Besuch der Nationalversammlung der Republik Korea

Schwerpunktthema: Rede

Seoul/Korea, , 12. Oktober 2015

Bundespräsident Joachim Gauck hat am 12. Oktober vor der Nationalversammlung der Republik Korea eine Ansprache gehalten: "Die Kraft einer gemeinsamen Sprache und den Sinn für Zusammengehörigkeit, den Tradition und Geschichte stiften, sollte man nicht unterschätzen. Auch die Koreaner im Norden der Halbinsel haben ein Recht auf ein Leben in Freiheit und in Frieden."

Bundespräsident Joachim Gauck hält eine Rede vor der Nationalversammlung in Seoul anlässlich des Staatsbesuchs

Die erste koreanisch-deutsche Begegnung fand – nach allem, was wir wissen – 1644 statt, und zwar zwischen Kronprinz Sohyon und dem jesuitischen Gelehrten Adam Schall von Bell. Das Treffen fand in Peking statt, wo der Prinz festgehalten wurde. Als er die chinesische Hauptstadt schließlich verlassen und nach Korea zurückkehren durfte, hatte er zahlreiche Schriften im Gepäck, auch jene der Jesuiten. Von seinem Zwangsaufenthalt in China nahm er also deutsche Ideen mit zurück in seine Heimat.

Das koreanisch-deutsche Verhältnis wird trotz der großen Entfernung zwischen unseren Staaten seit jeher von vielen einzelnen Menschen getragen – Menschen aus den unterschiedlichsten Lebens- und Berufsfeldern. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts waren es auf deutscher Seite Kaufleute, Diplomaten und Benediktiner. In den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts kamen dann etwa 8.000 Bergleute und 13.000 Krankenschwestern aus Korea nach Deutschland, von denen rund die Hälfte bei uns geblieben ist. Sie haben unseren heutigen Wohlstand mit erarbeitet.

Korea und Deutschland sind Freunde und Partner, die viel voneinander lernen. Ein schönes Beispiel dafür ist der intensive Austausch unserer Parlamentariergruppen, der inzwischen auf eine jahrzehntelange Tradition zurückblickt.

Ein besonderes Band zwischen Korea und Deutschland bleibt die Erfahrung der Teilung der Nation in zwei Staaten – eine Erfahrung, die glücklicherweise nur wenige Länder machen müssen. Über diese Erfahrung, jedenfalls die deutsche, möchte ich heute zu Ihnen sprechen – in dem klaren Bewusstsein, dass die Geschichte von der Überwindung der deutschen Teilung nie einfach eine sein kann, die man eins zu eins übertragen kann. Unsere Erlebnisse und Lehren können aber doch zumindest jene interessieren, für die eine geteilte Nation mehr ist als eine ferne Geschichte. So bitte ich, die Worte, die ich heute an Sie richten werde, als die Schilderungen eines Freundes zu betrachten, der hier mehr als irgendwo sonst auf der Welt auf Verstehen hoffen darf für die Besonderheiten, die Teilung und Vereinigung einer Nation mit sich bringen.

Für uns beide, für Korea wie für Deutschland, war 1945 ein Jahr der Befreiung – jedoch auf sehr unterschiedliche Weise. Deutschland wurde von einer mörderischen Diktatur und einer menschenverachtenden Ideologie befreit. Zwar hatte der Nationalsozialismus auch Gegner, viele Deutsche allerdings – zu viele – waren ihm gefolgt. Deutschland hatte große Teile Europas zerstört und war am Ende des Krieges in einer nie dagewesenen Weise verwüstet und zudem zerstückelt und als Land wesentlich verkleinert.

Korea hingegen musste vor dem Schlüsseljahr 1945 eine jahrzehntelange japanische Kolonialherrschaft erdulden. Das Land wurde geteilt, durch das Wirken des aggressiven Kommunismus wurde es eines seiner ersten Opfer. Wenige Jahre später, 1953, lag Seoul – diese heute so beeindruckende Metropole – in Trümmern. Viermal war sie in einem blutigen Krieg erobert und jeweils zurückerobert worden. In den 1950er Jahren hätten wohl nur wenige Beobachter des internationalen Geschehens vorhergesagt, dass Südkorea einmal zu den wohlhabendsten und wirtschaftlich erfolgreichsten Ländern Asiens gehören würde.

Doch in wenigen Jahrzehnten gelang, einhergehend mit der in den 1980er Jahren beginnenden Demokratisierung, ein wirtschaftlicher Aufstieg, der rasant und beeindruckend war. Wie in Westdeutschland halfen vor allem die Vereinigten Staaten. Hier im Süden der Halbinsel entfalteten nun aber vor allem die Koreaner ihre Talente. Bei allem Glück und bei allem Erfolg, den sowohl die Republik Korea wie die Bundesrepublik gehabt haben, dürfen wir eines nicht vergessen: Während wir in Deutschland in diesem Jahr den 25. Jahrestag der Wiedervereinigung feiern dürfen, gedenken die Menschen hier des Beginns der Teilung, die vor 70 Jahren begann und noch immer andauert.

Ich bin mir der großen Unterschiede in der Geschichte der Teilungen unserer Länder bewusst: In Deutschland hat es keinen Krieg der beiden Staaten gegeneinander gegeben. Der Koreakrieg hat dagegen schwer zu heilende Wunden hinterlassen. Und so sehr sich die kommunistische Führung bis zum Ende der DDR auch darum bemühte, Gedanken, Ideen und Informationen aus dem demokratischen Westen fernzuhalten, es gelang ihr niemals vollständig. Viele Menschen in der DDR waren über den Hörfunk und das Fernsehen aus dem Westen mit dem westlichen Deutschland gedanklich und politisch verbunden. Die Propaganda der eigenen Staatsführung war demgegenüber relativ wirkungslos.

Dazu gab es Reisen – in der Regel nur von West nach Ost –, Kontakte und damit Begegnungen zwischen den Menschen aus den beiden Landesteilen. Und nicht zu vergessen ist die überwältigende materielle Unterstützung, die die Westdeutschen ihren ostdeutschen Verwandten und Freunden zukommen ließen, und die Kirchen in der DDR und im Westen Deutschlands hielten auch zu Zeiten der Trennung beständig Kontakt. Zudem unterstützten die Westkirchen die Ostkirchen auch materiell. All dies war und ist – leider – zwischen den Menschen im Süden und Norden Koreas überhaupt nicht möglich. Wer in Nordkorea lebt, dessen Weltbild wird von Kindesbeinen an geprägt von den Verschwörungstheorien eines stalinistischen und mit eiserner Hand regierenden Regimes. Die Menschen im Norden Koreas müssen sogar im Zeitalter von Internet und Mobiltelefon isolierter leben, als das die Menschen im Osten Deutschlands jemals mussten.

Es gab in der DDR, wo ich lebte, durchaus Nischen für jene, die sich mit staatlicher Bevormundung und Unterdrückung nicht abfinden wollten, in den Kirchengemeinden zum Beispiel. Im totalitären Nordkorea können wir bisher leider keine Keimzelle der Bürgergesellschaft erkennen – nicht einmal in Ansätzen. Aber natürlich gibt es auch dort Menschen, die sich Gedanken um die Zukunft machen.

Auch in der DDR begann es übrigens mit diesen Einzelnen, die sich in kleinen Gruppen zusammenfanden, vereint in dem Wunsch nach Freiheit. Die Menschen nahmen ihr Schicksal schließlich dann selber in die Hand. In den Herbsttagen des Jahres 1989 stand uns natürlich vor Augen, wie 1953 in Ostdeutschland die Panzer gegen die Menschen auf der Straße fuhren, als sich die Bevölkerung gegen die Diktatur der Kommunisten erhoben hatte. So war es auch in Ungarn 1956. Oder in Prag 1968 und in Danzig in Polen 1981. Überall wurden die Freiheitsbestrebungen der Menschen gewaltsam unterdrückt. Die DDR-Führung begrüßte dann im Juni 1989 das brutale Vorgehen der chinesischen Führung gegen die Demonstranten auf dem Tian’anmen-Platz in Peking. So wussten wir 1989 nicht, wie das kommunistische Regime in Ost-Berlin auf die Demonstrationen in vielen Städten der DDR reagieren würde. Aber indem wir unsere Furcht überwanden, entstand eine mächtige Bewegung. Aus der Entschlossenheit der Wenigen wurde schließlich der Mut der Vielen. So gelang es, die Tür zu Demokratie und Freiheit aufzustoßen. So konnte es zu den Massendemonstrationen in Leipzig kommen. So konnte es dann einen Monat später zum Fall der Berliner Mauer kommen, jenem bewegenden Moment am Abend des 9. November 1989, der sich in das kollektive Gedächtnis einer ganzen Nation eingegraben hat. Altbundeskanzler Willy Brandt beschrieb diesen Moment mit den Worten: "Jetzt wächst zusammen, was zusammen gehört."

Demokratische Legitimität war ein Signum des Prozesses, der zur Deutschen Einheit führte: Die Friedliche Revolution ermöglichte freie Wahlen in Ostdeutschland. Und das frei gewählte Parlament entschied sich – dem klaren Votum der Bevölkerung folgend – für die Wiedervereinigung. Auch nahm die DDR gleichberechtigt an den Zwei-plus-Vier-Verhandlungen teil. Diese freie Entscheidung des Volkes trug zur Zustimmung der vier Siegermächte bei.

Zusammen mit Ostdeutschland haben damals alle Staaten Mittelosteuropas den Weg zu Unabhängigkeit und Demokratie gewählt. So entstand dann die Grundlage für ein einiges Europa.

In Deutschland standen wir ab 1990 vor der Aufgabe, den Opfern von Unterdrückung Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Was war zu tun? Erstens: Wer aus politischen Gründen inhaftiert worden war, der sollte rehabilitiert werden und Wiedergutmachung erlangen. Zweitens: Die im strafrechtlichen Sinne schuldigen Menschen sollten zur Rechenschaft gezogen werden. Drittens: Der öffentliche Dienst sollte vertrauenswürdig gemacht werden – und zwar hat man ehemalige Mitarbeiter der Geheimpolizei weitestgehend aus dem öffentlichen Dienst ausgesondert. Dazu musste dann noch das Wirtschaftssystem umfassend reformiert werden. Das war ein sehr komplexer und zum Teil schmerzhafter Transformationsprozess, der damals begonnen hat und der teilweise erst jetzt abgeschlossen wird. Noch nicht abgeschlossen ist der umfassende Mentalitätswandel, übrigens in ganz Mittelosteuropa. Obwohl die großen Mehrheiten überall die Freiheit und die Demokratie wollten, gibt es überall dennoch Bevölkerungsgruppen, die von Nostalgie geprägt sind, manche auch von dem Phänomen der Furcht vor der Freiheit.

Vor dem Hintergrund solcher Erfahrungen darf man sich eine gewünschte Wiedervereinigung Koreas nur als eine enorme Herausforderung vorstellen. Die starke Demokratie mit ihrer wirtschaftlichen Stabilität ist dieser Herausforderung sicher gewachsen – zumal es nichts Schöneres gibt, als das Leid und die Ohnmacht der Landsleute im Norden zu beenden.

Zur Zeit der Teilung gab es auch in Westdeutschland übrigens Stimmen, die forderten, Deutschland müsse geteilt bleiben, um die Machtbalance zwischen dem Osten und dem Westen zu erhalten. Doch wer dies forderte, der vergaß, dass viele Menschen im Osten Deutschlands unter ihrer Unfreiheit litten – auch wenn ihr Leben nicht bedroht gewesen sein mag. Wer wollte, wer könnte ihnen ein Leben in Freiheit vorenthalten? Und so ging mit dem Festhalten an der Idee der Deutschen Einheit auch eine moralische Pflicht gegenüber jenen Landsleuten einher, die es im Osten schlechter hatten.

Im vergangenen Jahr hat Präsidentin Park in ihrer Dresdner Rede die Hoffnung geäußert, dass der Ruf "Wir sind ein Volk" bald auch auf der koreanischen Halbinsel erklingen möge.

Ihr Ansatz einer Politik einer "Trust Policy" weist in eben jene Richtung, die sich im Falle Deutschlands durchaus als segensreich erwiesen hat. Denn Vertrauen und Dialog sind der Schlüssel zu friedlichem Wandel und zu Verständigung. Dabei gilt es stets, das Ziel im Blick zu behalten, so fern es auch erscheinen mag.

Die Bundesregierung hielt einst stets an dem Ziel der deutschen Einheit fest, dies war Teil der Verfassung, des Grundgesetzes, das in der westdeutschen Republik seit 1949 galt. Und die Politik legte wichtige Grundlagen für die Ereignisse des Jahres 1989: Ich erinnere an die westdeutsche Ostpolitik der späten 1960er und der 1970er Jahre und an den KSZE-Prozess, den sogenannten Helsinki-Prozess. Ohne dass es damals immer so klar und offenkundig gewesen wäre, haben diese Prozesse die Vereinigung Deutschlands und Europas befördert.

Daraus haben wir in Deutschland und in Europa gelernt: Ein Dialog, nicht nur über die vermeintlichen harten Themen der Sicherheitspolitik, sondern auch über Wirtschaft, über Wissenschaft, Kultur und inzwischen auch die Umwelt, kann dabei helfen, Kanäle der Kommunikation zu eröffnen. Deutschland wird die Republik Korea gern weiterhin dabei unterstützen, solcherlei Gespräche zu führen. Ich hoffe, dass die diplomatischen Beziehungen, die wir 2001 mit Pjöngjang aufgenommen haben, auch zu einer besseren Kommunikation beitragen können.

Deutschland befindet sich, wie die Europäische Union insgesamt, auch weiterhin in einem kritischen Dialog mit Nordkorea. Angesichts der Situation im nördlichen Teil der koreanischen Halbinsel dürfen wir uns keinerlei Illusionen hingeben: Die Signale, die uns aus Nordkorea erreichen, sind – zurückhaltend ausgedrückt – widersprüchlich. Sie schwanken zwischen Dialogbereitschaft und Konfrontation. Es ist erfreulich – und ein richtiger und humaner Schritt beider Seiten –, dass noch in diesem Monat Familien zusammengeführt werden sollen, die wie das Land jahrzehntelang zerrissen sind. Aber es ist erschreckend, dass dem nordkoreanischen Regime die nukleare Aufrüstung auch weiterhin wichtiger ist als die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln sowie eine erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Trotzdem sollten Südkorea und seine Partner für einen Politikwechsel in Nordkorea werben, sie sollten daran arbeiten, und sie sollten Alternativen für Nordkorea aufzeigen. Um diesen Zielen näher zu kommen, ist ein konstruktiver und offener Dialog immer noch der beste Weg.

Die Überwindung der Gegnerschaft zwischen Kuba und den Vereinigten Staaten, die kürzlich ihre diplomatischen Beziehungen wieder aufgenommen haben, ist doch ein ermutigendes Beispiel für eine Wiederannäherung nach Jahrzehnten. Auch der jüngste Abschluss eines Abkommens mit dem Iran schenkt uns Hoffnung. Und selbst wenn eine Situation ausweglos erscheint, ist eine Einigung möglich. Nötig dazu sind letztlich stets Einsicht und Kompromissbereitschaft.

Das Angebot vertrauensbildender Maßnahmen ist dabei ein Zeichen von Stärke und Souveränität. Es lohnt sich, diesen Weg weiter zu gehen. Ich bin der festen Überzeugung, dass Korea bereits heute aus einer solchen Position der Stärke heraus handelt – einer Stärke, die auch ohne laute Rhetorik auskommt.

Auch ohne Kalten Krieg sorgt die fortdauernde Teilung Koreas noch immer für Beklemmung. Und doch hat sich so viel verändert in den vergangenen 65 Jahren, seit dem Beginn des für Korea so verheerenden Krieges. Denn heute sendet die Republik Korea ein selbstbewusstes Signal in die Welt hinaus – als Demokratie mit einer kritischen und lebendigen Zivilgesellschaft, als leistungsfähige Volkswirtschaft, als wichtiger kultureller und technologischer Bezugspunkt im Internetzeitalter. Und diese Anziehungskraft wird sich letztlich auch auf der gesamten koreanischen Halbinsel durchsetzen. Und diese Anziehungskraft wird umso größer sein, je strahlender das Beispiel Südkoreas als Land der Freiheit ist.

Wir kennen die Debatte in einigen Staaten Asiens, wo suggeriert wird, Menschenrechte und liberale Demokratie seien lediglich eine Folge kultureller – westlicher – Prägung. Die wohl klarste Antwort auf die Argumente der damaligen Debatte hat Ihr Präsident und Friedensnobelpreisträger Kim Dae-jung vor gut zwanzig Jahren gegeben, als er sagte:

"Culture is not necessarily our destiny. Democracy is."

Und für den koreanischen Weg zur Demokratie steht in besonderer Weise die koreanische Gukhoe. Denn es ist keine historische Zwangsläufigkeit, der folgend sich dieses Parlament im Laufe seiner Geschichte zu einem zentralen Ort demokratischer Verantwortung entwickelt hat.

Als Demokratie setzt sich Korea heute für Frieden in Nordostasien ein. Ich begrüße ausdrücklich alle Initiativen Ihrer Präsidentin, die auf "weiche" Themen zielen. Denn so lassen sich Spannungen abbauen.

Das Bekenntnis zu den unveräußerlichen Menschenrechten und der Herrschaft des Rechts, zu Gewaltenteilung und repräsentativer Demokratie verbindet Südkorea mit Deutschland, mit seinen westlichen Partnern und im asiatisch-pazifischen Raum vor allem auch mit Japan. Für Deutschland sind Korea und Japan wichtige Partner. Ich weiß sehr wohl um die Belastungen im koreanisch-japanischen Verhältnis, die aus der Geschichte entstanden sind. Das Jahr des 50. Jubiläums der Normalisierung der Beziehungen zwischen Japan und Korea – dieses Jahr – können Sie als Nachbarn zum Anlass nehmen, um das Verständnis füreinander weiter zu vertiefen und so auch zum Wohle künftiger Generationen zu handeln. Natürlich muss so etwas von beiden Seiten ausgehen, das ist mir bewusst.

In Deutschland haben wir auch erfahren, wie wichtig die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit für gelingende Versöhnung ist. Eines der Instrumente, mit denen wir sehr gute Erfahrungen gemacht haben, ist der Dialog über Schulbücher. Denn Schulbücher entscheiden mit darüber, welches Bild sich junge Menschen von der Geschichte und von ihren Nachbarländern machen. Deutschland hat diesen Dialog zwischen Korea und Japan durch das Georg-Eckert-Institut in Braunschweig unterstützt. Solche Versöhnungsgesten waren auch in Europa nicht einfach. Ich denke an die Beziehung zwischen Deutschland und dem Nachbarland Polen. Sie kosten viel Zeit und Energie, aber sie zeigen auch immer gute Wege zur Verständigung auf.

Wir Deutsche haben das Glück der Verständigung und der Vereinigung erlebt. Und natürlich wünschen wir unseren koreanischen Freunden, dass auch sie ihren Weg zu einem geeinten Land finden mögen. Ich kann verstehen, dass gerade ältere Menschen in Korea fürchten, dieser Wunsch nach Wiedervereinigung könne allmählich schwinden. Junge Menschen aus Südkorea gehen beispielsweise zum Studium nach China, oder sie arbeiten in den sich rasant entwickelnden Metropolen Asiens. Sie wenden sich der Welt zu, und das Interesse am anderen Teil könnte vielleicht nachlassen. Aber die Kraft einer gemeinsamen Sprache und den Sinn für Zusammengehörigkeit, den Tradition und Geschichte stiften, das sollte man nicht unterschätzen. Auch die Koreaner im Norden der Halbinsel haben ein Recht auf ein Leben in Freiheit und in Frieden. In der langen, stolzen Geschichte Koreas sind die vergangenen 70 Jahre vielleicht irgendwann nur noch eine Episode. Verlieren Sie nicht die Hoffnung!

Für Deutschland erwächst aus seiner Einheit und aus seiner neuen Rolle auch neue Verantwortung, in Europa und in der Welt. Gegenüber Korea besteht unsere Verantwortung darin, dessen Weg mit Interesse und, wo immer gewünscht, mit Rat zu begleiten – heute und in Zukunft.