Empfang der Bürgermeisterin der Stadt Dublin

Schwerpunktthema: Rede

Dublin/Irland, , 13. Juli 2015

Bundespräsident Joachim Gauck hat am 13. Juli bei einem Empfang der Bürgermeisterin von Dublin anlässlich des Staatsbesuchs in Irland eine Rede gehalten: "Wer heute hierher kommt, der erlebt Europa im Kleinen. Junge Menschen aus vielen Ländern der Europäischen Union arbeiten hier für internationale Unternehmen. Auch deshalb ist Dublin nicht nur eine besonders junge, sondern auch eine besonders weltoffene Stadt."

Bundespräsident Joachim Gauck und Daniela Schadt werden von der Bürgermeisterin der Stadt Dublin, Críona Ní Dhálaigh, im Rathaus anlässlich des Staatsbesuchs begrüßt

Ich danke Ihnen für diesen freundlichen Empfang, sehr geehrte Frau Bürgermeisterin. Zu Ihrer Wahl gratuliere ich Ihnen herzlich und wünsche Ihnen eine glückliche Hand bei allen Entscheidungen in Ihrer Amtszeit.

Before I begin with my text I want to thank you for remembering my role in Germany in 1989. You touched my heart, thank you.

Die Stadt, die Sie nun regieren, trägt seit einigen Jahren – als eine von elf Städten – den Titel einer UNESCO City of Literature. Und welches erstaunliche literarische Erbe damit gewürdigt wird! Ohne Schriftsteller, ohne Dichter und Dramatiker ist Dublin heute gar nicht mehr vorstellbar. In ihren Werken spiegelt sich die bewegte Geschichte der Stadt – und die eines ganzen Landes.

Auch in Deutschland verehren wir unsere Schriftsteller – manchmal auch die Orte, die sie beschreiben, und die Städte, in denen sie gelebt haben. Ich denke dabei etwa an Lübeck und Heidelberg. Aber eine Stadt, die – wie Dublin – drei Literaturnobelpreisträger hervorgebracht hat, die findet man wahrlich selten oder gar nicht. Und alle drei – George Bernard Shaw, William Butler Yeats und vor allem Seamus Heaney – werden auch in meiner Heimat viel beachtet und viel gelesen.

Wohl kaum eine Stadt kann ein so bedeutendes einzelnes Werk nur für sich reklamieren, wie Dublin mit James Joyce‘ Ulysses. Ich muss gestehen, ich hätte auch gerne einmal Gelegenheit, durch die schönen Straßen der Stadt zu gehen und dem Weg zu folgen, den Joyce‘ Protagonist Leopold Bloom zurückgelegt hat, wie es so viele Joyce-Anhänger mit Begeisterung an jedem 16. Juni – am sogenannten Bloomsday – tun. All diese Menschen geben damit Jahr für Jahr Antwort auf die Frage, die Joyce sich einst stellte: Wird sich jemand dieses Datums erinnern?

Ich kann in dieser kurzen Ansprache nicht die enorme wirtschaftliche Entwicklung der Stadt nachzeichnen.

Auch das musikalische Erbe Dublins ist beeindruckend. Bei uns in Deutschland sind gleich mehrere Bands, die aus Ihrer Stadt stammen, Legende. Ich nenne nur The Chieftains, Thin Lizzy und U2. Musikalischer Natur sind auch manche deutsche Spuren in Dublin – etwa jene der Sängerin Agnes Bernelle. In Berlin geboren, folgte sie ihrem Vater in den 1930er Jahren ins Londoner Exil und kam schließlich nach Irland und hierher. In einer längeren Perspektive will ich aber vor allem an Georg Friedrich Händel erinnern. Sein Oratorium Messias wurde am 13. April 1742 in der Neuen Musikhalle in Dublins Fishamble Street uraufgeführt. Es ist eine schöne Sitte, dass in dieser Straße an jedem 13. April mit einem Open-Air-Konzert an diesen bedeutenden Tag erinnert wird.

Ich freue mich, dass heute an den angesehenen und traditionsreichen Universitäten Dublins auch viele Deutsche forschen, lehren und lernen. Der 1785 gegründeten Royal Irish Academy gehörte auch Johann Wolfgang von Goethe als Ehrenmitglied an.

Wer heute hierher kommt, der erlebt Europa im Kleinen. Junge Menschen aus vielen Ländern der Europäischen Union arbeiten hier für internationale Unternehmen. Auch deshalb ist Dublin nicht nur eine besonders junge, sondern auch eine besonders weltoffene Stadt.

Sie ist auch ein beliebtes Reiseziel für sehr, sehr viele Deutsche, mit ihrer faszinierenden Atmosphäre, mit ihrem vorzüglichen kulinarischen und kulturellen Angebot. Ich wage nicht zu beurteilen, ob sie sich mehr an der Kunst erfreuen oder an den kulinarischen Genüssen oder an der Qualität des Bieres. Ich wünsche mir, dass noch viele mehr meiner Landsleute einmal Ihre wunderbare Stadt kennenlernen mögen.

Es gab für mich schon die Sehnsucht zu kommen wegen der irischen Tagebücher von Heinrich Böll – aber ich lebte hinter der Mauer und es bedurfte einer friedlichen Revolution.

Jetzt bin ich hier als Präsident und habe sehr wenig Zeit – was mache ich da? Ich muss wohl wiederkommen mit mehr Zeit.

Im Moment vielen Dank für den herzlichen Empfang!