Staatsbankett in Irland

Schwerpunktthema: Rede

Dublin/Irland, , 13. Juli 2015

Bundespräsident Joachim Gauck hat am 13. Juli beim Staatsbankett, gegeben vom Präsidenten von Irland, Michael D. Higgins, anlässlich des Staatsbesuchs in Irland eine Rede gehalten: "Irland hat im Laufe seiner Geschichte immer wieder und auf beeindruckende Weise bewiesen, dass es Wandel zu gestalten, seine Chancen zu ergreifen und Fehlentwicklungen zu korrigieren versteht."

Bundespräsident Joachim Gauck hält eine Rede beim Staatsbankett gegeben vom Präsidenten von Irland, Michael D. Higgins, und seiner Ehefrau Sabina Higgins im Amtssitz des Präsidenten in Dublin anlässlich des Staatsbesuchs

Ich danke Ihnen für diesen herzlichen Empfang in Ihrer Residenz mitten im Phoenix Park – dieser Oase Dublins. Und ich möchte beginnen, indem ich Ihnen meinen persönlichen Respekt zolle. Die englische Sprache hält für ein Multitalent einen schönen Ausdruck bereit, der mir kein angemessenes Äquivalent im Deutschen zu haben scheint – a renaissance man. Sie, Herr Präsident, sind Literat und Dichter, Kenner der Philosophie wie der irischen Geschichte, der Gesellschaft und natürlich der Politik. Sie sind ein leidenschaftlicher Verfechter von Demokratie und Pluralismus.

In Ihrer Antrittsrede im Jahr 2011 sagten Sie: The demands and the rewards of building a real and inclusive Republic in its fullest sense remains a challenge for us all, but it is one we should embrace together. Dies gilt für jede Republik, für jede Demokratie – sie lebt davon, dass die Interessen aller angemessen berücksichtigt werden und dass sich die Bürgerinnen und Bürger für das Gemeinwohl engagieren. Und genau das haben Sie, Herr Präsident, immer wieder deutlich gemacht.

In vielen Ländern gilt Irland den Menschen als beinahe sagenhafter Ort – als Grüne Insel, als Ort verzaubernder Landschaften, als Traditionsstätte des keltischen Erbes. Die irische Volksüberlieferung gehört mit ihren Sagen und Märchen wohl zu den reichsten und vielfältigsten der Welt, und sie zog schon die Brüder Grimm in ihren Bann. Und wie als Beweis der Strahlkraft der irischen Kultur feiern inzwischen jedes Jahr am 17. März Menschen in aller Welt ein freudiges Fest, das dem Schutzheiligen Irlands gewidmet ist: St. Patrick’s Day wird in Shanghai und in Melbourne genauso begangen wie in Toronto und in Berlin. Auch der Berliner Funkturm ist schon in grünes Licht getaucht worden.

Nach Irland kommen jährlich hunderttausende deutsche Touristen. Sie erleben hier eine Gastfreundschaft, für die Ihr Land weithin bekannt ist. Weniger bekannt ist jedoch heute, dass der Begriff Gastfreundschaft nicht ausreicht, um zu beschreiben, was Iren für Deutsche nach dem Zweiten Weltkrieg taten: Im Rahmen der Operation Shamrock nahmen irische Familien rund 400 Kinder aus Deutschland auf, um sie vor Hunger und Not in der Heimat zu bewahren. Diese Großzügigkeit schuf lebenslange Bindungen. Manche der Kinder blieben auch als Erwachsene in Irland, andere kehrten immer wieder dorthin zurück.

Und im Jahr 1990 spielte Irland mit seinem damaligen Vorsitz im Rat der Europäischen Gemeinschaften eine wichtige Rolle bei der Vollendung der deutschen Einheit. Dafür, Herr Präsident, sind wir Deutsche Ihnen dankbar, und wir bleiben es.

Wirtschaftlich sind unsere Länder eng verknüpft. Dieser Austausch hat Tradition: Bereits 1925 begann Siemens mit dem Bau des Kraftwerks Ardnacrusha, das heute noch immer Strom liefert. Heute unterstützt die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) den Aufbau der Strategic Banking Corporation of Ireland, die die Kreditvergabe an kleine und mittlere Unternehmen befördert, und leistet damit einen Beitrag zu wirtschaftlicher Prosperität.

Irland hat im Laufe seiner Geschichte immer wieder und auf beeindruckende Weise bewiesen, dass es Wandel zu gestalten, seine Chancen zu ergreifen und Fehlentwicklungen zu korrigieren versteht. Wir wissen: Die Immobilien- und Finanzkrise hat in Irland zu wirtschaftlichen und sozialen Verwerfungen, zu hoher Arbeitslosigkeit und auch zur Auswanderung junger Talente geführt. Doch mit entschlossenen Schritten ist es Irland gelungen, seine Wirtschaft schnell zu stabilisieren. Mit diesen Anstrengungen ist Ihr Land ein Vorbild für manch anderen Staat innerhalb der Europäischen Union. Entscheidend für uns alle ist, dass die ganze Union einmal gestärkt aus der Krise hervorgehen kann.

Dass die Irinnen und Iren diese Maßnahmen mitgetragen haben, das zeigt sich auch darin, dass das Bekenntnis zu Europa in Irland weiter lebendig ist. Auch das verbindet sie mit Deutschland und den Deutschen, die auch in Krisenzeiten verlässlich und solidarisch Europäer sein wollen.

Ich bin erleichtert, dass heute auch der Weg zu einer Kompromisslösung mit Griechenland gefunden wurde. Das zeigt, dass die Bereitschaft besteht, gemeinschaftlich zu einer europäischen Lösung beizutragen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

in diesen Krisenzeiten merken wir in Europa, wie wichtig der Austausch ist, wenn das Verständnis füreinander wachsen soll. Vor 17 Tagen war die britische Königin bei uns in Berlin zu Gast. Vor vier Jahren haben Sie die Königin zu einem historischen Besuch hier in Dublin empfangen. Irland verdient große Anerkennung für die gelungene und sicher auch schwierige Versöhnung mit dem britischen Nachbarn. Und immer wieder hat Irland sich auch für eine Lösung des Konflikts in Nordirland eingesetzt und so Verantwortung übernommen. Dieser Geist der Verantwortung prägt auch Irlands Rolle in der Welt. Dafür stehen das irische Engagement in den Vereinten Nationen, seine Beiträge zu Peacekeeping-Missionen und seine Leistungen in der Entwicklungshilfe.

Gestatten Sie mir, zum Schluss ein altes gälisches Sprichwort zu zitieren: Ní heaspa go díth caradEs gibt nichts Wichtigeres als viele Freunde. Mögen die Freundschaften zwischen Irland und Deutschland noch zahlreicher werden! In diesem Sinne bitte ich Sie, mit mir das Glas zu erheben – auf die irisch-deutschen Beziehungen und eine glückliche Zukunft unserer beiden Länder!