Staatsbankett zu Ehren des Präsidenten der Republik Estland

Schwerpunktthema: Rede

Schloss Bellevue, , 18. Mai 2015

Bundespräsident Joachim Gauck hat am 18. Mai beim Staatsbankett zu Ehren des Präsidenten der Republik Estland, Toomas Hendrik Ilves, eine Rede gehalten: "Uns eint die Überzeugung, dass Menschenrechte, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit das Fundament für Wohlstand, Sicherheit und Frieden bilden. Kurzum: Wir sind eine Wertegemeinschaft, deshalb haben wir uns in der Europäischen Union und in der NATO zusammengeschlossen."

Bundespräsident Joachim Gauck hält eine Rede beim Staatsbankett zu Ehren des Präsidenten der Republik Estland Toomas Hendrik Ilves in Schloss Bellevue anlässlich eines Staatsbesuchs

Ich freue mich sehr, Sie hier in Berlin begrüßen zu können! Wie schön, dass wir uns heute hier wiedersehen! Als wir im Sommer – 2012 war das, Herr Präsident – im Schloss Bellevue zusammenkamen, da war ich erst wenige Monate im Amt. Seitdem führen wir einen intensiven Dialog, wir schätzen uns und das zeigt: Freundschaften leben von Begegnungen.

Ich bin dankbar für die historische Chance eines gemeinsamen europäischen Weges, der sich unseren Völkern vor einem Vierteljahrhundert eröffnete. Wir konnten 1991 an die deutsch-baltischen Traditionen anknüpfen, die unsere Kulturgeschichte seit Hunderten von Jahren prägen. Das war nicht selbstverständlich angesichts der Schuld, die Deutschland während der nationalsozialistischen Diktatur auch in Estland auf sich geladen hatte. Heute gibt es enge kulturelle, wirtschaftliche und politische Bande zwischen unseren Ländern, natürlich auch Bande zwischen den Wissenschaftlern. Diese freundschaftlichen Beziehungen wollen wir weiterhin pflegen.

Uns eint die Überzeugung, dass Menschenrechte, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit das Fundament für Wohlstand, Sicherheit und Frieden bilden. Kurzum: Wir sind eine Wertegemeinschaft, deshalb haben wir uns in der Europäischen Union und in der NATO zusammengeschlossen.

Vor zwei Jahren, Herr Präsident, hatten Daniela Schadt und ich das Glück und die Ehre, Ihr Land zu besuchen. Neben der Herzlichkeit, die wir dort erlebten, hat mich vor allem beeindruckt, wie die Esten Geschichts- und Wertebewusstsein mit Offenheit gegenüber Neuem verbinden. Zwanzig Jahre nach der Unabhängigkeit, inmitten der Wirtschafts- und Finanzkrise, gelang Estland die Aufnahme in die Eurozone. Von dem jungen Eurostaat Estland haben wir gelernt: Wirtschaftswachstum und Austerität schließen sich nicht aus. Die Transformation war für Ihr Land hart und mühsam. Aber die estnische Volkswirtschaft hat den Schock der Krise besonders rasch überwunden und ist danach überdurchschnittlich gewachsen. Estland wird heute geschätzt und bewundert als moderner, dynamischer Staat unserer Union.

Frühzeitig hat Ihr Land die Potentiale der Informationstechnologie erkannt. Und Sie, Herr Präsident, haben an den Erkenntnisprozessen maßgeblich mitgewirkt. Estland gehört zu den Wegbereitern der Digitalisierung in der Europäischen Union. Zugleich hat Ihr Land so früh wie nur wenige andere Staaten auf die Bedrohungen reagiert, die die neue Technologie mit sich bringt. Cyberkriminalität, Cyberterrorismus, Cyberangriffe – in diesen Fragen können wir von Estland und seinen Erfahrungen lernen.

Wie schnell Frieden, Selbstbestimmung und das Völkerrecht in Gefahr geraten können, haben wir im vergangenen Jahr schmerzhaft erfahren. Russlands Annexion der Krim und der militärische Konflikt in der Ost-Ukraine konfrontieren uns mit einem Denken, das wir überwunden zu haben glaubten. Es ist wichtig, dass die Staaten der Europäischen Union gerade in dieser Zeit zusammenstehen. Es ist gut, dass die NATO mit den Beschlüssen von Wales reagiert hat. Und es ist auch gut, dass Deutschland Estland unterstützt – zum Beispiel bei der Überwachung des baltischen Luftraums. So soll es sein unter Freunden, unter Bündnispartnern!

Als ich vor zwei Jahren in Ihrer schönen Sommerresidenz in Ärma zu Gast war, haben Sie mir die Freude gemacht, eine Linde pflanzen zu dürfen. Der Baum gedeihe prächtig, habe ich mir sagen lassen. Dasselbe gilt auch für die deutsch-estnische Freundschaft.

Deshalb möchte ich mit Ihnen allen, meine Damen und Herren, das Glas erheben: Auf das Wohl von Präsident Ilves, auf das Wohl des estnischen Volkes, auf eine glückliche Zukunft Estlands und Deutschlands im vereinten Europa!