Staatsbankett zu Ehren der Präsidentin von Costa Rica

Schwerpunktthema: Rede

Schloss Bellevue, , 23. Mai 2012

Bundespräsident Joachim Gauck bei seiner Ansprache

Willkommen in Schloss Bellevue. Ich freue mich darüber, Frau Präsidentin, Sie auf Ihrer ersten offiziellen Europareise als Staatspräsidentin in Deutschland zu begrüßen – nur gut ein Jahr nach dem Besuch meines Vorgängers in Costa Rica. Das zeigt, wie eng die Beziehungen zwischen unseren Ländern sind.

Gründe dafür gibt es viele. Einer davon ist sicherlich die lange Tradition deutscher Siedler in Ihrem Land. Costa Rica, die „reiche Küste“, war für viele Deutsche im 19. Jahrhundert ein Sehnsuchtsort. Armut, politische und religiöse Unfreiheit nahmen damals vielen Menschen ihre Entwicklungschancen. Über Jahrzehnte hinweg haben sich Deutsche deshalb auf den Weg nach Lateinamerika gemacht und ein neues Leben begonnen – unter besseren wirtschaftlichen Bedingungen und als freie Menschen.

Die deutschen Siedler und ihre Nachfahren integrierten sich schnell in Costa Rica – auch deshalb, weil sie von den Einheimischen gut aufgenommen wurden. Deutsche trugen dazu bei, dass eine florierende Kaffeeindustrie entstand. Und – das hat mich beim Lesen schmunzeln lassen: Auch die erste costa-ricanische Statistikbehörde wurde von deutschen Einwanderern gegründet.

Deutschland und Costa Rica sind nicht nur historisch, durch die Leidenschaft für Kaffee und Zahlen, miteinander verbunden. Es sind die gemeinsamen Überzeugungen, die zwischen unseren Ländern eine Brücke bauen:

Dazu gehört zuallererst unser Engagement für die Menschenrechte und den Frieden. Zwar ist Ihr Land durch die schwierige Sicherheitslage in Zentralamerika in besonderer Weise herausgefordert. Und doch erscheint Costa Rica in der Region als Hort der Stabilität. Das kommt nicht von ungefähr: Costa Rica hat eine freie und vielfältige Presselandschaft. Es setzt bei zwischenstaatlichen Konflikten auf den Dialog und das Primat des Völkerrechts. Und sein durch Gewaltverzicht geprägter außenpolitischer Ansatz findet viel Anerkennung. Deutschland unterstützt diese Rolle Costa Ricas als regionaler Friedensvermittler seit Langem: Dabei denke ich auch an Hans-Dietrich Genscher, der heute Abend unter uns ist. Er hat sich bereits 1984 als Bundesaußenminister und gemeinsam mit Costa Rica dafür eingesetzt, durch engere Beziehungen zwischen den Europäern und den Staaten Zentralamerikas die Region zu stabilisieren.

Die zweite deutsch-costa-ricanische Gemeinsamkeit ist das Engagement für freien Welthandel. Unsere Länder sind Handelsnationen und Gründungsmitglieder der Welthandelsorganisation. In der Europäischen Union ist Deutschland der wichtigste Handelspartner Ihres Landes. Inzwischen hat sich Costa Rica zu einem Land der Dienstleistungen und der Industrie entwickelt. Das ist auch für die deutsche Wirtschaft interessant. Ich bin sicher, Sie werden morgen bei Ihrem Besuch in Stuttgart deutsche Unternehmen von den vielfältigen Chancen und Möglichkeiten für Investitionen überzeugen. Viele sind dort schon aktiv, gerade im Bereich der Umwelttechnologien.

Und das ist ein Drittes, das Deutsche und Costa-Ricaner verbindet: Es ist die Überzeugung, dass wir umweltverträglicher wirtschaften müssen, um unsere Lebensgrundlagen zu schützen. Deutschland hat mit der Energiewende ein ambitioniertes Projekt in Angriff genommen: In 40 Jahren sollen 80 Prozent unseres Stroms aus erneuerbaren Quellen stammen. Ihr Ziel, als erstes Land der Welt kohlenstoffneutral zu werden, ist nicht minder ehrgeizig. Ihre Erfolge sind beachtlich, wenn ich höre, dass sich in Costa Rica innerhalb von zwei Jahrzehnten die vorhandene Waldfläche verdoppelt hat, dass knapp ein Drittel Ihres Landes unter Naturschutz stehen. Welch ein Glück für die gewiss wunderbare Flora und Fauna Costa Ricas!

Deutschland wird das costa-ricanische Engagement bei Klima und Umwelt auch von staatlicher Seite weiter unterstützen - ganz praktisch mit Projekten der Internationalen Klimaschutzinitiative. Und politisch, mit der Einrichtung eines „Weltbiodiversitätsrats“ in Bonn.

Den Costa Ricanern selbst geht es offenbar gut mit ihrem Engagement. Beim „Happy Planet Index“, der misst, in welchen Ländern man gut und zugleich auch besonders nachhaltig leben kann, liegt Costa Rica auf Platz eins! Da können wir Deutschen, mit unserem Platz 51, noch einiges lernen. Ob Sie, Frau Präsidentin, damit auch im glücklichsten Land der Welt leben und wenn ja, wie Costa Rica diesen Erfolg geschafft hat, dazu werde ich Sie gleich beim Abendessen näher befragen!

Zunächst aber, meine Damen und Herren, bitte ich Sie, mit mir das Glas zu erheben: Auf Präsidentin Chinchilla, auf das Wohl unserer beiden Länder und auf eine glückliche Zukunft der deutsch-costa-ricanischen Beziehungen!