Zusammentreffen mit deutschen und internationalen Soldaten, Polizisten und Mitarbeitern der Entwicklungszusammenarbeit in Afghanistan

Schwerpunktthema: Rede

Masar-i-Scharif/Afghanistan, , 17. Dezember 2012

Bundespräsident Joachim Gauck hat bei einem Zusammentreffen mit deutschen und internationalen Soldaten, Polizisten und Mitarbeitern der Entwicklungszusammenarbeit in Masar-i-Scharif, Afghanistan eine Ansprache gehalten: "Liebe Soldatinnen und Soldaten, meine Damen und Herren, ich bin schon sehr bewegt, wenn ich hier stehe, fern der Heimat, wo übrigens das Wetter auch nicht viel besser ist als hier und Sie nun treffen darf. Das ist eine ganz besondere Situation. Sie alle sind ein wichtiger Teil jener, die sich hier im Land gemeinsam mit den Afghanen für den Wiederaufbau engagieren. Mit Händen und Köpfen und Herzen und Wagemut und Geduld sind Sie bei der Sache. Ich sehe hier Deutsche und Angehörige anderer Nationen. Ich sehe Menschen in Uniform – die meisten – und in Zivil. Und Sie alle verbindet die Bereitschaft, die Heimat auf Zeit zu verlassen und weit weg von zuhause hier bei den Afghanen ein politisches Ziel mit Ihrer eigenen Hingabe zu verbinden und Frieden und Entwicklung in dieser Region in Gang zu bringen."

 Bundespräsident Joachim Gauck spricht vor Soldaten und Verbündeten sowie mit Polizisten und Mitarbeitern der Entwicklungszusammenarbeit

Liebe Soldatinnen und Soldaten, meine Damen und Herren, ich bin schon sehr bewegt, wenn ich hier stehe, fern der Heimat, wo übrigens das Wetter auch nicht viel besser ist als hier und Sie nun treffen darf. Das ist eine ganz besondere Situation. Sie alle sind ein wichtiger Teil jener, die sich hier im Land gemeinsam mit den Afghanen für den Wiederaufbau engagieren. Mit Händen und Köpfen und Herzen und Wagemut und Geduld sind Sie bei der Sache. Ich sehe hier Deutsche und Angehörige anderer Nationen. Ich sehe Menschen in Uniform – die meisten – und in Zivil. Und Sie alle verbindet die Bereitschaft, die Heimat auf Zeit zu verlassen und weit weg von zuhause hier bei den Afghanen ein politisches Ziel mit Ihrer eigenen Hingabe zu verbinden und Frieden und Entwicklung in dieser Region in Gang zu bringen.

Wenn ich Sie so anspreche, dann ist mir schon bewusst, dass zu Jeder und Jedem, den ich hier sehe, viele andere gehören, sehr viel mehr, die draußen sind, die gerade Dienst haben, die nicht hier sein können. Die sind heute Abend nicht bei uns, aber mir sind sie sehr gegenwärtig und ich bitte Sie ganz herzliche Grüße auszurichten von ihrem Bundespräsidenten.

Ich bin hierher gekommen, um Ihnen allen meine Anerkennung zu zeigen, meine Wertschätzung auszudrücken und meinen Dank. Denn Sie leisten etwas Außerordentliches. Sie bringen Opfer. Sie zeigen Mut, Sie arbeiten daran, dass auch hier in Afghanistan diejenigen ermutigt werden, die Frieden, Demokratie und irgendwann auch Wohlstand schaffen wollen.

Mein Dank gilt, wenn ich das ausspreche, natürlich auch Ihren Lieben, Ihren Familien und Freunden in Deutschland. In einer Woche feiern wir Weihnachten. Ich stelle mir gerade die Eltern oder Partner vor, die Sie zuhause haben und die dort, wo Kinder sind, erklären müssen, warum die Mama, warum der Papa nicht zuhause sind, sondern hier in Afghanistan. Das fällt nicht jedem leicht, solche Erklärungen dann auch zu finden, mit denen man Kinder beruhigen kann. Gerade wenn ich mir solche Familiensituationen vorstelle, dann kommt mir in den Sinn und ins Gemüt, wie dankbar ich Ihnen bin für Ihren Einsatz, für Ihre Entschlossenheit für Ihren Dienst.

Meine Damen und Herren, liebe Soldatinnen und Soldaten, die Hälfte der Menschen, die in diesem Land wohnen ist jünger als 15 Jahre. Wenn ich mir vorstelle, dass vielleicht wieder einmal mehr junge Drachenläufer dieses Land prägen, dann wird es auch mit Ihrer Arbeit zu tun haben. Wenn hier nicht mehr die Terroristen das Sagen gehabt haben, dann hilft das nicht nur uns in Europa oder Amerika zu mehr Sicherheit, sondern es verhilft dieser Region zu einer Sicherheit, die Voraussetzung dafür ist, in Zufriedenheit und Glück zu leben.

Ihrer Arbeit verdanken wir es, wenn Frauen und Männer in Afghanistan Hoffnung schöpfen, wenn sie eben tatsächlich mehr Sicherheit vorfinden und ich habe mir sagen lassen, dass dies sehr deutlich der Fall ist.

Erst dann, wenn die Sicherheit da ist, kann man für Wohlstand arbeiten, für eine bessere Zukunft. So schützen Sie hoffnungsvolle Aufbrüche. Sie eröffnen Schülern Chancen, Sie stärken den Mut, wo auch immer er keimt. Unter welchen Umständen und unter welch hohem persönlichen Risiko Sie hier arbeiten, das können wir aus der Ferne nur sehr schwer erahnen. Richtig ermessen kann das ja eigentlich nur der, der hier über längere Zeit Dienst getan hat.

Und, dass ist mir völlig klar, auch mein heutiger erster Besuch hier in diesem Land wird nur allererste Eindrücke vermitteln können. Umso mehr liegt mir die Begegnung und das Gespräch mit Ihnen am Herzen. Ich habe innerhalb weniger Stunden hier sehr viel dazu gelernt, was meine Sicht auf das Land und die Problematik auch schon gehörig verändert hat. In Teilen Afghanistans, wir wissen es alle, herrschen immer noch kriegsähnliche Zustände. Soldaten müssen sich in Gefechten gegen Überfälle behaupten, müssen heimtückische Anschläge fürchten. Ihre Bereitschaft als Soldatinnen, als Soldat Entbehrungen in Kauf zu nehmen, ist Ausdruck einer in unserer Gesellschaft nicht mehr selbstverständlichen Bereitschaft zu dienen und auch zur Hingabe. Sie erfordert Ihren Einsatz, Ihre Aufmerksamkeit, Ihren Mut. Leider fordert Sie Ihnen manchmal auch das Äußerste ab, was ein Mensch geben kann, nämlich das eigene Leben. Und Sie setzen nun dies alles ein; nicht um, wie frühere deutsche Soldaten zu anderen Zeiten, Land zu gewinnen oder Siegesbanner aufzupflanzen, sondern Sie tun das alles, weil Parlamente und politisch Verantwortliche Ihnen Verantwortung übertragen haben. Verantwortung für die Sicherheit friedlicher Bewohner dieses Landes. Sie haben diese Verantwortung angenommen. Wohlwissend, dass militärisches Handeln allein bestenfalls Räume sichern kann. Es braucht dazu eine Menge anderer Aktivitäten ziviler oder administrativer Art, um diese Räume dann mit friedlichem demokratischem Leben zu füllen.

Frieden entwickeln – das braucht Mut. Was es nicht braucht ist Übermut. Es ist eine mühselige, aber auch eine lohnende Aufgabe – allein militärisch ist wohl wenig zu gewinnen; weder der Frieden, noch ein stabiler Staat, noch die Akzeptanz der Menschen, die hier leben. Was zählt ist die Zusammenarbeit. Ob Sie also als Polizist Kollegen ausbilden, die oftmals ja weder lesen noch schreiben können oder ob Sie als Zivilkräfte im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit dafür sorgen, dass die Bevölkerung Strom, Wasser oder Bildungsmöglichkeiten bekommt, Sie alle können miteinander zum erfolgreichen Wiederaufbau des Landes beitragen. Und wir können in verschiedenen Teilen des Landes durchaus Aufbauerfolge sehen. Wir sind bei der Ausbildung, beim Aufbau durchaus nicht am Ziel und trotzdem kann man von Erfolg sprechen.

Erfolge in Afghanistan interessieren leider oftmals medial weniger als Bilder und Worte des Scheiterns. Von Verwundeten oder getöteten Soldaten hören wir verlässlich, von neuen Stromanschlüssen, gelungenen Unternehmen, erfolgreichen Schulabschlüssen hören wir dagegen sehr selten. Ich wünsche mir in der Diskussion in Deutschland über die Lage hier in Afghanistan weder Schwarzmalerei noch Schönfärberei. Ich wünsche mir Realismus. Sie hier können durch Ihre Erfahrungen dazu beitragen, dass in Deutschland ehrlich über den Einsatz gesprochen wird – ehrlicher.

Meine Lebensgeschichte hat mich im Übrigen zu einem optimistischen Realisten gemacht. Jahrzehntelang hatte ich früher erlebt, was nicht gut war, was scheinbar ewig währen würde und deshalb lange von den meisten Menschen als unveränderbar angesehen wurde. Aber die Enge dieser Vorstellung wurde damals vor über 20 Jahren plötzlich und kraftvoll durchbrochen und zwar durch den Mut und die Ausdauer der Einzelnen.

Die Verhältnisse in Mittelosteuropa und die in Afghanistan sind zwar sehr sehr unterschiedlich, aber ohne Mut und ohne Ausdauer auch der Einzelnen und ohne unsere Unterstützung wird hier der gesellschaftliche Wandel wohl nicht gelingen. Die Menschen in Afghanistan haben einen sehr weiten Weg vor sich. Dieser weite Weg darf 2014 nicht zu Ende sein. Und wer meint, dass nach 2014 in Afghanistan nichts mehr gestaltet werden kann, oder nichts mehr gestaltet werden müsste, der ist entweder überoptimistisch oder leichtsinnig oder er ist schlicht und einfach unsolidarisch.

Denn nicht der Übermut der Verbündeten hat uns hierher gebracht, sondern die Verantwortung für Sicherheit und Frieden. Und wir haben durch unser gemeinsames Engagement Verantwortung übernommen. Wir haben Absprachen mit unseren afghanischen Partnern getroffen und von diesen Absprachen dürfen wir nicht abrücken. Dies erfolgt auch im Wissen um die besondere Tradition der Zusammenarbeit Deutschlands mit Afghanistan. Wir wollen weiter zuverlässige und ehrliche Partner sein. Es berührt mich auch, wenn ich höre, dass keine Nation hier so angesehen ist wie die deutsche. Das ist nicht nur wegen der Erfahrung zu Anfang des vorherigen Jahrhunderts so, sondern es ist so wegen Ihrer Arbeit, wegen Ihrer Leistung, wozu ich Sie beglückwünsche.

Wir werden also weiter dazu beitragen, den Frieden zu entwickeln. Wir werden dem Land auch verbunden sein, wenn 2014 eine andere Zeit angebrochen ist, wenn die Rückverlegung tatsächlich Wirklichkeit geworden ist.

And now I would like to add a few words in English to address our international friends. I appreciate your efforts for the stability and peaceful future in Afghanistan. Please accept my heartfelt thanks for what you do to support the Afghan nation. Rest assured, your admirable deeds regardless of rank, colour or nation are well respected in Germany

Nun, Ihnen allen meine Damen und Herren, die ich hier heute treffe, Ihnen allen sage ich meinen tief empfundenen Dank. Ich spreche ihn aus nicht nur für mich als Person, sondern für unser ganzes Land. Wir sind stolz, auf das, was Sie unter erschwerten Bedingungen leisten.

Und jetzt freue ich mich darauf, den einen oder anderen von Ihnen zu treffen, ihm die Hand zu geben oder ein Bild für Omas Fotoalbum zu machen. Also fröhliche Weihnachten auch unter den Umständen, die Sie hier haben. Bleiben Sie Ihrer guten Sache treu und kommen Sie alle heil und gesund nach Hause, wann immer Sie Urlaub kriegen oder Ihre Zeit hier vorbei ist.

Ich danke Ihnen.