Ansprache beim Mittagessen der Trondheimer Bürgermeisterin

Schwerpunktthema: Rede

Trondheim/Norwegen, , 13. Juni 2014

Der Bundespräsident hat am 13. Juni beim Mittagessen, gegeben von der Trondheimer Bürgermeisterin Rita Ottervik, anlässlich seines Staatsbesuchs in Norwegen eine Ansprache gehalten: "Trondheim vereint Tradition mit Fortschritt: Ihre Stadt ist heute ein modernes Technologiezentrum und nimmt zugleich als ehemalige Hauptstadt eine Schlüsselrolle in der norwegischen Geschichte ein."

Bundespräsident Joachim Gauck und Daniela Schadt besichtigen den Nidarosdom in Trondheim

Haben Sie herzlichen Dank, Frau Bürgermeisterin, für Ihre freundlichen Begrüßungsworte. Es ist mir ein besonderes Anliegen, während meines Besuches in Norwegen neben Oslo auch Trondheim zu besuchen. Denn dies ist eine bemerkenswerte Stadt – und das nicht nur, weil sie über zwei ungewöhnliche Einrichtungen verfügt: einen Fahrradlift und ein Rockmuseum. Trondheim vereint Tradition mit Fortschritt: Ihre Stadt ist heute ein modernes Technologiezentrum und nimmt zugleich als ehemalige Hauptstadt eine Schlüsselrolle in der norwegischen Geschichte ein.

Trondheim und das Erzbistum Nidaros sind eine Wiege der christlichen Kultur in Nordeuropa. Dieser beeindruckende Saal des alten Erzbischöflichen Palastes lässt die Bedeutung Trondheims als religiöses und kulturelles Zentrum des mittelalterlichen Norwegens erahnen. Die Verehrung des Schreins des Heiligen Königs Olav im Nidarosdom machte Trondheim im Mittelalter zu einem bedeutenden Pilgerort. Heute wandern wieder viele Menschen, darunter auch Deutsche, auf dem restaurierten alten St. Olavs-Pilgerweg von Oslo nach Trondheim, der vom Europarat in die Liste der europäischen Kulturstraßen aufgenommen worden ist.

Zum späteren wirtschaftlichen Aufstieg der Stadt Trondheim trug nicht nur das Kupfer aus der Bergstadt Røros bei – es waren auch Kaufleute aus Schleswig und Holstein, die hierher kamen. Einen intensiven wirtschaftlichen Austausch hatte es schon seit den Zeiten der Hanse gegeben. Und auch heute ist Deutschland wieder einer der wichtigsten Handelspartner Norwegens. Wir haben es eben gehört.

In Deutschland wissen wir, dass all dies nicht selbstverständlich ist nach dem Leid des Zweiten Weltkrieges – gerade Trondheim litt unter der deutschen Besatzung: Auf der Festung Kristiansten wurden norwegische Widerstandskämpfer von der deutschen Besatzungsmacht hingerichtet. Wir Deutschen empfinden es als großes Glück, dass Norwegen und Deutschland in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg Brücken über die Gräben der Vergangenheit geschlagen haben und heute enge Partner sind, die den Blick auf die Zukunft richten können.

Auch daran musste ich denken, als ich heute das Marintek-Forschungszentrum besuchte und mit jungen Studierenden und Forschern aus Deutschland sprach. Sie haben mir die beeindruckende Vielfalt ihrer Forschungsgebiete erläutert. Ich freue mich über diese gute Zusammenarbeit zwischen norwegischen und deutschen Nachwuchsforschern. An solch einem Ort wird sehr deutlich, weshalb Norwegen zu den führenden Nationen in der Fördertechnik von Gas und Öl gehört. Es ist gut, dass mit Siemens auch eine deutsche Firma erfolgreich auf diesem Feld aktiv ist und sich hier in Trondheim mit Forschungseinrichtungen engagiert.

Auch die Technisch-Naturwissenschaftliche Universität Trondheim kann man als Bindeglied zwischen Trondheim und Deutschland bezeichnen. Anfang des vergangenen Jahrhunderts im Geiste der deutschen Tradition universitärer Bildung gegründet, ist sie derzeit die mit Abstand beliebteste norwegische Hochschule unter deutschen Studierenden – die neben der guten Ausbildung sicherlich auch die wunderbare Atmosphäre dieser Stadt und die Natur Mittelnorwegens schätzen.

Der kulturelle Austausch zwischen Deutschland und Norwegen war im 19. und im frühen 20. Jahrhundert besonders intensiv. Ich freue mich deshalb sehr, dass die international beachteten Auftritte der Violinistin Anne-Sophie Mutter gemeinsam mit den Trondheimer Solisten, diese Tradition fortführen.

Wenn man in Trondheim ist, wäre es wohl ein großes Versäumnis, die Sportbegeisterung und die sportlichen Erfolge dieser Stadt nicht zu erwähnen. Der Fußballverein Rosenborg Trondheim ist mit 22 Titeln norwegischer Rekordmeister. In Deutschland kann da nur Bayern München mithalten. Ebenso bekannt ist die Region Trondheim als Wintersportort und Heimat vieler erfolgreicher norwegischer Wintersportler: zum Beispiel der Skilangläuferin Marit Bjørgen, die bis heute weltweit erfolgreichste Teilnehmerin an olympischen Winterspielen, oder des Skispringers Anders Bardal.

Der Besuch des Nidarosdoms nach diesem Essen ist für mich ein abschließender Höhepunkt meines Staatsbesuches in Norwegen. In der Romantrilogie Kristin Lavranstochter ließ die norwegische Literaturnobelpreisträgerin Sigrid Undset ihre Protagonistin den Besuch des Nidarosdoms folgendermaßen erleben:

Aber über dem grünen Land, über der herrlichen Stadt erhob sich die Christkirche so riesenhaft und strahlend hell, dass gleichsam alles ihr zu Füßen lag. Die Abendsonne mitten auf der Brust und mit blitzendem Fensterglas, mit Türmen und schwindelnd hohen Spitzen und goldenen Wetterfahnen stand sie da und deutete in den hellen Sommerhimmel hinauf.

Ich freue mich auf den Besuch dieser Kirche mit ihrer langen und bedeutenden Geschichte, wo früher die norwegischen Monarchen gekrönt wurden und wo sie heute gesegnet werden. Ebenso freue ich mich auf das Gespräch mit Ihnen, Frau Bischöfin, und nicht zuletzt darauf, die beiden Orgeln zu hören, die von deutschen Orgelbauern gebaut und später restauriert wurden. Ich kann mir kaum ein schöneres Symbol für das harmonische Zusammenwirken unserer Länder vorstellen.

In diesem Sinne bitte ich Sie, gemeinsam mit mir das Glas zu erheben und auf das Wohl Ihrer Königlichen Hoheit, auf Ihr Wohl, Frau Bürgermeisterin, Frau Bischöfin, und auf die gute Zusammenarbeit unserer beiden Länder zu trinken – möge Trondheim auch in Zukunft ein wichtiger Bezugspunkt dieser Kooperation bleiben!