickt. 1990 entschied sich Ihr Land für Demokratie und Marktwirtschaft. An dieser politischen Weichenstellung waren Sie, Herr Präsident, maßgeblich beteiligt. Deutschland hat seit der ersten Stunde die Mongolei auf ihrem neuen Weg unterstützt. Seitdem hat es mehrere Wahlen und ganz überwiegend friedliche Machtwechsel gegeben. Die Lebendigkeit der mongolischen Demokratie spiegelt sich auch in der großen Meinungsvielfalt der mongolischen Presselandschaft wider. Eine Gesellschaft, die so im Umbruch ist, wie die Ihrige, braucht diese offene Diskussionskultur umso mehr. Ich bin sicher, die Mongolen werden sich ihre mühsam errungene Freiheit nicht wieder nehmen lassen.

Die Mongolei setzt auch in anderen Bereichen Maßstäbe in der Region: Sie, Herr Präsident, haben Anfang dieses Jahres verkündet, dass nach zwei Jahren des Moratoriums die Todesstrafe in Ihrem Land nun endgültig abgeschafft ist. Die aktuellen Gespräche über eine Aufnahme in die OSZE als erster Staat außerhalb des bisherigen Regionalbereichs fußt genau auf dieser Werteverbundenheit. Deutschland unterstützt dies nachdrücklich.

Auch wirtschaftlich hat die Mongolei hervorragende Perspektiven. Das Land verfügt über große Bodenschätze und eine relativ kleine Bevölkerung. Die Wachstumsraten der letzten Zeit sind eindrucksvoll. Jetzt kommt es darauf an, ob die Menschen spüren, dass sich ihr Leben verbessert. Ich kann Sie nur ermutigen, die Bürgerinnen und Bürger angemessen und transparent am Reichtum des Landes teilhaben zu lassen, ohne ihre Eigeninitiative dabei zu ersticken. Dazu gehören auch mehr Möglichkeiten, die Rohstoffe im eigenen Land zu verarbeiten, um in der Wertschöpfungskette nach oben zu gelangen.

Deutsche Firmen haben viel Erfahrung, wie man Rohstoffe umweltverträglich abbaut und verarbeitet. Das betrifft auch den gesamten Bereich der Infrastruktur. Unsere Länder haben vergangenes Jahr das Abkommen über die Zusammenarbeit im Rohstoff-, Industrie- und Technologiebereich unterzeichnet. Ich begrüße es, dass die darin vereinbarten Gremien anlässlich Ihres jetzigen Besuches ihre konstituierenden Sitzungen abhalten. Sie werden sehen, die deutsche Wirtschaft hat großes Interesse am Ausbau der Beziehungen und ist ein fairer, auf Nachhaltigkeit ausgerichteter Partner.

Wer sich der Freiheit im Inneren verpflichtet fühlt, vertritt sie auch nach außen. Der mongolische Beitrag zu friedenserhaltenden Missionen verdient Anerkennung: Die Mongolei ist – pro Kopf gesehen – einer der größten Truppensteller der Vereinten Nationen. Im afghanischen Faisabad stehen unsere Soldaten Seite an Seite im Einsatz. Die Mongolei hat ihr Engagement dort im vergangenen Jahr noch einmal verstärkt. Dafür danke ich Ihnen. Aber die Mongolei beschränkt sich nicht auf Asien, sondern beteiligt sich zum Beispiel auch an der neuen Mission der Vereinten Nationen im Südsudan.

Ihr Land liegt in der Mitte Asiens verankert und ist gleichzeitig wichtiger und überzeugter Wertepartner Europas. Das zeigt sich nicht nur am derzeitigen mongolischen Vorsitz in der Gemeinschaft der Demokratien, sondern auch im Bestreben, die Beziehungen zur Europäischen Union und zur NATO auszubauen. Deutschland wird sie dabei gerne weiter unterstützen.

Herr Präsident, ein Reich kann man vom Rücken eines Pferdes erobern, nicht aber verwalten – so heißt es in den alten Chroniken. Die legendäre Hauptstadt Karakorum markierte diesen wichtigen Schritt von der Eroberung zur Verwaltung und damit zur Staatlichkeit der Mongolei. Sie spielt für die Identität Ihres Landes eine große Rolle. Die Stadt war – wie das mongolische Weltreich – von religiöser Toleranz geprägt: Der flämische Mönch Rubruck berichtete 1254 von buddhistischen und taoistischen Tempeln, Moscheen und sogar einer christlichen Kirche. Das passt nicht zu lange gehegten Vorurteilen sesshafter Gesellschaften gegenüber Nomaden. Ein differenzierteres Bild – wie es zum Beispiel auch die derzeit laufende Ausstellung „Steppenkrieger“ in Bonn vermittelt – hilft dagegen, Weltgeschichte besser zu verstehen.

Ich werte es als Zeichen besonderen Vertrauens, dass die Mongolei die archäologischen Arbeiten in Karakorum mit deutschen Partnern durchführt. Daher führe ich sehr gerne gemeinsam mit Ihnen, Herr Präsident, unsere Schirmherrschaft über dieses Forschungsprojekt fort.

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie nun, mit mir das Glas zu erheben und einen Toast auszubringen: auf die Gesundheit von Staatspräsident Elbegdorj und seiner Gattin, auf das Wohl des mongolischen Volkes und auf die Freundschaft zwischen unseren beiden Ländern.