Tag der zurückkehrenden Entwicklungshelfer

Schwerpunktthema: Rede

Schloss Bellevue, , 3. März 2017

Der Bundespräsident hat am 3. März bei der Veranstaltung zum "Tag der zurückkehrenden Entwicklungshelfer und Friedensfachkräfte" eine Ansprache gehalten: "Sie können auf besondere Weise dazu beitragen, in unserer Gesellschaft das Verständnis für globale Zusammenhänge und die Notwendigkeit internationaler Solidarität zu schärfen. Es ist auch in Deutschland wichtig, dass jeder Einzelne Verantwortung für eine nachhaltige Entwicklung übernimmt, als Konsument ebenso wie als Bürger."

Bundespräsident Joachim Gauck hält eine Ansprache in der Katholischen Akademie anlässlich der Veranstaltung zum 'Tag der zurückkehrenden Entwicklungshelfer und Friedensfachkräfte'

Änderungen vorbehalten. Es gilt das gesprochene Wort.

Wir blicken heute gemeinsam zurück auf einen prägenden Abschnitt Ihres Lebens. Mehrere Jahre haben Sie in Afrika oder Asien, im Nahen Osten oder in Lateinamerika verbracht, um sich gegen Armut und Hunger, gegen Ungerechtigkeit und Gewalt zu engagieren. Sie sind Menschen aus anderen Kulturen nicht nur begegnet, Sie haben mit ihnen eng zusammengearbeitet und zusammengelebt und dabei wertvolle Erfahrungen gemacht – schöne, aber auch schwierige. Nun sind Sie zurückgekehrt in Ihre Heimat, mit der Welt im Gepäck. Ich freue mich, Sie heute hier in der Katholischen Akademie begrüßen zu können. Herzlich willkommen in Berlin.

Sie wissen: Ich habe mich während meiner Amtszeit als Bundespräsident dafür eingesetzt, dass unser Land weltweit mehr Verantwortung übernimmt. Wir müssen früher und entschiedener auf Katastrophen, Krisen und Konflikte reagieren, gemeinsam mit unseren Partnern. Die furchtbaren Hungersnöte im Südsudan und in den Gebieten um den Tschad-See führen es uns gerade wieder vor Augen: Wir müssen mehr tun. Und wir werden uns immer wieder auch dort engagieren müssen, wo es gefährlich werden kann.

Es ist ganz klar: Wer Konflikte beilegen oder verhindern will, indem er ihren Ursachen entgegenwirkt, der braucht einen langen Atem, der darf durch Rückschläge nicht verzweifeln. Es ist gut, dass die Bundesregierung für diese Herausforderungen auch mehr Geld ausgibt. Ich habe mich gefreut, dass Deutschland Ende vergangener Woche bei der Konferenz von Oslo zur Linderung der Hungerkatastrophe in der Tschad-See-Region vorangegangen ist und damit auch andere Geber überzeugen konnte.

Aber es geht eben nicht nur ums Geld, nicht nur um die großen Missionen und Programme. Entwicklung wird von und mit Menschen vor Ort gemacht. Sie entfaltet sich durch Begegnung und Dialog, und sie braucht Expertise. Angesichts der steigenden Zahl von Krisen und Konflikten in der Welt brauchen wir deshalb auch mehr Fachkräfte, die Solidarität leben und Verantwortung in anderen Teilen der Welt übernehmen. Wir brauchen mehr Menschen, die sich im Entwicklungsdienst und im zivilen Friedensdienst engagieren – mutige, menschenfreundliche und optimistische Menschen wie Sie.

Sie alle haben vor Ort gemeinsam mit anderen gearbeitet, oft in entlegenen Gebieten, zum Teil unter schwierigen oder sogar lebensgefährlichen Bedingungen. Sie haben sich um der Sache, um der Menschen willen engagiert, nicht unbedingt privilegiert und hoch dotiert, aber umso motivierter. Jede von Ihnen hat ihre, jeder hat seine besondere Expertise eingebracht, um die lokale Wirtschaft zu fördern und Arbeitsplätze zu schaffen, um Bildung und Ausbildung zu organisieren, effiziente Gesundheitssysteme aufzubauen, partizipative Strukturen zu stärken, Konfliktparteien miteinander ins Gespräch zu bringen oder traumatisierten Opfern von Gewalt zu helfen. Sie haben dabei mit den Menschen zusammengelebt, mit denen Sie zusammengearbeitet haben. Wir wissen: Projekte zur Entwicklungshilfe sind erfolgreich, wenn sie von den Menschen vor Ort getragen werden, wenn möglichst viele als gleichberechtigte Partner im Wortsinne teilhaben.

Sie alle sind offen im Umgang mit anderen Kulturen, können zuhören, wollen lernen und verstehen. Sie sind in der Lage, eine andere Perspektive einzunehmen und Vorurteile zu überprüfen, ohne dabei eigene Prinzipien aufzugeben. Sie mussten aber auch lernen, Frustrationen auszuhalten und sich von Rückschlägen nicht entmutigen zu lassen.

Die allermeisten von Ihnen haben bei ihren Einsätzen auch erlebt, was mir bei meinen Reisen und Gesprächen immer wieder zu Ohren gekommen ist: Das gewachsene deutsche Engagement in der Welt wird von vielen Menschen begrüßt. Unsere Hilfe – und ganz besonders Ihre Hilfe – ist in unzähligen Ländern und Regionen sehr willkommen.

Sie kehren nun zurück in unser Land, mit der Welt im Gepäck. Sie bringen etwas mit, das heute wichtiger ist denn je: eine globale Perspektive und gleichzeitig das Bewusstsein, wie viel jede und jeder Einzelne zu positiven Veränderungen beitragen kann. Die Erfahrungen, die Sie machen konnten, die Sie geprägt haben und ein Leben lang begleiten werden, diese Erfahrungen können auch für unsere Gesellschaft zu einem großen Schatz werden. Zurückgekehrte Entwicklungshelferinnen und -helfer haben zum Beispiel die Kampagne für saubere Kleidung und die Initiative für ein Blumensiegel mit vorangebracht und sich für den Fairen Handel engagiert. Ihre Kompetenzen sind gefragt, wenn es darum geht, Flüchtlingen einen Weg in unsere Gesellschaft zu ebnen oder in unseren Städten und Gemeinden den Umwelt- und Klimaschutz auszubauen. Wir brauchen Sie in der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit ebenso wie in weltweit agierenden Wirtschaftsunternehmen.

Ich möchte Sie daher ermutigen, Ihre Erlebnisse auch im Alltag nicht für sich zu behalten. Lassen Sie andere daran teilhaben, erzählen Sie Ihre Geschichten. Ich bin sicher: Sie können auf besondere Weise dazu beitragen, in unserer Gesellschaft das Verständnis für globale Zusammenhänge und die Notwendigkeit internationaler Solidarität zu schärfen. Es ist auch in Deutschland wichtig, dass jeder Einzelne Verantwortung für eine nachhaltige Entwicklung übernimmt, als Konsument ebenso wie als Bürger. Ich bin überzeugt: Das können Sie mit Ihren Erfahrungen besonders glaubwürdig und anschaulich vermitteln.

Ich weiß, die Rückkehr ins Heimatland ist für viele von Ihnen nicht nur mir Freude, sondern auch mit Wehmut verbunden, ja selbst mit Fremdheitsgefühlen im eigenen Land, wenn die existenziellen Erfahrungen, die Sie während Ihres Einsatzes gemacht haben, auf die Lebenswirklichkeit hierzulande stoßen. Sie mussten Abschied nehmen von Menschen, mit denen Sie in den vergangenen Jahren zusammengelebt haben, die oft zu Ihren Freunden geworden sind. Und Sie kommen nun in eine Situation, die auch von Unsicherheit und neuen Belastungen geprägt ist. Ich wünsche Ihnen, dass die Neuorientierung gut gelingt, dass Sie wieder Fuß fassen können in Ihrer Heimat, persönlich und beruflich, und Ihnen dabei auch die nötige Unterstützung zuteil wird. Ich wünsche Ihnen, dass man Ihnen zuhört und Sie die Offenheit erfahren, die Sie an Ihren Einsatzorten selbst gezeigt haben. Ich danke Ihnen dafür, dass Sie mutig und verantwortungsbereit waren, und ich wünsche Ihnen und unserem Land, dass Sie engagiert bleiben und andere mitreißen mit Ihrer Leidenschaft und Ihrem Elan, mit Ihrer Sensibilität und Ihrer Mitmenschlichkeit.

So, wie Sie sind, wird unser Land Sie weiter brauchen. Meine guten Wünsche begleiten Sie, wenn Sie sich neuen wichtigen Aufgaben zuwenden.