Empfang des Staatspräsidenten von Malta

Schwerpunktthema: Rede

Schloss Bellevue, , 11. März 2014

Bundespräsident Joachim Gauck hat am 11. März den Präsidenten der Republik Malta, George Abela, empfangen. Beim abendlichen Staatsbankett sagte er: "Angesichts seiner Geschichte und seiner geographischen Lage ist Malta heute ein Bindeglied zwischen Europa und Nordafrika. Ihr Land leistet einen wichtigen Beitrag, um vertrauensvolle Beziehungen zu den nordafrikanischen Staaten zu gestalten."

Bundespräsident Joachim Gauck hält eine Rede anlässlich des Staatsbanketts für den Präsidenten der Republik Malta, George Abela

Ihnen allen ein herzliches Willkommen in Schloss Bellevue, hier in Berlin!

Exzellenz, Sie besuchen uns in einem europäischen Gedenkjahr, in dem auch Ihr Land ein Jubiläum begeht: Vor fast genau zehn Jahren, am 1. Mai 2004, trat die Republik Malta der Europäischen Union bei, zusammen mit neun anderen Staaten. Wenn bei uns in Deutschland von diesem historischen Ereignis die Rede ist, dann sprechen wir bis heute von der Osterweiterung. Das ist etwas ungenau mit Blick auf die mediterranen Inselstaaten Malta und Zypern, deren Beitritt ja auch für eine Süderweiterung steht.

Ihr heutiger Besuch mag uns Deutschen ein guter Anlass sein, noch genauer auf unsere Partner im Süden unserer Europäischen Union zu schauen und auf das, was uns nicht erst seit 2004 verbindet.

Malta und Deutschland haben gemeinsame historische Wurzeln, die unsere Länder bis heute prägen. Die römische Kultur, Kaiser Friedrich II. und natürlich Karl V., der Malta dem Ritterorden des Heiligen Johannes zum Lehen gab, all das spielt eine wichtige Rolle. Auch wenn nicht jedem klar sein mag, woher der Name kommt, so kennt doch heute fast jeder in Deutschland den Malteser Hilfsdienst und dessen Zeichen, das weiße achtspitzige Kreuz auf rotem Grund.

Es gibt natürlich auch dunkle Seiten unserer Geschichte. Und zu den dunklen Seiten unserer gemeinsamen Geschichte gehört die Blockade Maltas durch Deutsche und deutsche Verbündete im zweiten Weltkrieg. Unzählige Bombenangriffe der deutschen Luftwaffe brachten Tod und Zerstörung nach Malta. Nirgendwo sonst fielen in diesem Krieg so viele Bomben auf eine vergleichbare Fläche. Dieses Leid wollen wir nicht vergessen, und umso dankbarer blicken wir auf unsere heutigen engen und guten Beziehungen.

Beziehungen, aus denen sogar Freundschaft erwachsen ist. Deutschland ist heute der wichtigste ausländische Markt für maltesische Produkte, und viele deutsche Unternehmer investieren auf Malta, schaffen Arbeitsplätze und bilden junge Leute aus. Auch bei der Förderung der dualen Ausbildung arbeiten unsere Länder eng zusammen. Innenpolitisch stehen unsere beiden Länder vor der großen Herausforderung, erneuerbare Energien auszubauen. Lassen Sie uns dabei unsere Erfahrungen austauschen und uns gegenseitig unterstützen!

Auf wissenschaftlichem Gebiet gibt es ebenfalls Verbindungen: Deutschland unterstützt die Mittelmeerakademie für Diplomaten auf Malta, und an der Universität Bremen ist ein Malta-Zentrum angesiedelt, in dem die maltesische Sprache erforscht wird. Deutsche Touristen wiederum kommen nicht nur wegen des Klimas und der bunt bemalten Fischerboote auf Ihre Mittelmeerinseln, sondern auch wegen der exzellenten Englischkurse. Und vielen Deutschen sind die Kalkfelsen und Buchten Ihres Landes aus dem Kino vertraut, ohne dass ihnen immer bewusst wäre, dass diese zu Malta gehören.

Ihr Land, Herr Präsident, ist Deutschland ein verlässlicher Partner in Europa. Sie haben Ihre Erfahrungen, Ihre Traditionen und Stärken eingebracht und die Europäische Union mitgestaltet. Nach Ihrem Beitritt zur Währungsunion haben Sie sich gemeinsam mit uns für eine Stabilisierung der Eurozone, für Wachstum und Beschäftigung eingesetzt. Werben wir zusammen offensiv für Europa, statt Untergangspropheten das Feld zu überlassen! Ihre nationale Erfahrung kann uns dabei helfen.

Der Schriftsteller Immanuel Mifsud hat die maltesische Identität einmal als eine Mischung aus vielen Zutaten beschrieben, die auf den ersten Blick nicht immer zusammenpassen. Auf Malta, dem Archipel zwischen Europa und Afrika, trafen Christentum und Islam aufeinander, europäische und arabische Traditionen und auch britischer Kolonialismus. Dass es den Maltesern gelungen ist, aus dieser Vielfalt eine pluralistische Identität zu formen, ist ein Vorbild für viele Europäer, die Einheit in Verschiedenheit leben wollen.

Angesichts seiner Geschichte und seiner geographischen Lage ist Malta heute ein Bindeglied zwischen Europa und Nordafrika. Ihr Land leistet einen wichtigen Beitrag, um vertrauensvolle Beziehungen zu den nordafrikanischen Staaten zu gestalten. Die Umbrüche in der Region haben wir alle vor Augen, und diese Umbrüche haben uns auch gezeigt, wie wichtig es ist, weiter an politischen Brücken zu bauen.

Wie ich erfahren habe, bedeutet der phönizische Name der Hauptinsel Ihres Landes, Malat, so viel wie Zufluchtsort. Auch heute suchen wieder viele Menschen Zuflucht auf Ihren Inseln, die vielen als Tor zu Europa gelten. Tausenden Flüchtlingen gewährt Ihr kleines und dicht besiedeltes Land Schutz, was gewiss nicht immer einfach ist. Das verdient unsere Anerkennung und unsere Unterstützung. Und ich bin der Meinung, dass wir in Deutschland und anderen europäischen Ländern durchaus noch nicht am Ende unserer Möglichkeiten bei der Aufnahme von Flüchtlingen angekommen sind.

In diesem europäischen Jahr, in dem wir uns unserer Werte vergewissern, sind uns die Flüchtlingsströme eine stete Mahnung. Wenn der Winter endet, werden wieder Boote in See stechen, beladen mit Menschen, die ihr Leben riskieren, um Europas Küste zu erreichen. Ihre Beweggründe mögen durchaus unterschiedlich sein – gemeinsam aber ist ihnen allen die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Wir dürfen nicht warten, bis die Boote gekentert und Tote zu beklagen sind. Deshalb müssen wir als Deutsche und als Europäer immer wieder um Lösungen ringen, die mit unseren Interessen, aber auch mit unseren Werten in Übereinstimmung stehen.

Ein besonderes europäisches Jahr hat begonnen. Wir erinnern uns an das, was uns in Europa seit Jahrhunderten verbindet, aber auch an die Katastrophen der letzten hundert Jahre. Wir schauen auf die Herausforderungen der Zukunft, die wir gemeinsam bewältigen wollen. Und natürlich feiern wir den zehnten Jahrestag der Ost- und Süderweiterung der Europäischen Union. Ich freue mich, dass Malta und Deutschland die europäische Politik nun seit einer Dekade als Partner mitgestalten – und möchte mit Ihnen allen auf dieses Jubiläum anstoßen:

Ich erhebe mein Glas auf Ihr Wohl, Herr Präsident, auf die Freundschaft zwischen unseren Ländern – und auf die Zukunft der Europäischen Union.