Wandelkonzert anlässlich des 50. Gründungsjubiläums von "Jugend musiziert"

Schwerpunktthema: Rede

Schloss Bellevue, , 26. Mai 2013

Bundespräsident Joachim Gauck hat am 26. Mai 2013 bei einem Wandelkonzert anlässlich des 50. Gründungsjubiläums von "Jugend musiziert" ein Grußwort gehalten: "50 Jahre 'Jugend musiziert' – der Bundespräsident darf der Schirmherr sein wie auch beim Deutschen Musikrat. Ein halbes Jahrhundert Musik als Wettbewerbskultur: Das kann man schwer umrechnen in die Zahl von Notenblättern, die umgewendet wurden, in Übungsstunden, in Konzertminuten. Man kann es auch nicht umrechnen in Glücksmomente. Aber die gab es ganz gewiss. Es müssen viele, viele Tausende gewesen sein! 'Jugend musiziert': Es kann kein Zweifel bestehen, dass die Existenz dieser Einrichtung ein Glücksfall für unser Land ist."

Bundespräsident Joachim Gauck empfängt die Gäste beim Wandelkonzert anlässlich des 50. Gründungsjubiläums des Wettbewerbs "Jugend musiziert"

Heute begrüße ich Sie zu einem besonders festlichen und schönen Ereignis. Dies ist auch ein Haus der Musik und Termine wie der heutige erfüllen mich immer mit besonderer Freude. Ich will nicht nur denken und politisch argumentieren. Meine Seele soll sich auch nähren. Und die Künste, sie sorgen dafür, dass unsere Seelen nicht verhungern und verdursten. Dieser Anlass: Wie schön!

50 Jahre "Jugend musiziert" – der Bundespräsident darf der Schirmherr sein wie auch beim Deutschen Musikrat. Ein halbes Jahrhundert Musik als Wettbewerbskultur: Das kann man schwer umrechnen in die Zahl von Notenblättern, die umgewendet wurden, in Übungsstunden, in Konzertminuten. Man kann es auch nicht umrechnen in Glücksmomente. Aber die gab es ganz gewiss. Es müssen viele, viele Tausende gewesen sein! Vor Ihnen steht zwar kein Musiker, aber ein Mensch, der kostbare Augenblicke seines Lebens der Musik verdankt. Und diesem Kulturgut wünsche ich nicht nur aus persönlichem Grund, sondern weil ich um seine heilenden Potentiale für eine Gesellschaft weiß, eine gute Zukunft mit immer neuen Generationen auf der Bühne und in den Konzertsälen. Vor allen Dingen aber Zukunft für ein Publikum, das oft erst hingeführt werden muss zur Musik.

Nun zu "Jugend musiziert": Es kann kein Zweifel bestehen, dass die Existenz dieser Einrichtung ein Glücksfall für unser Land ist. Am Anfang stand das klare Projektziel, Nachwuchs für deutsche professionelle Orchester und Chöre zu sichern. Heute erleben wir den Wettbewerb als eine bundesweite Begegnung und zugleich als Startpunkt für unzählige musikalische Karrieren, die häufig sogar bis in die großen Konzerthäuser dieser Welt führen. Aus einem Projekt ist eine Institution geworden. "Jugend musiziert" ist damit in doppelter Hinsicht ein Erfolgsmodell – für unsere Breiten- wie für unsere Hochkultur. Ich bin ein großer Anhänger des Gedankens, dass man diese beiden Elemente nicht gegeneinander ausspielen sollte, sondern dass man sie als zwei Seiten einer Medaille zu betrachten hat. "Jugend musiziert" – von seinen Regionalausscheiden bis hin zu den hochkarätigen Konzerten der Bundespreisträger – liefert dafür nun anschauliche Beispiele. Wer Kunst in der Breite fördert, der findet auch immer wieder die Spitzentalente.

Ich sage es gern noch einmal zur Bestärkung für alle hier im Saal, die jenseits von "Jugend musiziert" bisweilen mit schwierigen Rahmenbedingungen hadern: Musikalische Bildung in Deutschland braucht beides – die Breite und die Spitze.

Und musikalische Bildung in Deutschland hat eine höhere Wertschätzung in der Gesellschaft verdient, als sie derzeit erkennbar ist. Kommen wir also noch einmal auf die etwas darunter liegenden Aufgaben und stellen wir uns vor, wie die Karrieren beginnen. Wie wichtig es ist, dass wir einem Kind Musik erschließen, das haben alle diejenigen Eltern und Lehrer begriffen und auch erlebt, die Kinder zur Musik hinführen und mit Kindern musizieren. Und Sie, die Sie hier im Raum sind, können das wahrlich weit besser beschreiben als ich. In den Jugendjahren, wenn Herz und Verstand zwischen Weltschmerz und Revolution hin und her schwanken, kann Musik neue Wege eröffnen und zu einem kostbaren Schatz im Leben werden. Die Jugendlichen entdecken nämlich während dieser Zeit der Unruhe und der Umorientierung in ihrem Leben die eigenen Fähigkeiten auch dadurch, dass sie zu einer Gruppe gehören. Im gemeinsamen Musizieren eröffnen sich Menschen ja nicht nur die Welten der Musik, der Kultur. Indem sie aufeinander hören, miteinander arbeiten, sich selbst etwas abverlangen, lernen sie eine Lebensform der Verbundenheit miteinander und der Bezogenheit aufeinander. Weder im privaten Leben noch im öffentlichen Miteinander können wir auf diese Lebenshaltung und auf diese Lebensform verzichten. Meine Gratulation zu 50 Jahren "Jugend musiziert" bezieht sich also nicht nur auf die Förderung der Musikkultur, sondern sie greift weiter: Ich habe die humane Kultur, unsere Haltung als Menschen im Blick.

Ich gratuliere heute auch den Musiklehrinnen und Musiklehrern mit ihrem Gespür für Talente und ihrer unerschöpflichen Kreativität, wenn es gilt, die Spiel- oder Sangesfreude ihrer Schüler zu entwickeln und zugleich Ausdauer und Geduld anzumahnen, weil große Kunst – Sie wissen das besser als ich – beides braucht: Leidenschaft und Perfektion.

Ich möchte außerdem denen gratulieren, die sich im Umfeld des Wettbewerbs engagieren. Ohne ihre Hilfe wäre vieles, was wir heute als 50-jähriges Jubiläum feiern, gar nicht möglich. Und viele Karrieren wären ohne dieses Engagement auch nicht denkbar gewesen.

Dann denke ich an die vielen ehrenamtlichen Organisatoren der Wettbewerbe, an Geldgeber und ideelle Förderer – und nicht zuletzt denke ich an die Familien der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die jedes Jahr zum Gelingen von "Jugend musiziert" beitragen. Ohne diese geschilderten Netzwerke würden wir das nicht erleben: So eine Blüte im 50. Jahr der Existenz dieses Wettbewerbs! Ich habe vorhin von Tausenden von Glücksmomenten gesprochen – jetzt kann ich eigentlich darauf nur antworten: Tausend Dank für diese tausendfältigen Geschenke an die Menschen, die von Ihrer Kunst profitieren und von Ihrer Kunst beflügelt werden.

Ganz Bellevue wird gleich zur Bühne. Ich freue mich schon seit Tagen auf dieses Wandelkonzert. Das ist eine musikalische Form, die wir hier öfter erleben in diesem Haus.

Als es auf den Schlössern noch richtige Zeremonienmeister gab, traten die in unsere Mitte und sprachen ein Wort: "Musik!" Das war wunderbar. Das Protokoll dieses Hauses hat mir nun versichert, dass ich nicht gebunden bin an eine bestimmte Form der Ankündigung und deshalb schließe ich mit einem Zitat eines Wortmächtigen. E. T. A. Hoffmann hat einmal gesagt: "Wo die Sprache aufhört, fängt die Musik an."