Festakt zum 20-jährigen Bestehen des Internationalen Seegerichtshofs

Schwerpunktthema: Rede

Hamburg, , 7. Oktober 2016

Der Bundespräsident hat am 7. Oktober beim Festakt zum 20-jährigen Bestehen des Internationalen Seegerichtshofs eine Rede gehalten: "Frieden, Sicherheit und Gerechtigkeit lassen sich nur in einem weltumspannenden, konsensgestützten System von Regeln erarbeiten – und ich sage bewusst 'erarbeiten', denn wir erleben es ja täglich: Allein die Existenz völkerrechtlicher Vorgaben garantiert noch keine friedliche, keine sichere und keine gerechte Welt."

Bundespräsident Joachim Gauck hält eine Ansprache beim Festakt zum 20-jährigen Bestehen des Internationalen Seegerichtshofs im Großen Festsaal des Rathauses der Hansestadt Hamburg

Ich bin ausgesprochen gern zu Ihnen gekommen, an diesen geschichtsträchtigen Ort zur Würdigung eines geschichtsmächtigen Ereignisses. Vor zwanzig Jahren, am 1. Oktober 1996, konstituierte sich der Internationale Seegerichtshof. Zu diesem Jubiläum gratuliere ich herzlich.

Und ich danke der Freien und Hansestadt Hamburg, dass sie den langen Weg der deutschen Bewerbung um den Sitz des Gerichtshofs so entschlossen unterstützt hat. Geschichte und Gegenwart dieser großen Schifffahrts- und Seehandelsstadt werden durch das Verhältnis des Menschen zum Meer geprägt. Hamburg ist auch traditionsreiche Residenz des Seerechts. Die Errichtung des Internationalen Seegerichtshofs hier an der Elbe markiert eindrucksvoll den Höhepunkt dieser Tradition.

Der Gerichtshof ist aber vor allem eine große Bereicherung für die Staatengemeinschaft und für ihr Streben nach friedlicher Streitbeilegung. Dieses Streben ist zugleich Kernanliegen deutscher Politik.

Die Meere sind der größte Lebensraum unserer Erde, und das „Gericht der Meere“ ist universal zuständig. Deshalb misst die Staatengemeinschaft diesem Gericht eine herausgehobene Bedeutung für die Beilegung von Streitigkeiten über die See zu. In den zwanzig Jahren seines Bestehens hat sich der Gerichtshof Vertrauen und Wertschätzung erarbeitet. Es gibt heute also einen Grund zu feiern.

Doch zugleich – wir wissen es – fällt dieses Jubiläum in eine Zeit, in der Fliehkräfte der Völkerfamilie zusetzen. Kriege und Krisenherde prägen das Weltgeschehen. Nationale Interessen werden mancherorts stärker betont als der Nutzen internationaler Zusammenarbeit. Abwehrhaltungen gegenüber der Globalisierung gewinnen zudem an Gewicht. Wir spüren es in der Europäischen Union, wir spüren es aber auch weltweit. Deshalb möchte ich heute auch einige Gedanken zu den Herausforderungen für das Völkerrecht in diesen unübersichtlichen Zeiten äußern.

Doch zunächst gebührt die Aufmerksamkeit an einem solchen Festtag dem Jubilar, dem Seegerichtshof und seinem Wirken auf einem der traditionsreichsten Gebiete des Völkerrechts. Als der Niederländer Hugo Grotius, der große Wegbereiter des Völkerrechts, im Jahre 1605 die Idee des herrschaftsfreien Meeres postulierte, war das eine Provokation – politisch, ökonomisch, auch ekklesiologisch. Grotius wollte damals den Anspruch des noch jungen niederländischen Staates auf freie Schifffahrt und freien Handel gegenüber Spanien und Portugal verteidigen. Die Frage, wem die Ressourcen und Reichtümer der See zustehen, dieses Spannungsverhältnis von mare liberum und mare clausum, prägt das internationale Seerecht bis heute.

Das Seerechtsübereinkommen ist der umfangreichste multilaterale Vertrag, der jemals geschlossen wurde. In insgesamt 320 Artikeln werden nahezu alle Fragen zur Abgrenzung und Nutzung, zur Erforschung und zum Schutz der Meere erfasst. Damals wie heute beeindruckt das Übereinkommen, unter anderem weil es auch globale Gerechtigkeits- und Verteilungsfragen problematisiert. Dass trotz unterschiedlicher nationaler Interessen und unterschiedlicher Vorstellungen zur internationalen Wirtschaftsordnung die Einigung auf eine verbindliche Rechtsordnung für die Meere gelang, ist ein eindrucksvolles Zeugnis völkerrechtlicher Gestaltungskraft. Zumal sich die Vertragsparteien darauf verständigten, dass Streitigkeiten prinzipiell vor Gericht auszutragen sind. Die große Idee der Friedenssicherung durch Recht wird dadurch entscheidend gestärkt. Davon wünschten wir uns international mehr.

Der Seegerichtshof hat dabei eine wichtige Rolle übernommen. Er entscheidet Fälle von erheblicher rechtlicher, wirtschaftlicher und politischer Bedeutung, in den vergangenen Jahren zum Beispiel Streitfälle zum maritimen Welthandel, ebenso zur Abgrenzung der Meereszonen. Und auch wenn der Seegerichtshof die Erfahrung der meisten neu etablierten internationalen Gerichte teilt, dass die Zahl der Verfahren eben nur langsam wächst, so hat er doch beachtliche Signale gesetzt, etwa zur Bewahrung der Meeresumwelt.

Frieden, Sicherheit und Gerechtigkeit lassen sich nur in einem weltumspannenden, konsensgestützten System von Regeln erarbeiten und ich sage ganz bewusst erarbeiten, denn wir erleben es ja täglich: Allein die Existenz völkerrechtlicher Vorgaben garantiert noch keine friedliche, keine sichere und auch keine gerechte Welt. Worauf es letztlich ankommt, ist das Zusammenspiel von Völkerrecht und Politik.

Das Völkerrecht zielt darauf, Macht in Bahnen zu lenken und die gegenseitige Achtung der Staaten zu gewährleisten. Als Gemeinschaften gleichen Rechts und gleicher Ehre, die Formulierung stammt von dem Völkerrechtslehrer Alfred Verdross. Machtausübung wird auf diese Weise zivilisiert und kontrolliert. Dafür ist das Völkerrecht seinerseits auf die Machtausübenden angewiesen: auf ihre Bereitschaft und ihre Fähigkeit, sich auf gemeinsame Interessen und Werte zu verständigen und diese Verständigung, wenn sie denn existiert, zu verstetigen und verbindlich zu machen. Wie gut das gelingt, ist abhängig von den weltpolitischen Verhältnissen. Und seit jeher hat das Völkerrecht gute und weniger gute Zeiten erlebt.

Eine Blütezeit waren die 1990er Jahre. Der Fall der Mauer und die Vereinigung Deutschlands, der Zerfall der Sowjetunion und die demokratischen Revolutionen in Osteuropa schufen ein politisches Klima, von dem die Völkerrechtsordnung erheblich profitiert hat. Die jahrzehntelange, durch den Ost-West-Konflikt bedingte Blockade des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen schien überwunden zu sein. Die Staatengemeinschaft demonstrierte ihren Willen zu engerer Zusammenarbeit durch Schaffung zahlreicher neuer Institutionen und Regelwerke. Auch die internationale Gerichtsbarkeit erlebte – und zwar nicht nur im Seerecht – einen Wachstumsschub. In den zahlreichen Neugründungen – mittlerweile gibt es um die 150 internationale Gerichtsinstanzen – in diesen Neugründungen manifestierte sich die Einsicht, dass das Völkerrecht eben auch Verpflichtungen mit sich bringt.

Ein Meilenstein dieser Entwicklung war zweifellos der Ausbau der internationalen Strafjustiz. Mit der Schaffung der internationalen Straftribunale für das frühere Jugoslawien sowie für Ruanda und dann vor allem mit der Gründung des Internationalen Strafgerichtshofs im Jahre 1998 wurde eindrucksvoll untermauert, dass das Völkerrecht nicht nur die Staaten, ihre Souveränität und ihre Interessen im Blick hat. Ein Kernanliegen des Völkerrechts nämlich ist das Wohl von Menschen, der Wert der Humanität. Mit der völkerrechtlichen Dynamik der 1990er Jahre wuchsen damals die Hoffnungen. Die Verdichtung des Völkerrechts, die Stärkung der Menschenrechte und des gerichtlichen Rechtsschutzes, all das beflügelte die Idee, dass sich die internationale Gemeinschaft auf ein Recht der Weltbevölkerung, auf einen Weltverfassungsstaat zubewegen könnte.

Die damaligen Wunschvorstellungen sind einer anderen Realität gewichen, leider. Das alte, durch den Ost-West-Konflikt geprägte Weltgefüge existiert nicht mehr, aber eine umfassende, dauerhafte, friedliche Neuordnung ist bislang nicht gelungen. Ein Unbehagen gegenüber internationaler Verflechtung und Globalisierung und allem, was damit zusammenhängt, wird spürbar. Der Glaube an die exklusive Lösungskompetenz des Nationalstaates, er erlebt vielerorts eine Renaissance.

Die Rahmenbedingungen für die Fortentwicklung des Völkerrechts haben sich somit verschlechtert. Trotzdem sollten wir nicht vergessen, dass sich das Völkerrecht stets in Schüben und dann nicht in allen Bereichen gleichmäßig entwickelt. Auch geht es nicht immer um Hochpolitisches. Vielfach wird unser Alltagsleben auf so unproblematische Weise völkerrechtlich geregelt, dass wir uns dessen kaum bewusst sind. Wer denkt etwa beim Kauf von Bananen im Supermarkt schon an das internationale Regelwerk Codex Alimentarius, das sicherstellen soll, dass nur einwandfreie Lebensmittel zum Verkauf angeboten werden? Selbst etwas scheinbar so Selbstverständliches wie die Uhrzeit ist völkerrechtlich normiert. Die allermeisten Vereinbarungen und Regelungen, auf die sich die Staatengemeinschaft aus praktischen Gründen verständigt hat, haben sich als krisenresistent erwiesen.

Völkerrechtlich spürbar wird das veränderte politische Klima allerdings dort, wo um politische Interessen gerungen wird, etwa im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Anders als vor einem Vierteljahrhundert erhofft, ist eine dauerhafte Verständigung über die Sicherung des völkerrechtlichen Gewaltverbots bislang nicht gelungen. Die homogene Interessenlage, die in den 1990er Jahren einstimmige Beschlüsse des Gremiums ermöglichte, sie existiert nicht mehr. Der Sicherheitsrat ist heute ähnlich polarisiert wie vor dem Fall der Mauer. Neuerlich müssen wir feststellen, dass der Wert des regelbasierten Systems der Gewaltanwendung, das die Charta der Vereinten Nationen vorsieht, von einzelnen Staaten untergraben wird, weil machtpolitische Interessen stärker wiegen. Millionen Menschen müssen den Preis für die Lähmung des Sicherheitsrates zahlen. An all jene, die Verantwortung tragen, kann ich nur appellieren, das Prinzip kollektiver Friedenssicherung nicht zum Scheitern zu verurteilen.

Auch im Bereich des Menschenrechtsschutzes sind große Hoffnungen vielfach Ernüchterung und Sorge gewichen. Nicht nur fern der deutschen Grenzen sind grundlegende Rechte wie die Presse- und Versammlungsfreiheit in Bedrängnis geraten. Weltweit sind Millionen von Menschen vor Krieg und schwersten Menschenrechtsverletzungen auf der Flucht.

In der konfliktreichen Weltlage unserer Tage zeichnen sich zudem stärkere völkerrechtliche Kontroversen ab, als wir das in der Harmonie der 1990er Jahre gewohnt waren. Alte Mächte haben alte Gestaltungsansprüche wiederbelebt. Aufstrebende Mächte machen sich als ambitionierte Mitgestalter der Völkerrechtsordnung bemerkbar. Die Bereitschaft hat abgenommen, das Völkerrecht als eine Ordnung zu verstehen, die Interessen von Staaten an übergeordnete Gemeinschaftsinteressen bindet, vor allem an die Menschenrechte.

Stattdessen werden Prioritäten sichtbar, die eine gewisse Distanz zur völkerrechtlichen Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte signalisieren. Die Betonung staatlichen Souveränitätsdenkens verbunden mit einer Relativierung von Individualrechten ist zwar nicht neu. Aber wenn einige Staaten für eine deutlich restriktivere Interpretation der Menschenrechte plädieren, dann erfordert das unser aller Aufmerksamkeit.

Für neue völkerrechtliche Rechtssetzungsvorhaben zeichnen sich damit sehr intensive Diskussionen ab. Zum Teil werden sie bereits geführt, etwa in den Verhandlungen auf so wichtigen Gebieten wie der Regulierung des Cyberspace.

Die Entwicklung des Völkerrechts bleibt eine konfliktträchtige Angelegenheit, weil das Zusammenleben der Völker nun einmal von Interessengegensätzen geprägt ist. Die Völkerrechtsordnung ist zudem nicht perfekt. Aber im großen historischen Bogen gibt es dann doch beachtliche Fortschritte. Die zahlreichen multilateralen Verträge, die internationalen Organisationen und die Gerichte – diese gemeinsame Ordnung steht für ein Ausmaß an Verständigung und gemeinsamer Steuerung, das selbst für einen Vorreiter des Völkerrechts wie Hugo Grotius wohl undenkbar gewesen wäre.

Kernbestandteil dieser Ordnung ist und bleibt die Charta der Vereinten Nationen. Die großen Ziele, die dort niedergelegt sind, haben nichts von ihrer Aktualität verloren.

Fortschritte bei der Weiterentwicklung des Völkerrechts erfordern große Anstrengungen und einen langen Atem. Dass grundlegende Normen immer wieder verletzt werden, es ist leidvoll und bitter. Aber die Konsequenz kann nicht sein, das Ziel einer menschenwürdigen Ordnung zur Disposition zu stellen. Eine Ordnung, die diesen Namen verdient, muss gleichermaßen Werte-, Rechts- und Friedensordnung sein.

Deutschland hat ein besonderes Interesse, das Erreichte im Völkerrecht zu sichern und weitere Fortschritte zu machen – aus historischer Verpflichtung und in dem Bewusstsein gewachsener internationaler Verantwortung. Legitimität, Stabilität und Berechenbarkeit – und zwar vermittelt durch gemeinsame Regeln – zahlen sich für alle Staaten aus, auch für die mächtigen.

Die Staaten stehen hier gemeinsam in der Verantwortung. Für Frieden und internationale Sicherheit zu sorgen und die Achtung der Menschenrechte zu gewährleisten, das ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Eine gemeinsame Herausforderung, die Augenmaß und Entschlossenheit erfordert: Augenmaß, um der besonderen Orientierung des Völkerrechts an der jeweiligen weltpolitischen Lage gerecht zu werden. Entschlossenheit, um völkerrechtliche Grundprinzipien gerade in politisch angespannten Zeiten zu verteidigen.

Beides bedarf der Unterstützung durch die internationale Gerichtsbarkeit. Bei der Gründung des Seegerichtshofs vor zwanzig Jahren ließ sich die Staatengemeinschaft von der weitsichtigen Überzeugung leiten, dass ein Erstarken der internationalen Gerichtsbarkeit ein Gewinn ist – ein Gewinn für den Frieden, der den Verlust staatlicher Souveränität aufwiegt.

Für den Geltungsanspruch des Völkerrechts ist es bedenklich, wenn Staaten sich weigern, mit internationalen Gerichten zu kooperieren oder deren Entscheidungen zu befolgen. Der Seegerichtsbarkeit sind solche Erfahrungen nicht fremd, das wissen Sie alle, die Sie sich heute hier versammelt haben. Wenngleich, das wollen wir auch zugeben, es sich hier eher um Einzelfälle handelt. Aber auch in Verfahren des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gibt es Tendenzen der Verweigerung, dort, wo Staaten es im Falle von Verurteilungen ablehnen, für einen besseren Schutz von Grund- und Freiheitsrechten zu sorgen. Selbst in Vertragsstaaten, die stolz auf ihre rechtsstaatliche Tradition sind, möchte man sich nicht immer an die Verpflichtungen erinnern, die die Anerkennung überstaatlicher gerichtlicher Kontrolle mit sich bringt.

Das betrifft auch die internationale Strafgerichtsbarkeit. Es sind also weiterhin erhebliche Anstrengungen erforderlich, um jene zur Rechenschaft zu ziehen, die schlimmste Verbrechen zu verantworten haben. Und es bedarf, mehr denn je, intensiver Überzeugungsarbeit, dem Internationalen Strafgerichtshof die notwendige Rückendeckung zu sichern.

Es reicht nicht, internationale Gerichte zu etablieren. Was sie uns wert sind, ob die Bereitschaft besteht, ihr Potenzial zur Förderung von Frieden und Gerechtigkeit auszuschöpfen, erweist sich erst durch langfristige politische wie institutionelle Unterstützung. Und kraftvolle Unterstützung durch die Staatengemeinschaft, das ist dann auch mein Wunsch für Ihren Seegerichtshof zu seinem 20. Jubiläum.

Der Seegerichtshof hat in den vergangenen zwanzig Jahren einen erfolgreichen Weg zurückgelegt. Ich bin zuversichtlich, dass er noch weiter an Gewicht gewinnen wird: Denn als Streitentscheider hat der Gerichtshof beachtliche Arbeit geleistet. Und in diesen krisen- und konfliktreichen Zeiten ist zügige und überzeugende Streitbeilegung mehr denn je vonnöten.

Die Debatte über die künftige Gestaltung der Völkerrechtsordnung wird auch das Seevölkerrecht betreffen. Wie der Gerichtshof den Schutz des Meeresbodens als Erbe der Menschheit ausbuchstabieren wird, das hat weit über das Seerecht hinaus Bedeutung.

Mit den Herausforderungen wächst auch die Verantwortung. Ich bin sicher, verehrte Mitglieder des Seegerichtshofs: Bei Ihnen liegt sie in guten Händen. Möge die Rechtsprechung des Seegerichts dazu beitragen, die Errungenschaften bei der Fortentwicklung des Völkerrechts zu bewahren. Und möge der Gerichtshof im produktiven Zusammenwirken mit der übrigen internationalen Gerichtsbarkeit das Bewusstsein dafür stärken, dass staatliche Souveränität, richtig verstanden, nicht Rückzug aus internationaler Verantwortung bedeuten kann.

Bündeln wir also unsere Kräfte, um uns mit Beharrlichkeit und mit Augenmaß für die unterschiedlichen Bedürfnisse und Interessen der Staaten, für das große Ziel des Friedens durch Recht zu engagieren.

Ich habe Ihnen heute meine grundsätzlichen Überlegungen vorgetragen. Ich habe mich nicht nur bezogen auf das Jubiläum dieses Tages, und dafür gibt es einen wichtigen Grund: Das ist der Zustand, in dem sich die Weltgemeinschaft befindet. Die ungelösten Konflikte, die Blockaden unter anderem im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen – in Ihrer Anwesenheit, Herr Generalsekretär Ban Ki-moon, wollte ich uns diese problematische Lage bewusst machen. Wir feiern mit dem Jubiläum dieses Seegerichtshofs einen Etappensieg im langen Kampf um die Herrschaft des Rechts weltweit. Ich betone, es ist ein Etappensieg, aber wir feiern ihn, weil es ein Fortschritt ist.

Dabei spreche ich zu Ihnen als ein Mensch, der im Kriege geboren worden ist und der sich als junger Mann niemals hätte vorstellen können, dass hier, in diesem Deutschland mit seiner so schrecklichen Geschichte von Schuld, Rechtsbeugung und Rechtsverletzung einmal eine ganz wichtige internationale Instanz der Rechtsprechung ihren Sitz haben würde.

Wenn ich dieses wunderbare Geschehen mit der Rechtstradition dieser Stadt verbinde, dann wird uns bewusst, dass die schrecklichsten Verhältnisse, selbst die allerschrecklichsten Verhältnisse durch Wandlungsprozesse verändert werden können. Nur: Es müssen genügend Menschen da sein, die bei diesem Wandel zum Besseren mitmachen. Und so verbinde ich meine Gratulation, die Ihnen allen gilt, die hier Verantwortung tragen, mit der Hoffnung, dass weltweit die Bereitschaft wächst, den Siegeszug der Rule of Law nicht irgendwo auf einer Zwischenstation zu beenden, sondern immer weiter fortzusetzen.

Ihnen, Herr Generalsekretär der Vereinten Nationen, danke ich für Ihren vielfältigen Einsatz in dieser Richtung. Wir nehmen von Ihnen, als Generalsekretär mit großer Dankbarkeit und mit Ehrerbietung Abschied. Es war ein großes Werk, das Sie geleistet haben, und ich will Ihnen bei dieser Gelegenheit nicht nur dafür danken, dass Sie hier sind, sondern auch für das, was Sie für die Weltgemeinschaft getan haben.

Ihnen, Herr Generalsekretär, und Ihnen, Herr Gerichtspräsident Golizyn, und dem Gericht, meine allerbesten Wünsche.

Danke.