Tischrede von Bundespräsident Johannes Rau aus Anlass des 30-jährigen Bestehens der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung im Schloss Bellevue

Schwerpunktthema: Rede

Berlin, , 19. Juni 2000

Meine Damen und Herren,

die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung - kurz die "BLK" - besteht jetzt seit 30 Jahren. Die rechtliche Grundlage und damit den Rahmen der Bund-Länder-Zusammenarbeit in Bildung und Forschung bietet der 1970 neu in das Grundgesetz eingeführte Artikel 91 b. Bei der Forschungsförderung wurde damit die seit langem praktizierte und bewährte gemeinsame Bund-Länder-Finanzierung der Max-Planck-Gesellschaft und der Deutschen Forschungsgemeinschaft auf eine solide verfassungsrechtliche Basis gestellt und die gut 40 Forschungseinrichtungen der Länder konnten in die gemeinschaftliche Finanzierung mit dem Bund überführt werden.

Für die Bildungsplanung hatten sich Bund und Länder seinerzeit viel vorgenommen. Aus der Liste von acht Zielen nenne ich nur das gewichtigste:

Die Vorbereitung eines gemeinsamen langfristigen Rahmenplans für eine abgestimmte Entwicklung des gesamten Bildungswesens. Ich selbst hatte das Privileg, in der BLK am Zustandekommen des ersten Bildungsgesamtplans mitzuwirken. Er wurde 1973 verabschiedet und reichte bis in die 80-er Jahre. Der zweite Bildungsgesamtplan, der sich hätte anschließen sollen, scheiterte jedoch an unüberbrückbaren Gegensätzen zwischen Bund und Ländern.

An die Stelle der Planungseuphorie der Anfänge ist mehr und mehr die pragmatische Einsicht getreten, dass man innerhalb der BLK zwar in allen wichtigen Fragen die Vorzüge gemeinschaftlicher Tätigkeit von Bund und Ländern ausschöpfen kann und wohl auch muss - aber nur bei Wahrung der jeweiligen Kompetenzen.

Die Vielfalt der Gremien für Bildung, Wissenschaft und Forschung, die wir in Deutschland haben, ist für Außenstehende ein wenig unübersichtlich und die Aufgabenab-grenzung ist nicht für jeden gleich erkennbar. Betrachtet man aber die drei wichtigsten Einrichtungen genauer, so ergibt sich doch ein gut austariertes Bild: Die Kultusministerkonferenz koordiniert die Fachseite der Länder. Der Wissenschaftsrat empfiehlt, entscheidet aber nicht. Die BLK bringt Fach- und Finanzseite von Bund und Ländern in den wesentlichen bildungsplanerischen Fragen und in Fragen der Forschungsförderung zusammen.

Mein Eindruck ist, dass der BLK diese Konzentration auf das Wesentliche in Bildungsplanung und Forschungsförderung gelungen ist: Die Neuen Medien in der Bildung, das Verhältnis von Bildungswesen und Arbeitsmarkt, die Förderung gerade der Schwächeren in unserer Gesellschaft beim Übergang ins Bildungswesen, im Bildungswesen selbst und beim Übergang in die Arbeitswelt sind jeweils Felder für gemeinsames Handeln, für eine Abstimmung über Handlungsschritte und für eine gemeinsame Zieldefinition.

Ich begrüße es sehr, dass die BLK mit der Einsetzung des bis Ende nächsten Jahres befristeten "Forum Bildung" jetzt den Versuch wagt, die üblichen Begrenzungen unserer Diskussionen zu überwinden und die gesellschaftlichen Gruppen in einen kontinuierlichen Gesprächsprozess über die Bildungsziele, -inhalte und -methoden der Zukunft einzu-binden. Ich glaube, dass der Bildung eine - wenn nichtdie- Schlüsselrolle für unsere Zukunft zukommt. Die Lebenschancen jedes Einzelnen und die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes hängen entscheidend davon ab, ob es uns gelingt, heute das Wissen zu erschließen und zu vermitteln, das morgen gebraucht wird. Wenn ich es recht sehe, bestreitet niemand, dass wir Änderungen in unserem Bildungssystem vornehmen müssen, um es fit für das 21. Jahrhundert zu machen. Deshalb ist es gut, dass eine breite öffentliche Debatte darüber in Gang gesetzt wird, wie wir die Qualität und Zukunftsfähigkeit des deutschen Bildungssystems sicherstellen wollen, damit es vor allem den Veränderungen in Gesellschaft und Arbeitswelt, aber auch den unterschied-lichen Begabungen der Menschen und ihren spezifischen Lebensbedürfnissen gerecht wird.

Ich verfolge die Arbeiten des "Forum Bildung" mit größtem Interesse und bin schon heute sehr gespannt auf die Empfehlungen für eine neue Bildungsreform, die das "Forum Bildung" bis Ende nächsten Jahres erarbeiten wird. Auf dem Ersten Kongress des "Forum Bildung" am 14. Juli hier in Berlin werde ich über die Herausforderungen an die Bildungspolitik sprechen.

An den Schluss möchte ich ein Zitat von Bernhard Vogel setzen, der anlässlich der konstituierenden BLK-Sitzung am 29. Juli 1970 als Minister für Unterricht und Kultus des Landes Rheinland-Pfalz in der "Süddeutschen Zeitung" folgendes gesagt hat: "Der Föderalismus in Deutschland wird zu Grunde gehen, wenn es uns nicht auch im Bereich der Bildungspolitik gelingt, seine Lebensfähigkeit in der Öffentlichkeit glaubhaft unter Beweis zu stellen." Seine Worte sollten uns eine ständige Verpflichtung sein, und als jemand, der sich dem Föderalismus verpflichtet weiß, möchte ich Ihnen für Ihre weitere Arbeit von Herzen alles Gute wünschen.