Trauergottesdienst für Władysław Bartoszewski

Schwerpunktthema: Rede

Warschau, , 4. Mai 2015

Der Bundespräsident hat am 4. Mai beim Trauergottesdienst für den Außenminister a.D. und Beauftragten der Republik Polen für die Internationalen Beziehungen in der Kanzlei der Ministerpräsidentin, Staatssekretär Władysław Bartoszewski, eine Rede gehalten: Als Deutsche nehmen wir heute Abschied von einem Menschen, der uns die Hand gereicht hat in Zeiten, als diese Geste auf beiden Seiten kein Wohlwollen auslöste. Wir nehmen Abschied von einem Freund, dessen Nähe für uns ein unschätzbares Geschenk war, wofür wir ewig dankbar sind.

Bundespräsident Joachim Gauck hält eine Ansprache in der Johanneskathedrale in Warschau anlässlich des Trauergottesdienst für Władysław Bartoszewski

Gemeinsam mit den Menschen in Polen nehmen wir heute Abschied von einem großen Bürger und Staatsmann, der selbst in den schwierigsten Zeiten an der Vision eines freien, unabhängigen, selbstbestimmten und demokratischen Polens festhielt.

Als Deutsche nehmen wir heute Abschied von einem Menschen, der uns die Hand gereicht hat in Zeiten, als diese Geste auf beiden Seiten kein Wohlwollen auslöste. Wir nehmen Abschied von einem Freund, dessen Nähe für uns ein unschätzbares Geschenk war, wofür wir ewig dankbar sind.

Und als Europäer nehmen wir Abschied von einem Zeugen des letzten Jahrhunderts, der auf unserem Kontinent zwei Diktaturen erlebt hat, ohne sich brechen zu lassen.

Władysław Bartoszewski war ein Mensch von beispielhafter moralischer Integrität, der sich allem Bösen unbeirrt widersetzte. Er war ein Mensch, bei dem die Liebe zur Wahrheit, die Sehnsucht nach Freiheit und Rechtstaatlichkeit in eine große innere Freiheit mündeten. Selbst als Häftling des KZ Auschwitz fühlte er sich nicht – wie er später schrieb – hilflos. Was gab ihm die Kraft, selbst in vermeintlich ausweglosen Situationen den selbst gewählten Weg zu gehen? Auf diese Frage gibt es zwei Antworten.

Erstens war Bartoszewski ein gläubiger Christ. Er wusste sich getragen von der Liebe Gottes, die größer ist als alle menschliche Schwäche. Und zugleich sah er sich von seinem Gott aufgerufen, seine Mission zu erfüllen. Dieser Glaube war ihm ein Wegweiser, der ihm in seinem eigenständigen Denken und Handeln Kraft gab. Und zweitens: Władysław Bartoszewski war ein unabhängiger Geist, sowohl in den Jahren der Unterdrückung, als auch später, als er zusammen mit der Regierung der Republik Polen die Politik des demokratischen Polens gestaltete. Wir alle werden ihn in Erinnerung behalten als einen Menschen, der für das, was er als richtig erkannt hatte, entschlossen und engagiert streiten konnte.

Dass er immer Recht behielt, lag sehr oft an seiner Lebensweisheit. In seinem so langen Leben hat er – viel öfter als wir alle – erfahren, zu welchen guten, aber auch bösen Taten der Mensch fähig ist. In den deutsch-polnischen Beziehungen hat Władysław Bartoszewski sehr häufig Wahrheiten ausgesprochen, die bisweilen für beide Seiten schwierig und auch schmerzlich waren. Er war der bedeutendste Brückenbauer der Verständigung in den deutsch-polnischen Beziehungen. Er besaß eine unbestrittene Autorität, die bewirkte, dass er beide Völker sehr oft zum Nachdenken, zur Annäherung und letztlich zur Versöhnung zu bewegen vermochte. Wir haben einen Freund, ein Vorbild und einen wunderbaren Menschen verloren. Wir trauern mit seiner Familie, seinen Landsleuten und – wie er es wohl sagen würde – mit allen anständigen Menschen.

Dziękuję Panu bardzo, Panie Władysławie.