Verleihung des Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland an Peter Harry Carstensen

Schwerpunktthema: Rede

Schloss Bellevue, , 14. März 2013

Der Bundespräsident hat am 14. März in Schloss Bellevue das Große Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland an Ministerpräsident a.D. Peter Harry Carstensen verliehen.

Bundespräsident Joachim Gauck verleiht Peter Harry Carstensen das Große Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland

Herzlich willkommen Ihnen allen hier in Berlin, in Schloss Bellevue. Hier gibt es eine Veranstaltungsart, die mir besonders am Herzen liegt, das ist immer dann, wenn ich verdiente Bürgerinnen und Bürger auszeichnen kann. Bürgerinnen und Bürger zumeist aus der Mitte unserer Bevölkerung, die sich in Vereinen, im Ehrenamt, in irgendeiner Weise oft sehr langjährig Verdienste erworben haben. Dann erlebt man das eigene Land als eine Schatzkammer. Und wenn wir die Medien sonst konsumieren, erleben wir das eigene Land ja gerne als eine Bruchbude. Aber diese Veranstaltungen hier, die sind dann heilsam und hilfreich und auch die Freude der jeweiligen Präsidenten, die hier stehen.

Heute nun ist für alle Norddeutschen eine besondere Stunde. Wir sind hier zusammengekommen, um einen Mann zu ehren, der in seiner aktiven politischen Zeit mehr war, als nur ein Amtsinhaber, mehr als ein Funktionsträger, ein Politiker, der Aufgabe nach Aufgabe übernahm und Amt nach Amt ausübte. Das alles hat Peter Harry Carstensen auch gemacht und er war Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein, der es geschafft hat, gleichzeitig so etwas zu werden wie das Gesicht seines Landes. Wer Schleswig-Holstein personifizieren wollte, wer sich sozusagen den hohen Norden in Gestalt eines Mannes vorstellen wollte, der kann das tun, denn er denkt ja mehr oder weniger automatisch an Sie, Peter Harry Carstensen.

Das allein ist natürlich noch kein Grund und kein Verdienst. Das kann ja auch Glückssache sein, wenn man so als Person ein Land verkörpert. Es gibt ja noch einige andere Gründe, aber diesen nun nicht. Der steht jedenfalls nicht in den Vorschriften und Bestimmungen für die Ordensvergabe und schon gar nicht, wenn es sich um einen hohen Orden handelt, den des Großen Verdienstkreuzes mit Stern und Schulterband des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. 

Ein Politiker wird ja – so wollen wir doch wenigstens alle hoffen – letzen Endes nicht an seiner Erscheinung gemessen, so imposant die auch sein mag, Er wird an den Taten gemessen, die er vorzuweisen hat, an Initiativen, die er ergriffen hat, auch an den Gesetzen, die er auf den Weg gebracht hat, und was er an Vorhaben zugunsten des Gemeinwesens und seiner Bürgerinnen und Bürger initiiert oder erkämpft oder begleitet oder zu einem guten Ende gebracht hat.

Und hier können wir im vorliegenden Fall die Fakten sprechen lassen: In Ihre Regierungszeit, lieber Herr Carstensen, fällt zum Beispiel der Erfolg einer Mittelstandsoffensive. Sie hat dazu beigetragen, dass 90.000 neue Arbeitsplätze geschaffen wurden. 33.000 Menschen wurden aus der Arbeitslosigkeit herausgeholt.

Ein Politiker – so wollen wir weiter doch hoffen – wird gemessen an den Inhalten, für die er gestanden hat. Was könnte hier wichtiger sein für unser Land, auch für Schleswig-Holstein, als der Bildungsbereich – und gerade für einen Ministerpräsidenten, da die Bildungspolitik zu den originären Zuständigkeiten unserer Länder gehört? Gewiss, in unserem Land, auch in Schleswig-Holstein bleibt noch viel zu tun. Aber vieles haben Sie eben angepackt. Auch hier könnten wir Fakten sprechen lassen:

Die Landesregierung Carstensen hat die Besuchsquote der Kindertagesstätten gesteigert, sie hat in den Schulen den Betreuungsschlüssel zwischen Lehrern und Schülern verbessert, sie hat den Anteil von Schülern ohne Schulabschluss verringert, sie hat die Zahl von Schülern mit Hochschulabschluss beziehungsweise Fachhochschulreife gesteigert.

Und ein Politiker wird schließlich auch daran gemessen, die höchste Kunst in der parlamentarischen Demokratie zu beherrschen, nämlich ein harter, zäher, aber auch verlässlicher Verhandlungspartner zu sein, einen gerechten Ausgleich herzustellen, tragfähige Kompromisse zustande zu bringen und Koalitionen zu schmieden. Wer hierzu die Partner auf dem politischen Lebensweg von Peter Harry Carstensen hört, der weiß, wovon ich spreche.

Summa summarum werden ein Politiker und sein Lebenswerk daran gemessen, ob man ihm Vertrauen entgegenbringen kann, ob sein Wort gilt und ob sein Handeln und sein Reden übereinstimmen.

Und gerade dies stimmt für Sie, Peter Harry Carstensen, und vieles von dem, was noch lobend herauszustellen ist, werden auch entschiedene politische Gegner nicht in Zweifel ziehen. Man kann vielleicht sogar die Frage stellen, ob Peter Harry Carstensen so etwas wie „entschiedene politische Gegner“ überhaupt hat. Also das sollte man eigentlich nicht bezweifeln, sonst würde ja etwas nicht stimmen. Aber es gibt Typen, wo man es eher weniger vermutet oder auch feststellt. Auch das ist allerdings kein Kriterium einer Ordensverleihung und wir überlassen diese Frage gern der politischen oder zeitgeschichtlichen Analyse.

Alles andere stimmt also für Peter Harry Carstensen – und doch, so meine ich, ist eben das ganz Besondere an ihm, dass er – zumindest in seiner Wirkung für die überwiegende Zahl der Bürgerinnen und Bürger seines Landes - für dieses Land selbst stand. Noch viel mehr gilt das für die vielen Menschen, die von außen auf Schleswig-Holstein gucken, auf den hohen Norden, geografisch also gleichsam von unten.

Für die Bürgerinnen und Bürger, die Wählerinnen und Wähler, die sich in einer Demokratie informieren, orientieren, engagieren wollen, ist es nämlich nicht unwichtig, wie sie sich selber mit ihrem Land identifizieren.

Sie alle – besser: wir alle – wissen, wer wir sind, wo wir uns „verorten“, wohin wir gehören. Engagement für das Gemeinwesen gibt es nur dort, wo das Gemeinwesen Identität vermittelt und stiftet.

Wir haben einen Heimatort, eine Heimatstadt, woher wir kommen oder wohin es uns verschlagen hat. Und es ist auch klar, dass wir Deutschland als unsere gemeinsame nationale Heimat haben und erleben und dass wir uns in Europa immer mehr und immer bewusster als europäische Bürger fühlen und erleben.

Aber zwischen dem Ort unserer engeren Heimat und dem großen Deutschland oder gar Europa - da liegt eben für jeden von uns die Region, das Heimatland, das Bundesland, das uns ans Herz gewachsen ist, zu dem wir in besonderer Weise gehören. Es ist wichtig, dass diese Länder, aus denen unsere Bundesrepublik besteht, für ihre Bürgerinnen und Bürger immer neu zu einer identifizierbaren Heimat werden. Es ist wichtig, dass man merkt, wie das große bunte Deutschland aus so unterschiedlichen Farben und Färbungen seiner Länder besteht – nicht zuletzt den sprachlichen Färbungen – so ist es zusammengesetzt, so lebt es und am liebsten würde ich hier manchmal ein bisschen plattdeutsch sprechen in dieser Feierstunde. Aber aus Rücksicht auf unseren chinesischen Gast unterlasse ich es.

Also: Unsere Länder brauchen ein Gesicht und müssen identifizierbar sein.

Das – und nun komme ich auf den Anfang meiner Ansprache zurück –, das hat nun Peter Harry Carstensen durch sein Wirken, durch sein Sprechen, sein politisches Handeln, durch sein so-und-nicht-anders-Sein bewirkt und geleistet. Schleswig-Holstein hat sich zu einem guten Teil in ihm erkannt und verkörpert gefühlt.

Wenn ein Politiker seine Ämter so ausfüllt, wenn ein Mann an der Spitze eines Gemeinwesens so redet und agiert, dass die Menschen von Respekt und Anerkennung erfüllt sind, dass sie ein Gefühl von Identität bekommen - ja: das Gefühl von Heimat -, dann darf man das doch rühmen und ehren.