Aushändigung der Bestellungsurkunden an die Mitglieder des Kuratoriums der Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung

Schwerpunktthema: Rede

Schloss Bellevue, , 16. Januar 2017

Der Bundespräsident hat am 16. Januar bei der Aushändigung der Bestellungsurkunden an die Mitglieder des Kuratoriums der Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung eine Ansprache gehalten: "Vielleicht kann der Staat durch solche Stiftungen und die von ihnen geleistete wissenschaftliche und Bildungsarbeit doch ein wenig an den Grundlagen mitwirken, von denen er selbst lebt – indem diese Stiftungen deutlich werden lassen, in welcher Tradition unser demokratisches Gemeinwesen steht."

Bundespräsident Joachim Gauck hält eine Ansprache anlässlich der Aushändigung der Bestellungsurkunden an die Mitglieder des Kuratoriums der Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung im Langhanssaal in Schloss Bellevue

Änderungen vorbehalten. Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr herzlich darf ich Sie alle heute im Schloss Bellevue begrüßen. Es ist mir eine besondere Freude, heute die erstmalige Ernennung der Mitglieder des Kuratoriums der neu eingerichteten Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung vorzunehmen.

Zu den guten bundesrepublikanischen Traditionen gehört es, bedeutende deutsche Staatsmänner durch eine rechtsfähige Stiftung öffentlichen Rechts zu würdigen, die sich mit ihrem Leben und Werk befassen. Bisher gibt es sechs solcher Stiftungen und tatsächlich würdigen sie nur Staatsmänner – ich finde, es wäre einen Gedanken wert, warum bislang das Wirken einer Staatsfrau noch nicht durch eine solche unabhängige Bundesstiftung gewürdigt wird. Aber das wird sich vielleicht in der Zukunft ändern – das nur als Anregung an Frau Staatsministerin und den Gesetzgeber.

Die Einrichtung der Politiker-Gedenkstiftungen ist aber nicht nur eine besondere Würdigung der Namensgeber – ihre Aufgaben reichen weiter, als nur die Erinnerung an die Persönlichkeiten aufrecht zu erhalten. Ihr Leben, Handeln und Werk werden durch die wissenschaftlich ausgerichteten Stiftungen erschlossen. Die Politiker-Gedenkstiftungen haben auch die Aufgabe, die zeitgeschichtlichen Entwicklungen, in denen die Persönlichkeiten standen und in denen sie wirkten, wissenschaftlich zu erarbeiten und zu erschließen.

Paragraph 2 des Errichtungsgesetzes für die Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung verdeutlicht dies, wenn der Zweck der Stiftung darauf festgelegt wird, neben dem Andenken an das politische Wirken Helmut Schmidts auch einen Beitrag zum Verständnis der Zeitgeschichte und der weiteren Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland sowie zur Aufarbeitung, Darstellung und Weiterentwicklung der Verantwortung Deutschlands in der Außen-, Sicherheits- und Wirtschaftspolitik im europäischen und globalen Umfeld zu leisten. Und auch einen Bildungsauftrag hat die Stiftung: Sie soll Kenntnisse zu den geopolitischen und wirtschaftlichen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts in Europa und der Welt vermitteln.

Die Ergebnisse, die die bestehenden Stiftungen der Öffentlichkeit präsentieren können, sind beeindruckend, wie vielleicht nur zwei Beispiele verdeutlichen: Die Stuttgarter Ausgabe der Briefe, Reden, Schriften und Gespräche von Theodor Heuss, die die Stiftung-Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus ediert, füllt acht umfangreiche Bände. Sie bringen uns Theodor Heus nicht nur als Politiker nahe, sondern auch als Mensch, Kunstfreund und Literaten. Über das Leben von Willy Brandt informiert die Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung durch eine beeindruckende Ausstellung hier in Berlin in den Räumen Unter den Linden, aber auch im Willy-Brandt-Haus in Lübeck und durch vielfältige Veröffentlichungen, Vortragsveranstaltungen oder Ausstellungen. Vielleicht kann der Staat durch solche Stiftungen und die von ihnen geleistete wissenschaftliche und Bildungsarbeit doch ein wenig an den Grundlagen mitwirken, von denen er selbst lebt – indem diese Stiftungen deutlich werden lassen, in welcher Tradition unser demokratisches Gemeinwesen steht.

Nach Otto von Bismarck, Friedrich Ebert, Konrad Adenauer, Theodor Heuss und Willy Brandt ist Helmut Schmidt der sechste Politiker, für den der Gesetzgeber eine Gedenkstiftung eingerichtet hat.

Es besteht kein Zweifel, dass Helmut Schmidt ein Politiker ist, der diese besondere Würdigung verdient. Und es ist auch zweifelsfrei, dass er sich in die Reihe dieser doch sehr verschiedenen Personen einfügt. Ja, ich meine, Helmut Schmidt gehört geradezu zwingend zu diesem Personenkreis, deren Leben und staatsmännisches Wirken in dieser Form der Nachwelt erschlossen werden muss.

Helmut Schmidt, der am 10. November 2015 starb, war ein langes Leben beschieden – und er erlebte alle wesentlichen politischen Phasen Deutschlands im 20. Jahrhundert. Obwohl er nicht zu den Bundeskanzlern zählte, die besonders lange in diesem Amt standen, trug er vor vier Jahrzehnten Verantwortung in einer Zeit, in der der Staat durch terroristische Bedrohung herausgefordert wurde, in der sich unsere Demokratie ihren Feinden gegenüber als besonders wehrhaft erweisen musste. In einer Fernsehrede an die Nation machte der Bundeskanzler deutlich, dass der Staat auf den Terror mit aller notwendigen Härte antworten muss (1977). Zugleich forderte er die Jugend in einer Regierungserklärung auf: Erwerben Sie auch innerlich ihre demokratische Bürgerschaft in unserem Gemeinwesen, nehmen Sie sie an, um sie einzusetzen zur demokratischen Gestaltung des zukünftigen Lebens ihrer eigenen Generation. So verband er die nötige Härte des Staates mit einer Einladung an alle Kritischen und Zweifelnden.

Es war eine Zeit, die den Staatsmann Schmidt besonders forderte, die aber auch die Gesellschaft herausforderte. Nicht nur in Bezug auf diese – existenzielle – Bedrohung prägte Schmidt seine Zeit, er tat dies auch im Hinblick auf das Verhältnis zur Sowjetunion und zum Warschauer Pakt oder in Bezug auf die Integration der Staaten in der Europäischen Gemeinschaft, wie sie damals noch hieß. Bis in unsere Gegenwart hinein wirken diese Entwicklungen, die Helmut Schmidt mitgestaltete.

Ich möchte hier nicht Helmut Schmidt ausführlicher würdigen – ein ganzes Kapitel allein müsste ich sonst dem Hamburger Schmidt widmen. Ich denke etwa an die übergroße Anteilnahme der Hamburger an seinem Tod. Aber eine umfangreiche Würdigung überstiege sicher meine Kompetenz und dafür gibt es Berufenere. Und von nun ab ist es namentlich Aufgabe der Stiftung, die vielfältigen Facetten des Helmut Schmidt zu erforschen, sein Wirken kritisch zu würdigen, die Wirkungen und Wechselwirkungen seines Handelns zu beschreiben. Dazu wünsche ich der Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung alles Gute und viel Erfolg.

Sie alle sind Helmut Schmidt in der einen oder anderen Weise besonders verbunden. Ich danke Ihnen, dass Sie sich bereit erklärt haben, das Kuratorenamt zu übernehmen. Es kommt auf Sie – so denke ich – einiges an Arbeit zu. Denn Ihnen als Kuratorinnen und Kuratoren obliegt es nun, den Stiftungszweck ins Werk zu setzen. Das ist eine schöne, eine vornehme Aufgabe, zu der ich Ihnen viel Erfolg wünsche!

Und damit kommen wir zu den Ernennungen.