Grußwort von Bundespräsident Johannes Rau zur Verabschiedung des ZDF-Intendanten Prof. Dr. h.c. Dieter Stolte

Schwerpunktthema: Rede

Mainz, , 14. März 2002

Hochverehrter Herr Professor Stolte, sehr verehrte Frau Stolte,

hochansehnliche Festversammlung,

ich weiß nicht mehr, wann ich Ihnen versprochen habe, zu Ihrer Verabschiedung zu kommen. Aber wann immer wir uns getroffen haben, haben wir uns gegenseitig daran erinnert, dass dieses Versprechen gilt und steht. Das ist in der Tat etwas, was uns beide immer miteinander verbunden hat und was mich an Ihnen beeindruckt hat: Wenn Sie etwas versprochen haben, haben Sie es gehalten, verlässlich, offen, mit der Fähigkeit zum Zuhören, mit einer eigenen Position, die nicht zur Disposition stand; aber mit der Bereitschaft, auf den anderen zu hören, den Kompromiss zu suchen, nicht den faulen Kompromiss, sondern den, der trägt.

Dabei ist nun ein Lebenswerk entstanden, das Sie heute aus der Hand geben; ein Lebenswerk, wir haben es an vielen Stellen und in den letzten Tagen oft sehen und hören können, das sich wahrlich sehen lassen kann.

Ich bin Fritz Pleitgen dankbar dafür, dass er bei der Länge Ihrer Amtszeit eher auf Fidel Castro als Vergleich gekommen ist als auf den früheren Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen - in einer Zeit, in der lange Amtszeiten ja auch zum Vorwurf gemacht werden können, wie wir inzwischen lernten.

Sie haben, lieber Herr Stolte, diesem Haus seine und Ihre Prägung gegeben. Wer die Bilder in Erinnerung hat, auch die Bilder aus der Zeit, in der Sie als Assistent von Holzamer hier anfingen, der ist bewegt von dem, was jetzt vor unser aller Augen ist und was uns täglich begleitet.

Haben Sie Dank auf dem Weg in die "Welt", wie es eben Herr Suchan gesagt hat, für Ihr Engagement, für die Bereitschaft Identität zu stiften, für das Eintreten für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, auch und gerade im dualen System, und haben Sie Dank für die verlässliche Begleitung, die auch ich in fast 14 Jahren ZDF-Verwaltungsrat habe erleben und erfahren dürfen.

Viele werden Ihren Weg und Ihre Leistungen noch würdigen. Ich selber bin gekommen, um ein Wort des persönlichen Dankes zu sagen und um nach draußen deutlich zu machen, dass wir den öffentlich-rechtlichen Rundfunk brauchen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk zu dem gehört, was neben dem Gegenüber von Staat und Kirche, neben starken Gewerkschaften und der Tarifpartnerschaft unseren Staat in den ersten fünf Jahrzehnten seines Bestehens hat stabil sein lassen. Ich glaube, dass wir einen solchen Schatz hüten müssen, auch in einer sich verändernden Welt.

Was kommt, was war, was bleibt, Herr Schächter? Sie kommen. Stolte geht. Was bleibt, ist der Auftrag, ist der Auftrag, den eine wache Bürgerschaft gibt und ist der Versuch, diesem Auftrag gerecht zu werden mit einem gemeinsinnorientierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der Interessen nicht verleugnet, aber bündelt, der Gegensätze nicht ausklammert, aber offen legt und deutlich macht, und der den Weg zum Konsens immer wieder sucht.

Mein Wunsch an Sie ist, dass Sie in diesem Punkt in die Fußstapfen Dieter Stoltes treten können, dem wir alle von Herzen dankbar verbunden sind. Er hat immer Parteizäune niedrig gehalten und er hat das nie verwechselt mit dem Verzicht auf eigene politische Überzeugung; die hat er auch nie versteckt und verleugnet. Ich wünsche mir solche Menschen an vielen Orten.

Meine Damen und Herren, wenn ich hier öffentlich rede, wird der eine oder andere denken, was denkt der Mann bei den Schlagzeilen, die er im Augenblick liest. Bitte erlauben Sie mir, dass ich dazu ein paar Sätze sage.

Ich habe im Januar vor zwei Jahren in Tutzing in einer Rede versucht, etwas über Parteienverdrossenheit zu sagen, etwas zu sagen über Affären und ihre Aufklärung und ich denke, das muss man und das darf man auch heute wieder sagen. Ich tue es mit wenigen Sätzen: Ich bin davon überzeugt, dass jeder, der Unrecht getan hat, strafrechtlich, steuerrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden muss. Das macht unser Gemeinwesen aus.

Ich bin zweitens der Überzeugung, dass wir unterscheiden müssen zwischen Verdacht, Enthüllung und Verdächtigung. Denn da wird mir manches zu sehr vermischt und wir alle, alle Parteien, alle gesellschaftlichen Gruppen, einschließlich der Kirchen und der Gewerkschaften, wir alle sind aufgerufen zu bedenken, was wir zu leisten haben, damit aus Verdruss nicht Verdrossenheit entsteht.

Denn ich mache mir große Sorgen darum, und das trifft nicht eine Partei, das trifft nicht eine Gruppe, das trifft alle, dass Menschen sich abwenden und dass zu viele glauben, diese Gesellschaft will mit uns nichts mehr zu tun haben.

Wir brauchen eine offene Gesellschaft und wir brauchen die Millionen Menschen, die ehrenamtlich tätig sind, auch in Parteien und Verbänden, die steuerehrlich sind und die sich nicht strafrechtlich etwas zu schulden kommen lassen. Die brauchen Ermutigung und diese Ermutigung kann nur kommen aus der Klarheit der Aufklärung und aus dem, was wir den Menschen mitgeben an Bereitschaft, sich einzusetzen für das öffentliche Wohl.

Über 20 Millionen Menschen in Deutschland sind ehrenamtlich tätig: in Wohlfahrtsverbänden und Kirchen, in politischen Parteien und Verbänden. Die dürfen jetzt nicht alle unter Verdacht geraten, auch keine Berufsgruppe, weder die Ärzte, noch die Handwerker, noch die Politiker. Wir alle haben eine große Verantwortung für die Art und Weise, wie wir mit dem umgehen, was uns gegenwärtig beschäftigt und was mich vor 14 Tagen schrecklich überrascht und in manchem auch enttäuscht hat.

Mir lag daran, das hier auszusprechen, auch vor diesem Forum, in dem so viele zusammen sind, die sich um unser Gemeinwohl verdient gemacht haben und die miteinander dafür sorgen müssen, dass die junge Generation, die heranwächst, diesen Staat annimmt, die Strahlkraft dieser Demokratie genauso erkennt wie ihre Schattenseiten.

Ich bin davon überzeugt, wenn wir redlich miteinander umgehen, dann sind wir auf einem guten Weg.

Ich wünsche Ihnen, lieber Herr Stolte, für die neue Aufgabe einen klaren Blick, viel Freude und Mut, und Sie wissen, nach Berlin zu ziehen ist nicht schlecht. Man kann da Gutes bewirken. Alles Gute für Sie und für Sie, lieber Herr Schächter, gute Wünsche; was bleibt, werden wir gemeinsam zu gestalten versuchen.