Benefizkonzert des Bundespräsidenten

Schwerpunktthema: Rede

Berlin, , 12. März 2017

Bundespräsident Joachim Gauck hat am 12. März beim Benefizkonzert mit den Berliner Philharmonikern zugunsten von UNICEF eine Ansprache gehalten: "Und solcher Einsatz für andere bedeutet den Engagierten selbst eine tiefe menschliche Erfüllung. Es gibt sie, diese positive Dialektik zwischen Selbstlosigkeit und Selbstverwirklichung, die man vielleicht nicht ganz verstehen, aber erfahren und erleben kann."

Bundespräsident Joachim Gauck hält eine Ansprache in der Berliner Philharmonie anlässlich des Benefizkonzerts des Bundespräsidenten in Berlin zugunsten des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen UNICEF

Wenn ich als musikalischer Laie über das Geheimnis der Musik sprechen sollte, so wären und sind meine Worte weniger vom Verstehen geprägt. Sehr stark aber natürlich vom Empfinden. Ich könnte auch über bestimmte Werke oder Aufführungen sprechen, die mich in ganz unterschiedlichen Zeiten besonders berührt, begeistert, getröstet oder auch inspiriert haben. Aber habe ich das, was mich bewegt hat, eigentlich verstanden? Könnte ich es mit Worten der Vernunft erklären? Ich könnte es ja mal versuchen und zum Beispiel sagen, dass ich erkennen kann, dass in der Orchestermusik, die mir vertraut ist, eine Ordnung waltet, die es fügt, dass alles zusammenpasst und zueinander eine unauflösliche Beziehung hat. Auch dann, wenn jede einzelne Stimme für sich stehen und ein Eigenleben führen kann.

Wenn ich eben davon gesprochen habe, dass sich etwas fügt, so habe ich dies in der Musik wohl zuerst beim Hören einer Fuge erfasst. Die Fuge hat sprachlich mit dem Begriff Fügung zu tun. Von Fügung sprechen wir, wenn etwas in unserem Leben auf geheimnisvolle Weise zusammenpasst: dem eigenen Willen kaum oder gar nicht verfügbar, aber auch näher als nur reiner Zufall.

Heute Abend fügt sich für mich persönlich so manches: Verschiedene Themen und Stimmen, die mich in meiner Amtszeit begleitet haben, kommen an einem meiner letzten Termine zusammen. Klar, dass ich mich darüber nur freuen kann. Ich nehme es als Geschenk an, das ich gerne mit Ihnen allen teile.

Da ist zunächst einmal die Institution des Benefizkonzerts des Bundespräsidenten: Das ist eine Erfindung von Richard von Weizsäcker – vielleicht ist heute noch der eine oder andere unter uns, der die legendären frühen Benefizkonzerte mit Sergiu Celibidache oder Carlos Kleiber hier in diesem Saal und mit diesem Orchester erlebt hat.

Alle Nachfolger im Amt haben diese Tradition fortgeführt – ja, durch diese Fortsetzung ist es erst zu einer Tradition geworden. So weiß ich mich gerade an einem solchen Abend als Teil einer Reihe von Vorgängern und wohl auch Nachfolgern, und wir werden gemeinsam daran erinnert, dass das menschliche Leben immer gleichzeitig durch Neuanfang und Abschied, durch Erneuerung wie durch Kontinuität, durch Thema und Variationen geprägt ist.

Das Benefizkonzert steht dann auch symbolisch für eine Verbindung, die mir in den fünf Jahren meiner Amtszeit bei den unzähligen Begegnungen mit engagierten Menschen im ganzen Land aufgefallen ist: nämlich die Verbindung zwischen der Bereitschaft und der Fähigkeit Gutes zu tun, sich einzusetzen für die Belange anderer – und dabei gleichzeitig selber Gutes für sich zu erfahren und zu erleben.

Ich finde, wir können stolz darauf sein, dass Menschen in unserem Land millionenfach und ganz freiwillig Verantwortung für andere und füreinander übernehmen – indem sie sich ehrenamtlich engagieren, zum Beispiel in Schulen, in Vereinen, in den Kirchen, in der Flüchtlingshilfe, in Sport und Kultur. Und solcher Einsatz für andere bedeutet den Engagierten selbst eine tiefe menschliche Erfüllung. Es gibt sie, diese positive Dialektik zwischen Selbstlosigkeit und Selbstverwirklichung, die man vielleicht nicht ganz verstehen, aber erfahren und erleben kann.

Es freut mich auch die glückliche Fügung, dass das letzte Benefizkonzert in meiner Amtszeit hier in der Berliner Philharmonie mit den Berliner Philharmonikern stattfindet. Seit der Amtszeit von Horst Köhler wandert ja das Benefizkonzert durch die Bundesländer und es war nicht mein und nicht unser Wille, sondern allein die kalte Strenge des Alphabets, die dazu geführt hat, dass heute Berlin an der Reihe ist. Ist doch schön.

Die Philharmonie, diese goldene Musikschatztruhe, die uns Hans Scharoun geschenkt hat, sie hat lange, das wissen die Älteren, am Rande des wüsten und leeren Potsdamer Platzes gestanden, als würde sie auf etwas warten. Seit dem Fall der Mauer steht dieses Konzerthaus, das zu seiner Einweihung ja weltweit nicht seinesgleichen hatte, nun inmitten des pulsierenden, lebendigen, vor allem aber vereinigten Berlin. Und ich bin, zusammen mit Millionen Deutschen in allen Landesteilen, auch über ein Vierteljahrhundert später noch immer zutiefst dankbar für dieses große Glück der wieder errungenen Einheit.

So stehe ich nun vor Ihnen, wenige Tage vor dem Ende meiner Amtszeit und bin erfüllt von großer Dankbarkeit. Auch weil ich noch einmal auf diesen wunderschönen Raum sehen kann. Seine Eleganz wird nur noch von zwei Dingen übertroffen: einmal von seiner Zweckmäßigkeit, dass man nämlich überall phantastisch hört und eigentlich nur beste und vielleicht einige allerbeste Plätze hat, und dann natürlich davon, dass hier das, wie nicht wenige meinen, beste Orchester der Welt zu Hause ist, und eben dies spielt heute Abend für uns.

Und nun kommt noch etwas besonders Schönes, dieses Orchester spielt unter der Leitung von Zubin Mehta, was mich dazu ermutigt, auch das wiederum eine Fügung zu nennen. Ich denke jetzt mal woanders hin. Seit 1969 ist Maestro Mehta mit dem Israel Philharmonic Orchestra verbunden, inzwischen als Direktor auf Lebenszeit. Am 26. Dezember 1936 hatte Arturo Toscanini, der sich weigerte, jemals wieder in Deutschland aufzutreten, in Tel Aviv das erste Konzert des neugegründeten israelischen Orchesters geleitet. Wer hätte sich damals vorstellen können, dass einer seiner Nachfolger eines Tages mitten in Deutschlands Hauptstadt in Anwesenheit des Staatsoberhauptes die Berliner Philharmoniker dirigieren würde?

Es gibt, und das kann uns allen in diesen Zeiten Hoffnung machen, es gibt sie, die glücklichen Wendungen und Fügungen in der Geschichte.

Meine Damen und Herren,

mit dem Kauf der Karte haben Sie sich nicht nur selber einen Gefallen getan, sondern auch anderen Menschen, indem Sie die Arbeit des Kinderhilfswerks UNICEF unterstützen, so wie der Regierende Bürgermeister von Berlin und ich es uns gewünscht haben. Und Herr Dr. Hereus, der unter uns ist, als Vorsitzender von UNICEF Deutschland, und die Schirmherrin Daniela Schadt und all die total engagierten Menschen, die für die Arbeit von UNICEF arbeiten, die freuen sich darüber, dass Sie diese Arbeit unterstützen. Als Schirmherrin hat Daniela Schadt sich besonders für jene Kinder eingesetzt, die vor Krieg, Gewalt und Verfolgung haben flüchten müssen. Und die Hilfe von UNICEF hat Kinderleben in vielen Teilen der Welt gerettet oder doch lebenswerter gemacht.

So danke ich Ihnen für die Unterstützung dieser wichtigen Mission und wünsche uns allen nun einen unvergesslichen Abend.