Verleihung des Deutschen Umweltpreises

Schwerpunktthema: Rede

Würzburg, , 30. Oktober 2016

Bundespräsident Joachim Gauck hat am 30. Oktober bei der Verleihung des Deutschen Umweltpreises 2016 eine Ansprache gehalten: "Technologischer Fortschritt kann umweltschonendes Verhalten in vieler Hinsicht erleichtern. Aber die kritische Selbstbefragung, wie wir wohnen und uns fortbewegen, was wir konsumieren und wie wir mit Dingen verfahren, die wir nicht mehr brauchen, diese Selbstbefragung wird deshalb nicht entbehrlich."

Bundespräsident Joachim Gauck hält mit den Preisträgern Bas van Abel, Angelika Mettke und Walter Feeß bei der Verleihung des Deutschen Umweltpreises 2016 im Festsaal des Congress Centrums in Würzburg

Aller guten Dinge sind drei. In diesem Falle sind es sogar fünf. Zum fünften Mal habe ich die Freude, den Deutschen Umweltpreis zu verleihen. Und ich freue mich ganz besonders, dass so viele Menschen, die den Schutz der Umwelt zu ihrer Aufgabe gemacht haben, heute hier in Würzburg dabei sind. Sie verbreiten eine Stimmung, die einen Amtsinhaber inspiriert. Die Kraft und Energie der hier in diesem Raum Versammelten, ihre großartigen Ideen und deren praktischer Nutzen – all das bringt uns voran und das stärkt uns. Es ist einfach schön, hier zu sein.

Wenn Sie so wollen, ist meine Beteiligung an dieser Preisverleihung, die Beteiligung des Bundespräsidenten, auch so etwas wie ein Sinnbild für die Verantwortungsbereitschaft unserer Gesellschaft – für unser Verantwortungsbewusstsein und für unsere Verantwortungsfähigkeit. Es ist wichtig, dass eine Gesellschaft sich klar macht, was für Potenziale in ihr stecken und nicht nur die Summe von Ängsten bildet, um sich möglichst kultiviert schlecht zu fühlen. So kommen wir nicht voran.

Wir müssen Boden, Wasser und Luft schonen und schützen, gemeinschaftlich, über Grenzen hinweg, weil es um unsere Lebensgrundlagen und um die der nächsten Generationen geht.

Menschen, die die Schöpfung bewahren und schützen wollen, müssen dabei auch Pioniergeist zeigen. Dieser Pioniergeist, der wird gelobt mit dieser Preisverleihung. Und jedes Mal staune ich aufs Neue über die wegweisenden Ideen, die mit dem Deutschen Umweltpreis gewürdigt werden. Heute, liebe Frau Mettke, lieber Herr Feeß, lieber Herr van Abel, sind Sie es, die diese wichtige Auszeichnung erhalten. Dazu gratuliere ich Ihnen von Herzen! Und ich danke Ihnen. Im Namen unseres Landes.

Der Umweltschutz, den Sie – alle drei – vorantreiben, hat seinen Sitz mitten im Leben. Sie haben Möglichkeiten ersonnen und erfolgreich erprobt, unseren Lebensalltag ressourcenschonender zu gestalten.

Liebe Frau Mettke, lieber Herr Feeß,

Ihr Fachgebiet, der Bausektor, gehört zu den Wirtschaftsbereichen, für die besonders große Mengen hochwertiger Rohstoffe benötigt werden. Umso wichtiger ist das Recycling von Baustoffen. Und Dank Ihrer Arbeit spricht sich mehr und mehr herum, wie erfolgreich sich Baustoffe für den Straßen- und Gebäudebau wiederverwerten lassen. Die Bereitschaft zum Baustoffrecycling haben Sie beide entscheidend befördert. Sie, liebe Frau Mettke, als Wissenschaftlerin und Sie, Herr Feeß, als Unternehmer. Aber die Triebfeder Ihres Erfolges sind ja die gleichen, obwohl Sie in unterschiedlichen Bereichen arbeiten: die unermüdliche Suche nach neuen Chancen und Möglichkeiten sowie hartnäckige Überzeugungsarbeit – und das alles getragen von ökologischer Verantwortung.

Auch Sie, lieber Herr van Abel, haben uns alle hier im Saal mächtig damit imponiert, wie Sie Wege gewiesen haben zu verantwortungsbewusstem Handeln. Der Name des von Ihnen entwickelten Mobiltelefons, des Fairphones, deutet das ja an: Es geht um einen fairen Ausgleich von Umweltschutz, wirtschaftlichen Interessen und sozialen Belangen. Meine Hochachtung dafür, wie Sie diese komplexe Aufgabe gemeistert haben – von der Gewinnung der Rohstoffe über die Fertigung der Geräte bis hin zu Reparatur und zum Recycling.

Und wissen Sie, was mir dabei besonders aufgefallen ist? Als ehemaliger Pfarrer komme ich ja aus einer Berufsgruppe, die auch immer zuständig ist für das Wahre, Gute, Edle und Schöne. Und es gibt viele Menschen, die – und das ist auch sinnvoll – über diese Dinge sprechen. Aber wenn es überdies gelingt, das, was wir für gut halten, zu verbinden mit dem, was sich auch rechnet, was uns ökologisch und ökonomisch voranbringt, das ist natürlich besonders schön.

Ich wünschte mir nun sehr, lieber Herr van Abel, dass Ihr Beispiel Schule macht, und dass die Leistungen aller drei Preisträger, die wir heute ehren, Impulse geben, um Nachhaltigkeit – dieses schöne Zauberwort! – wirklich Alltag werden zu lassen. Wir müssen uns immer wieder bewusst machen: Wenn es gelungen ist, eine Preisjury zu überzeugen, dann ist das erst ein Beginn unserer Wirkungsmöglichkeiten. Preise generell stellen ja das ins Zentrum, von dem wir zu wenig haben. Wir preisen eigentlich immer, was wir entbehren. Daraus ergibt sich dann für uns alle, die wir hier beieinander sind, auch ein Auftrag, nämlich weiter Kunde zu geben von den starken Impulsen der jeweiligen Preisträger, damit diese Impulse weiter Wirkung entfalten können.

Lassen Sie uns weiter hoffen auf den Ideenreichtum und den Forscherdrang, auf die Leidenschaft und auf die Überzeugungskraft der Vielen. Denn die Zuversicht, dass grünes Wachstum gelingen kann, dass die Versöhnung von Ökologie und Ökonomie keine Utopie ist, diese Zuversicht gründet in der Vielfalt der Möglichkeiten, sich einzubringen und mitzuwirken. Was Alexander von Humboldt im Jahr 1799 niederschrieb, es gilt noch immer: Ideen können nur nützen, wenn sie in vielen Köpfen lebendig werden.

Deshalb möchte ich heute auch eine Institution hervorheben, deren Wirken für den Umweltschutz ebenfalls preiswürdig ist. Und das ist die Deutsche Bundesstiftung Umweltschutz selbst, die in diesem Jahr ihren 25. Geburtstag feiert. Lieber Herr Bottermann, ich gratuliere Ihnen und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stiftung herzlich zu ihrem Jubiläum und ich danke Ihnen allen. Uns verbindet ja eine lange, ausgezeichnete Partnerschaft, ja, ich könnte schon fast sagen: Freundschaft. In den vergangenen 14 Jahren haben Bundespräsidenten gemeinsam mit der Umweltstiftung die Woche der Umwelt ausgerichtet. Erst vor wenigen Wochen verwandelten hunderte von Ausstellerinnen und Ausstellern den Schlosspark Bellevue in ein Schaufenster umweltfreundlicher Projekte, Programme und Produkte.

Bereits die Genese der Bundesstiftung Umwelt bestätigt: Ökonomie und Ökologie müssen keine Gegensätze sein. Geboren wurde diese Stiftung im Bundesfinanzministerium. Im Jahre 1989 unterbreitete der damalige Finanzminister Theo Waigel den Vorschlag, mit dem Erlös aus der Privatisierung der Salzgitter AG Umweltprojekte zu fördern. Meinen Dank und Grüße an Theo Waigel für diese wegweisende Idee. Damals setzten die Gründerväter der Stiftung besonders auf das Potential der kleinen und mittelständischen Unternehmen. Denn umweltfreundliche Verfahren, Dienstleistungen und Produkte sind Motor für Wachstum und Arbeitsplätze.

Ich komme aus jenem Teil Deutschlands, in dem man den Mittelstand abgeschafft hatte. Das war praktisch eine Vorstufe des ökonomischen Ruins Ostdeutschlands. Und ich will hier an dieser Stelle ausdrücklich noch einmal einflechten, was mir während meiner Präsidentschaft so oft bewusst geworden ist: Was wäre unser Land ohne die Familienbetriebe, ohne unsere Mittelständler, ohne unsere innovativen Handwerksbetriebe! Das ist eine Wirtschaftskultur, um die uns viele, viele andere Länder beneiden.

Vor 25 Jahren war Skepsis gegenüber der Green Economy in den klassischen Industriezweigen allerdings noch weit verbreitet. Wir hören, dass das heutzutage noch zuweilen der Fall ist. Die Fördermaßnahmen der Umweltstiftung hatten und haben deshalb einen doppelten Effekt: Sie treiben die Entwicklung umweltschonender Produkte und Verfahren an. Zugleich gelingt es, Sorgen abzubauen, Umweltschutz schade der Wettbewerbsfähigkeit.

Und noch etwas Wichtiges hat die Umweltstiftung bewirkt. Sie hat Millionen Menschen in unserem Land für die Bedeutung ökologischer Zusammenhänge sensibilisiert. Wie viele Möglichkeiten es gibt, durch Umwelt- und Ressourcenschutz unsere Lebensbedingungen zu verbessern, beweisen allein die Projekte der Bundesstiftung Umwelt. Schon im Jahr 1993 unterstützte die Stiftung die Entwicklung des ersten Kühlschranks, der ohne klimaschädigende Fluorchlorkohlenwasserstoffe betrieben werden konnte. In 25 Jahren wurden schon mehr als 9.000 Projekte gefördert – das ist nun wirklich eine beeindruckende Zahl. Der Bogen spannt sich dabei vom Klima-, Boden- und Gewässerschutz über den Schutz der Artenvielfalt, den sparsamen Umgang mit Energie und Ressourcen bis zur umweltgerechten Abfallverwertung und verantwortungsbewusster Ernährung. In Deutschland haben wir in all diesen Bereichen ehrgeizige Ziele formuliert. Nun kommt es darauf an, so zu handeln, dass diese Ziele auch erreicht werden. Wir müssen schließlich auch unseren internationalen Verpflichtungen gerecht werden.

Anspruch und Ermutigung kann jene Dynamik sein, die den Ratifikationsprozess des Klimaschutzabkommens von Paris vorangetrieben hat. Dass auch die Vereinigten Staaten, ebenso China und Indien und die Europäische Union das Abkommen ratifiziert haben, ist ein großer diplomatischer Erfolg. Insgesamt erleben wir in diesen Wochen eine erfreuliche Koalition von Staaten, die sich weniger als ein Jahr nach der Klimaschutzkonferenz von Paris auf das Inkrafttreten des Abkommens einigen konnten.

Bei der nächsten Klimaschutzkonferenz der Vereinten Nationen in Marrakesch kann es nun schon um die konkrete Umsetzung des Abkommens gehen. Ich freue mich sehr über diesen Meilenstein der internationalen Klimapolitik, und ich freue mich, dass die Bundesregierung sich beim Zustandekommen des Abkommens stark einbringen konnte, unter anderem mit dem Petersberger Klimadialog. Aber wir wissen auch, die eigentliche Bewährungsprobe, die substantielle Minderung der Treibhausgase, steht uns noch bevor.

Gefordert ist dabei nicht nur die Politik. Denn der Klimaschutz, ja der Schutz unserer Umwelt insgesamt, ist nicht zuletzt eine Frage des Verhaltens, auch des Kaufverhaltens des Einzelnen. Diese Erkenntnis ist nun wahrlich nicht neu, aber sie zu beherzigen, das fällt dennoch schwer. Selbst modernste Geräte sind nicht unbedingt umweltfreundlich. Wir haben vorhin gehört, welche Anstrengungen etwa für die ressourcenschonende Herstellung von Smartphones erforderlich sind. Ich könnte mir vorstellen, vielen der rund 44 Millionen Smartphone-Nutzern in unserem Land ist das bei ihren Kaufentscheidungen so nicht bewusst gewesen. Ich schließe mich da selbst ein. Umweltschutz überall mitzudenken, das ist ein mühsamer und manchmal auch ein unbequemer Lernprozess.

Technologischer Fortschritt kann umweltschonendes Verhalten in vieler Hinsicht erleichtern. Aber die kritische Selbstbefragung, wie wir wohnen und uns fortbewegen, was wir konsumieren und wie wir mit Dingen verfahren, die wir nicht mehr brauchen, diese Selbstbefragung wird deshalb nicht entbehrlich. Denn mehr Energieeffizienz bedeutet nicht unbedingt, dass tatsächlich Ressourcen eingespart werden. Manchmal reagieren wir Menschen hocherfreut über die Sparsamkeit effizienter Produkte, indem wir mehr kaufen und mehr verbrauchen. Ich müsste sagen, mehr verbrauchen als notwendig. Fachleute nennen das den Rebound-Effekt. Jeder Konsument kann und sollte hier verantwortungsvoll entscheiden. Wir dürfen uns ruhig zutrauen, unsere eigenen Konsumgewohnheiten und Ansprüche hin und wieder zu überprüfen. Was lässt sich ändern, was kann ich persönlich verbessern?

Die Bereitschaft, Problemen die Stirn zu bieten, ist entscheidende Triebfeder für den Erfolg beim Umweltschutz – für Ihre Erfolge, liebe Preisträger, und für die erfolgreiche Arbeit der Umweltstiftung. Ihre Leistungen bestätigen mir: Wir können optimistisch in die Zukunft schauen. Wir können guten Mutes sein, ein Verhalten zu erlernen, das die Reichtümer unseres Planeten zu schätzen und die Grenzen seiner Belastbarkeit zu respektieren weiß.

Ich danke Ihnen.