Einweihung einer Mädchenschule in Burin

Schwerpunktthema: Rede

Burin/Palästinensische Gebiete, , 31. Mai 2012

Bundespräsident Joachim Gauck: "Eine Schule nur für Mädchen darf auch ein Bundespräsident nicht alle Tage einweihen. Habt vielen Dank für den freundlichen Empfang, Ihr habt mich begeistert! Überhaupt bin ich begeistert davon, heute bei Euch und bei Ihnen, meine Damen und Herren, zu sein. Schon die Anfahrt hierher, die Olivenbäume und die wunderschöne Landschaft haben mich beeindruckt. Am meisten freue ich mich aber über dieses gemeinsame Projekt – eine von über 80 Schulen, die mit deutscher Unterstützung neu gebaut oder wieder aufgebaut wurden."

Ansprache des Bundespräsidenten

Eine Schule für Mädchen darf auch ein Bundespräsident nicht alle Tage einweihen. Habt vielen Dank für den freundlichen und herzlichen Empfang! Dieser Dank gilt auch den Bürgerinnen und Bürgern des Dorfes Burin. Dieser freundliche Empfang hat mich begeistert!

Überhaupt bin ich begeistert davon, heute bei Euch zu sein und bei Ihnen, meine Damen und Herren. Schon die Anfahrt hierher, die Olivenbäume und die wunderschöne Landschaft haben mich beeindruckt. Am meisten freue ich mich aber über dieses gemeinsame Projekt – eine von über 80 Schulen, die mit deutscher Unterstützung neu gebaut oder wieder aufgebaut wurden.

Ein deutsches Sprichwort heißt: „Aller guten Dinge sind drei.“ Ich habe genau drei gute Gründe gefunden, heute mit Euch und mit Ihnen diese Eröffnung zu feiern.

Zuerst deshalb, weil die Mädchenschule von Burin, wie jede Schule, für ein Menschenrecht steht: für das Recht auf Bildung! Bildung bedeutet, Talente zu entdecken und zu entwickeln. Bildung ermöglicht uns, das eigene Land und die Welt kennenzulernen. Bildung hilft uns, erwachsen zu werden. Wenn wir lernen, dann macht uns das zu selbstbewussten und eigenständigen Menschen. Wer etwas gelernt hat, der möchte mitreden – und meistens tut er es auch! Das ist es nämlich, worauf ein künftiger palästinensischer Staat angewiesen sein wird – so wie auch Deutschland und jede freiheitlich-demokratische Gesellschaft in der Welt, auf mündige Bürger, die Verantwortung übernehmen können, angewiesen ist.

Der Zweck von Bildung reicht aber noch weiter: Sie hilft uns auch, Dinge zu hinterfragen, andere Sichtweisen zu verstehen und Konflikte einvernehmlich zu lösen. Das sind wichtige Voraussetzungen für ein friedliches Zusammenleben – im eigenen Land und mit anderen Völkern.

Den Menschen in den Palästinensischen Gebieten muss man das alles eigentlich nicht sagen: Die Alphabetisierungsrate hier ist so hoch wie kaum irgendwo sonst im Nahen Osten. Aber ich erzähle es trotzdem, weil ich Ihnen deutlich machen möchte: Ich bewundere Sie für die Kraft, die Sie für die Bildung in Ihrem Land aufbringen. Ihnen allen, den Schülerinnen, den Eltern, den Lehrern und den Behörden, möchte ich meinen tief empfundenen Respekt vermitteln: Es beeindruckt mich, wie sehr Sie sich als Privatpersonen, als Gesellschaft und als politische Gemeinschaft für den Zugang zu guter Bildung stark machen – gerade unter den schwierigen Bedingungen, unter denen Sie leben und derer wir uns wohl bewusst sind.

Der zweite gute Grund für diese Mädchenschule: Sie steht für ein ganz großes, weltweites Ziel: gleiche Rechte und gleiche Chancen für alle Mädchen! Von Anfang an wollen Sie, die Erwachsenen, die Kinder in ihrer Entwicklung fördern. Kluge und starke Mädchen werden eines Tages kluge und starke Frauen sein! Wir sind froh, Sie dabei unterstützen zu können.

Und jetzt komme ich zum dritten Grund für meine Freude: Das seid Ihr, liebe Schülerinnen, weil Ihr in einigen Jahren mit Euren Abschlusszeugnissen von hier ins Leben geht! Ihr seid große Hoffnungen für den Aufbau eines demokratischen Staates in Palästina! Über 40 Prozent der palästinensischen Bevölkerung sind jünger als 15 Jahre. Ihr seid die Zukunft eures Landes!

Das ist nun Eure ganz eigene Schule. Es ist wunderbar zu sehen, dass Ihr endlich genügend Räume habt, dass Ihr Platz zum Lernen habt, eine schöne Atmosphäre. Vergesst aber nicht: Den wichtigsten Platz zum Lernen findet Ihr in Euch selbst – in Hirn und Herz. Der Physiker Albert Einstein hat einmal gesagt: „Fantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt!“ Die Fantasie erlaubt uns, den großen Raum der Erkenntnis zu erfassen. Das ist der allergrößte Platz überhaupt, offen für alle Menschen, für alle Völker und Nationen. Ihr habt noch Zeit, den besonderen Ort zu entdecken. Aber offen für andere Menschen, das könnt Ihr schon hier und heute sein und lernen.

Diese Schule gehört auch Ihnen, allen Frauen und Männern hier in Burin: den Lehrerinnen und Lehrern, den Eltern, jeder Bürgerin und jedem Bürger. Ich wünsche Ihnen, dass aus diesem neuen Besitz ein kostbarer Schatz für Ihre Gemeinschaft und für eine gute Zukunft wird!