Eröffnung der Bundesgartenschau 2015 Havelregion

Schwerpunktthema: Rede

Brandenburg an der Havel, , 18. April 2015

Bundespräsident Joachim Gauck hat am 18. April am Festakt zur Eröffnung der Bundesgartenschau 2015 Havelregion teilgenommen. Bei der Veranstaltung auf dem Packhof in Brandenburg an der Havel hielt er eine Ansprache: "Hier wird das in Wert gesetzt, was die Region ausmacht. Dazu gehören die regionale Geschichte und die gewachsenen Strukturen. Und dazu gehört ein achtsamer Umgang mit der Natur, der mit den Interessen des Tourismus immer wieder ausbalanciert werden muss."

Bundespräsident Joachim Gauck eröffnet die BUGA 2015 Havelregion mit einer Ansprache in Brandenburg an der Havel

Von Konfuzius gibt es einen Satz, den ich an den Anfang meiner Rede stellen möchte: Wer einen Baum pflanzt, der wird den Himmel gewinnen. Wie groß muss erst das Glück derjenigen sein, die eine ganze Bundesgartenschau anpflanzen? Ich konnte gerade deutlich spüren: Viele hier fühlen sich heute wie im Himmel – und das zu Recht.

Besten Dank für die Einladung zu diesem freudigen Anlass. So viele von Ihnen haben seit Wochen, Monaten, sogar Jahren auf den heutigen Tag hingearbeitet, mit großer Hingabe und Kunstfertigkeit, wie wir sehen können. Es ist vollbracht. Und es ist eine Pracht. Herzlichen Glückwunsch zur Eröffnung der BUGA 2015!

Ich gratuliere Ihnen zu dem, was dank Ihrer Mühe und Arbeit grünt und blüht, was Sie erdacht, erbaut und erschaffen haben. Mein Kompliment an Sie alle! Ganz besonders gratuliere ich zu Ihrem Mut, ein so außergewöhnliches Konzept verfolgt zu haben. Zwei Bundesländer, fünf Städte, achtzig Kilometer Naturpark entlang einer Flusslandschaft – das hat es in der Geschichte der BUGA noch nicht gegeben. Mut ist ja nicht jedermanns Sache, und die Deutschen, jedenfalls so lange wie ich sie kenne und über sie nachdenke, zeichnen sich nicht gerade durch Risikofreundlichkeit aus. Ängstlichkeit liegt uns irgendwie mehr, und unter uns sind diejenigen, die risikobereit sind, manchmal auf gefährlichen Pfaden unterwegs. Sie werden verdächtigt, übermütig zu sein. Aber wenn wir das Leben genau betrachten, dann müssen wir auch bereit sein, Risiken einzugehen. Das gilt nicht nur in der Politik, das gilt auch in der Wirtschaft, gerade bei Erfolgsunternehmen und für Innovationen. Deshalb war es der Erwähnung wert, Frau Oberbürgermeisterin, dass es nicht immer einfach gewesen ist, den Weg hierher zu gehen. Risikovolle Wege brauchen engagierte Leute, brauchen Mut und brauchen nicht diese zögerliche und manchmal etwas verdrießliche Art und Weise auf das Leben zu schauen, wie es in unseren nordostdeutschen Niederungen manchmal üblich ist. Ich darf das sagen, ich komme aus den Niederungen.

Wir erleben heute also eine Premiere. Die ganze Havelregion wird zur Bühne. Was mir besonders gefällt: Es gibt weit mehr zu entdecken als einen gigantischen Blütenrausch. In dieser Bundesgartenschau geht es auch um regionale Identität, um Kulturgeschichte. Die ehrwürdige Domstadt Brandenburg, der traditionsreiche Industriestandort Premnitz, dann Rathenow mit seinem Optikpark und Rhinow-Stölln mit seinem Flugpionier Otto Lilienthal. Und wir wollen das alte Havelberg nicht vergessen mit seiner tausendjährigen Geschichte. Auch das wird zum Teil der großen BUGA-Erlebniswelt.

Allerdings sind die Schätze beider Bundesländer wahrlich kein Geheimtipp mehr. Fast 20 Millionen Übernachtungen in Brandenburg und Sachsen-Anhalt im vergangenen Jahr sprechen eine deutliche Sprache. Ich freue mich, dass Sie noch mehr Besucher anlocken und einladen wollen. Die BUGA wird dem Tourismus – buchstäblich – zu einer zusätzlichen Blüte verhelfen. Sie ist damit auch ein Wirtschaftsfaktor.

Als sich Brandenburg und Sachsen-Anhalt zu dieser BUGA am Fluss zusammengefunden haben, da gab es bekanntlich auch Skeptiker. Kann das funktionieren? – so wurde gefragt. Macht es Sinn, so weit über das Kernthema Gartenbau hinauszugehen? Nach allem, was ich höre: ja. Denn hier wird das in Wert gesetzt, was die Region ausmacht. Dazu gehören eben die regionale Geschichte und die gewachsenen Strukturen. Und dazu gehört ein achtsamer Umgang mit der Natur, der mit den Interessen des Tourismus immer wieder ausbalanciert werden muss.

Im Vorfeld der Bundesgartenschau ist gerade dies offensichtlich gelungen. Ich denke, es war beispielsweise eine gute Entscheidung, die Renaturierung der Unteren Havel – das derzeit größte Projekt dieser Art in ganz Europa – zum Thema für die Besucher zu machen. Vor allem Schulklassen und jüngere Gäste können am Beispiel des Ökosystems Fluss erkennen, was wir in den großen Klimadebatten so oft diskutieren: Nachhaltigkeit beginnt im Kleinen.

Außerdem flankiert dieses Projekt ein wichtiges Vorhaben der Region: die Förderung des naturnahen, sanften Tourismus. Schwimmen, Rudern, Radfahren, Wandern, all das kann ja durchaus im Einklang mit der Natur stattfinden – und großen Erholungswert bedeuten, wie alle bestätigen, die es in, auf und entlang der Havel einmal ausprobiert haben. Ich muss gestehen, zu denen gehöre ich noch nicht. Aber irgendwann werde ich ja Rentner und werde das dann nachholen.

Was ich besonders charmant finde: An den Infoständen des Naturschutzbundes können sich die Besucher, ob sie nun Dorfbewohner oder Stadtmenschen sind, zu einer grünen Tat anstiften lassen. Ich begrüße es sehr, dass die Bundesgartenschau nicht nur Menschen erreichen will, die ohnehin naturverbunden leben, sondern auch solche, die es sich vorgenommen haben.

Das Thema Lebensqualität findet sich vielfach auf dieser BUGA – gut sichtbar durch kreative Vorschläge für mehr Grün in den Städten oder für die Aufwertung ländlicher Räume. Lebensqualität entsteht an der Havel aber auch durch engagierte Persönlichkeiten, durch Frauen und Männer, die mit großem Einsatz das Beste aus den Möglichkeiten dieser Region machen. Sie werden ehrenamtlich aktiv. Sie vernetzen sich und teilen Ressourcen. Und sie sind zur intensiven Kooperation bereit – weit über die Grenzen kommunaler oder landespolitischer Zuständigkeiten hinaus.

Was die Ehrenamtlichen betrifft, über die ich gerade gesprochen habe: Meine Damen, meine Herren, ich feiere immer einmal im Jahr im ausgehenden Sommer ein Bürgerfest im Park von Schloss Bellevue, mit Menschen aus ganz Deutschland, die freiwillig Gutes tun. Und ich nutze die heutige Gelegenheit meines Grußwortes zur BUGA-Eröffnung, um Sie zu bitten: Schicken Sie mir doch aus all Ihren Gemeinden drei, vier besonders ehrenamtlich engagierte Bürgerinnen und Bürger zum Bürgerfest 2015. Sie sind mir herzlich willkommen!

Für alle, ob haupt- oder ehrenamtlich aktiv, gilt schon heute: Die Zeichen stehen gut, dass ihr großer Einsatz honoriert wird und dass viele Gäste – Menschen mit sehr unterschiedlicher Herkunft und Motivation – die BUGA besuchen werden, Spaziergänger aus dem Umland genauso wie weitgereiste Entdecker. Frau Oberbürgermeisterin, sie haben erzählt, dass nicht nur Menschen aus der Umgebung zu Ihnen kommen wollen. Sie haben auch einige Botschafter hierher eingeladen – mit positiver Resonanz. Exzellenzen, ich freue mich darüber und denke, Sie werden Ihren Landsleuten erzählen, was es hier zu entdecken gibt.

Weil wir gerade bei den weitgereisten Besuchern sind: Ganze Reisegruppen aus Bayern haben sich angemeldet und wollen auf Fontanes Spuren wandeln. Sehr gut. Davon werde ich in anderen Teilen Deutschlands berichten und bestimmt noch viele andere finden, die gern herkommen wollen. Vielleicht wird sogar der eine oder andere Investor Lust haben, zu erscheinen. Sie haben ja vorhin angedeutet, Frau Oberbürgermeisterin, dass wir dieses mutige Projekt in einer Region starten, die unglaubliche Umstrukturierungserfahrung hinter sich hat, wo vieles nicht mehr existiert, das in meiner Jugend noch existierte. Deshalb darf das Wort Investor in einer solchen Veranstaltung ruhig einmal fallen – gern auch im Plural. Liebe Investoren, kommen Sie doch vorbei, ja, Sie könnten hier was starten!

Sie merken: Ich möchte alle ermutigen, die sich auf den Weg machen, hierher in diese schöne Region, alle, die bei dieser Bundesgartenschau eine besondere Form der Kooperation zweier Bundesländer und verschiedener Kommunen erleben wollen, alle, die sich dem Motto verbunden fühlen, die sich also von Dom zu Dom bewegen und das blaue Band der Havel als Einladung verstehen, Land und Leute kennenzulernen. Wer das tut, der wird feststellen, wie unvergleichlich schön die Havelregion ist – und wie anziehend.

Die Veranstalter und Partner der BUGA haben eine Menge gegeben, um die Bundesgartenschau 2015 zum Erfolg zu führen. Sie haben harte Euro investiert. Und Überzeugungskraft. Und Überstunden. Ich wünsche Ihnen, dass diese Mühen in den kommenden Monaten belohnt werden, dass die BUGA ein großes Publikum erfreut und dazu beiträgt, die Havelregion noch bekannter zu machen: deutschlandweit, europaweit, gern auch weltweit. Internationale Gäste haben sich ja schon angekündigt. Die breite und langfristige Wirkung ist der wichtigste Teil des Konzepts. Die Hinweisschilder zur BUGA werden im Spätherbst zwar abgebaut, aber alles, was mit ihr gewachsen ist – ob in grün, blau oder anderen Farben – das wird bleiben. Wir eröffnen heute also mehr als ein Großprojekt. Wir eröffnen ein Stück Zukunft!