Rede beim Staatsbankett in Kanada

Schwerpunktthema: Rede

Ottawa/Kanada, , 24. September 2014

Bundespräsident Joachim Gauck hat am 24. September beim Staatsbankett, gegeben vom Generalgouverneur und Frau Johnston, eine Rede gehalten: "Unsere Länder verbindet eine langjährige Wertepartnerschaft. Frieden, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, das Eintreten für Pluralismus und für die weltweite Achtung der Menschenrechte – all das können wir auf unserer gemeinsamen Liste notieren."

Bundespräsident Joachim Gauck hält während des Staatsbanketts im Rahmen seines Staatsbesuchs in Kanada eine Ansprache

Thank you so much for this wonderful welcome today! I would like to begin to saying this: Thank you for the fascinating day of our visit to your country that you organized for Daniela Schadt, our delegation and me!

Mit Kanada verbinden die Deutschen vor allem weite Landschaften, endlose Horizonte und berauschende Natur, wie man sie in vielen Bildbänden und Beiträgen im Fernsehen bewundern kann. Heute habe ich noch etwas Anderes gespürt: Es gibt noch eine andere Form der Weite hier in Kanada, damit meine ich eine beeindruckende Offenheit in den Köpfen und Herzen, einen mentalen Freiraum, der Neugier aufeinander erzeugt und die persönlichen Begegnungen zum Gewinn macht. Ich freue mich sehr, dass wir schnell eine so herzliche Ebene der Begegnung gefunden haben.

Das ist in hohem Maße Ihr Verdienst, verehrter Herr Gouverneur. Gleich zu Beginn haben Sie mich eingeladen, im Park von Rideau Hall einen Baum der Freundschaft zu pflanzen. Ich bin zuversichtlich: So wie er gut angewachsen ist, wird er gut weiterwachsen, denn der Boden für den Baum wie für unsere engen bilateralen Beziehungen ist schon lange bereitet und er ist bekanntlich fruchtbar.

Unsere Länder verbindet eine langjährige Wertepartnerschaft. Frieden, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, das Eintreten für Pluralismus und für die weltweite Achtung der Menschenrechte – all das können wir auf unserer gemeinsamen Liste notieren.

Und doch wissen wir: Zur Selbstzufriedenheit besteht kein Anlass. Die transatlantischen Beziehungen sind zwar eine Erfolgsgeschichte, aber sie sind kein Selbstläufer. In einer Zeit der Krisen und der Kriege, seit einigen Jahren oft asymmetrisch und irregulär, sind wir gefordert, neuerlich und auf neue Art zusammen zu arbeiten. Die Liste der Herausforderungen ist lang – sie reicht vom Irak über Syrien bis zur Ukraine, vom Klimawandel über Armutsbekämpfung bis hin zu Ebola. Wann immer die internationale Gemeinschaft zum Handeln aufgerufen ist, richtet sich die Erwartung ganz besonders an politisch stabile und leistungsfähige Staaten wie Kanada oder Deutschland es sind.

Wie werden wir diesen Erwartungen gerecht? Ich möchte die kommenden Tage nutzen, um die vielen Facetten im Verhältnis unserer beiden Länder zu diskutieren. Unsere Wertepartnerschaft hat dabei für mich einen besonders hohen Stellenwert, gerade angesichts der globalen Krisen, die uns derzeit beschäftigen. Kanada ist als Gründungsmitglied der NATO einer der Garanten deutscher Sicherheit. Es war insbesondere in der Vergangenheit zu sehen, denn 400.000 kanadische Soldaten waren von 1951 bis 1994 in Deutschland stationiert und sind zu Brückenbauern zwischen unseren Ländern geworden – nicht die Einzigen, aber wichtigen. Dafür bin ich genauso dankbar wie für die Tatsache, dass Kanada auch heute ein bedeutender Partner für uns ist, ein Partner, der sich weiter für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa einsetzt. Ihr Engagement für die Ukraine legt davon deutlich Zeugnis ab.

Neben der Außen- und Sicherheitspolitik möchte ich mich während meiner Reise auch unseren bilateralen Verbindungen im engeren Sinne zuwenden. Ich würde zum Beispiel gern Näheres über die Integrationspolitik in Kanada erfahren. Und das nicht nur, weil mehrere Millionen Ihrer Landsleute deutsche Wurzeln haben. Mich interessieren die strukturellen genauso wie die mentalen Fragen, die sich für eine Einwanderungsgesellschaft stellen. Wie geht Ihr Land damit um, für so viele Menschen aus aller Welt Heimat zu sein? Da können wir Deutschen wichtige und hilfreiche Erfahrungen sammeln.

Einen besonderen Schwerpunkt möchte ich außerdem bei Wirtschaft und Technologie setzen, besser gesagt: wir möchten. Denn aus Interesse für genau diese Fragen begleitet mich eine Wirtschaftsdelegation. Ich bin dankbar dafür, dass das der Fall ist. Es liegt mir sehr daran, dass die Kontakte, die bei diesem Besuch entstehen, zu einer Vertiefung und Erweiterung unserer guten Wirtschafts- und Wissenschaftsbeziehungen beitragen. Die Gründe liegen auf der Hand, denken wir etwa an die große Aufgabe, unsere Energieversorgung langfristig und verantwortungsvoll zu sichern.

Und gerade in diesen Tagen, hier in Ottawa, können wir erleben, wie sich die kanadische Regierung und die Europäische Union bemühen, die Zusammenarbeit mit einem strategischen Partnerschaftsabkommen und dem Wirtschafts- und Handelsabkommen CETA noch weiter zu intensivieren. Das eröffnet die Chance, unseren Beziehungen eine neue Qualität zu geben, denn wir wollen mehr Arbeitsplätze schaffen, wir wollen als Demokratien die Globalisierung gestalten statt nur auf sie zu reagieren. Gestalten heißt beispielsweise auch, dafür zu sorgen, dass rechtsstaatliche, soziale und Umweltstandards gefördert werden. Mir ist natürlich bewusst, dass es in der deutschen Öffentlichkeit auch Fragen und Kritik zu Teilen des Abkommens gibt. Diese Debatte muss geführt werden. Umso mehr freut es mich, dass ich morgen ausführlich Gelegenheit haben werde, das Thema im Kreis von Parlamentariern und Vertretern der Wirtschaft zu diskutieren.

In diesem Sinne: Mögen die Brücken, die wir bauen, immer stärker sein als die Stürme, die zuweilen über den Atlantik fegen. Bitte erheben Sie mit mir das Glas auf unseren Gastgeber, Gouverneur Johnston, auf seine Frau und auf die Zukunft der kanadisch-deutschen Beziehungen!