Grußwort von Bundespräsident Johannes Rau bei der Preisverleihung zum Bundeswettbewerb "Jugend forscht"

Schwerpunktthema: Rede

Darmstadt, , 26. Mai 2002

Natürlich würde es Spaß machen, sich jetzt mit dem Moderator ein bisschen zu unterhalten: Über Zusatzleistungen bei der ARD, über Schwächen und Stärken des Bildungssystems - aber ich denke, eins haben wir gehört und eins ist richtig: Wir geben für Bildung weniger aus, als wir uns leisten können. Das muss sich ändern!

Das Zweite: Ich bin auch ohne Jubiläum gern gekommen, weil ich neugierig bin und weil ich gern wissen wollte - und nur zum Teil werde erfahren können - was die jungen Forscherinnen und Forscher sich vorgenommen haben, was ihnen bei der Frage "Kriege ich das hin?" und "Kriege ich das raus?" an Problemen und an Lösungen begegnet ist. Aber mir ging es mit meinem Besuch auch um ein anderes Signal, und das will ich mit wenigen Sätzen zu beschrieben versuchen:

Nicht erst in der Nachkriegsgeschichte gibt es alle zehn Jahre eine Welle, in der über die "Jugend von heute" geredet wird. Das fing an in den fünfziger Jahren mit dem Buch vom Helmut Schelsky über die skeptische Generation, dann war es in den Sechzigern die Frage nach der revoltierenden Jugend. So ging das immer weiter.

Wenn man heute vieles über Jugend liest, dann hat man den Eindruck, da wächst eine Generation heran, bei der ist Schulterzucken die lebhafteste Bewegung, derer sie fähig sind. Ich finde, es gibt Gegenbeweise, und einer der besten und bewährtesten und strahlendsten ist "Jugend forscht". Darum bin ich gekommen.

Es gibt nicht nur "Jugend forscht". Es gibt im Augenblick einen Wettbewerb zur Integration Deutscher und Nichtdeutscher, den der Bundespräsident mit der Bertelsmann-Stiftung betreibt: 1.300 Einsendungen innerhalb von drei Monaten! Es gibt den Wettbewerb Schul­partnerschaften zwischen Ost und West: Eine lebhafte Beteiligung. Ich möchte gern, dass sich herumspricht: Die jungen Menschen in Deutschland sind hellwach, sie sind nicht getrübt durch Lethargie. Es gibt viele Wache und viele Neugierige, und ihr Forschen macht Sinn und hat Erfolg.

Nicht alles hab ich verstanden beim Einlesen in das, was Sie in den letzten Monaten zustande gebracht haben. Ich war nicht nur neugierig, ich war nicht nur bewundernd, ich war gelegentlich auch unverständig: "Zerlegungsäquivalenzen in Ebene und Raum", das hat sich mir genauso wenig bisher entschlossen wie "Transientenerfassung im Energienetz mit Auf­zeichnung am PC", obwohl ich einen habe.

Vieles auf der Liste verstehe ich aber gut und finde ich ausgesprochen spannend: Ich habe erfahren, was sich von Schwanenflügeln für den Bau von Transportflugzeugen lernen lässt, und warum die grünen Ampelmännchen laufen lernen sollten. Ich hab noch nicht verstanden, was wir hier heute morgen gesehen haben, wie das in Wirklichkeit geht. Aber ich weiß jetzt auch mehr darüber, wie man Gabelstapler so ausbremst, dass sie nicht umkippen, und ich habe gelernt, dass ein wirklich intelligentes Haus selbständig die Fenster schließt, wenn es zu regnen anfängt. Da ziehe ich hin!

Ich finde, allen Projekten bei "Jugend forscht" - denen, die man versteht oder erahnt und denen, bei denen man selber mit den Schultern zuckt - ist anzumerken, mit wie viel Engagement sie erarbeitet worden sind und wie viel Spaß das gemacht hat. Das macht neugierig auf die jungen Forscherinnen und Forscher. Darum wollte ich eigentlich einige davon heute hier kennen lernen. Das wird nicht gehen, weil andere Termine mich wegrufen.

Woran erkennt man gute Forscherinnen und Forscher? Sie haben Grips, sie sind neugierig und sie haben Selbstvertrauen. Sie lassen sich von Rückschritten und Rückschlägen nicht ent­mutigen, sie sind teamfähig, sie haben Sportsgeist, denn sie stellen sich mit ihren Erkennt­nissen und Ergebnissen der Kritik und dem Wettbewerb. Darüber freue ich mich.

Besonders froh bin ich darüber, dass ich einen Sonderpreis für eine außergewöhnliche Arbeit überreichen darf. Alle Arbeiten sind außergewöhnlich, aber diese eben noch stärker und noch mehr: Die Jury hat eine völlige neue sicherheitstechnische Lösung bei Tunnelbränden ausge­zeichnet. Wir alle wissen, mit welch tödlichen Gefahren solche Tunnelbrände verbunden sein können. Darum gratuliere ich den Schülern Daniel Juncker, Christian Arm und Andreas Hofmann aus dem Saarland zu diesem Sonderpreis und sage zugleich einen herzlichen Glückwunsch an alle, die gleich ausgezeichnet werden.

Jetzt bitte ich diese drei, Daniel Juncker, Christian Arm und Andreas Hofmann, zu mir, damit ich ihnen den Sonderpreis des Bundespräsidenten überreichen kann. Ihnen allen wünsche ich noch einen guten Tag.

Ich gratuliere allen, die heute einen Preis bekommen, und den anderen, die in den Bundes­wettbewerb gekommen sind und keinen Preis bekommen, würde ich doch ganz gerne eine Erinnerung aus meiner Schulzeit weitergeben: Sören Kierkegaard, der große dänische Philosoph, hatte den größten Erfolg mit einem Buch, dem hatte er vorangesetzt die Worte: "Nicht gekrönt von der Königlichen Akademie der Wissenschaften in Stockholm". Also, ein Blick nach Schweden auf einen dänischen Philosophen: Auch nicht Gekrönte können majestätisch sein.