Ansprache von Bundespräsident Johannes Rau bei der Konferenz 40 Jahre Konrad-Adenauer-Stiftung

Schwerpunktthema: Rede

Berlin, , 24. Juli 2002

Ansprache von Bundespräsident Johannes Rau bei der Konferenz zum Thema "Zukunft demokratisch gestalten – Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, soziale Gerechtigkeit" aus Anlass des vierzigjährigen Jubiläums der internationalen Arbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung

Rede von Bundespräsident Johannes Rau bei der Konferenz 40 Jahre Konrad-Adenauer-Stiftung

I.

Vierzig Jahre weltweite Arbeit für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, für Menschenrechte und für soziale Gerechtigkeit – das ist wirklich ein Anlass, auch für den Bundespräsidenten, Stiftung zu gratulieren und für ihr Engagement zu danken.

Dieser Erfolg ist, wir haben es gehört, vor allem das Verdienst Ihrer Mitarbeiter in aller Welt. Auch ihnen möchte ich besonders herzlich danken. Sie haben in ihrer täglichen Arbeit vor Ort erfahren, was Armut, Hunger, was Ausbeutung, Unterdrückung und fehlende Bildungschancen bedeuten und wohin sie führen können. Deshalb ist eine internationale Koalition für Demokratie und Menschenwürde in aller Welt genauso wichtig, wenn wir in Sicherheit leben wollen, wie die internationale Koalition gegen den Terrorismus.

II.

Wie viel hat sich in diesen vierzig Jahren verändert! Welche historischen Umbrüche haben wir erlebt, wie viel Wandel hat auch die Adenauer-Stiftung begleitet und manches mal auch mitgestaltet!

Welchen Weg die internationalen Beziehungen genommen haben, wird deutlich, wenn wir an das Jahr 1962 zurückdenken, als das damalige "Institut für Internationale Solidarität" seine Arbeit begann. Ost und West standen sich im Oktober in einer dramatischen Konfrontation gegenüber. Die Welt sah sich am Abgrund einer nuklearen Katastrophe. Es war die Zeit der Kuba-Krise.

Verantwortliche Politiker in West und Ost haben den Weg zurück vom Abgrund gefunden. Sie mussten allerdings zu manch entscheidendem Schritt auch gedrängt werden - durch den mutigen Protest einiger weniger, der weltweit Beachtung gefunden hat, oder durch den Druck großer Bewegungen. Der Heiße Krieg wurde damals abgewendet, und auch der Kalte Krieg ging schließlich zu Ende. Dialog und Rüstungskontrolle haben die Oberhand über Konfrontation, Dominanzstreben und Aufrüstung gewonnen. Letztlich war es die friedliche, die demokratische Revolution der Hunderttausende, die die Spaltung Europas überwunden hat, es war die Revolution der Menschen in Mittel-Ost-Europa und in der Sowjetunion, die in Freiheit leben wollten.

1962, das war auch die Zeit, in der die Menschen in Afrika begannen, ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen und das Zeitalter des Kolonialismus zu beenden. Mit diesem Aufbruch waren große Hoffnungen verbunden, bei weitem nicht alle haben sich erfüllt.

In diesen vier Jahrzehnten haben auch in Asien und in Lateinamerika immer mehr Staaten den Weg zu einer demokratischen Verfassung gefunden oder zurückgefunden. Und wir sollten auch nicht vergessen, dass es auch im Westen und im Süden Europas in diesen vier Jahrzehnten noch Diktaturen gab.

III.

Demokratie und freiheitliche Lebensform haben im vergangenen Jahrhundert im Existenzkampf gegen die Herausforderungen zweier totalitärer Systeme gestanden. Gegen beide hat sich die Demokratie durchgesetzt. Heute, am Beginn eines neuen Jahrhunderts, bekennen sich mehr Staaten als je zuvor zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

Als die Stiftung gegründet wurde, war John F. Kennedy amerikanischer Präsident. Er rief bei seinem Amtsantritt zum "Kampf gegen die Feinde der Menschheit: Tyrannei, Armut, Krankheit und Krieg" auf. Wir stehen noch heute in diesem Kampf. In vielen Teilen der Welt beginnen demokratische Staats- und Gesellschaftsformen überhaupt jetzt erst, Fuß zu fassen. Sie bleiben bedroht, und sie brauchen unsere Unterstützung. Viele Menschen meinen immer noch – trotz anderer geschichtlicher Erfahrungen –, Demokratien seien schwach und entscheidungsunfähig, ein autoritärer Staat sei eben besser in der Lage, Probleme erfolgreich zu regeln.

IV.

Demokratie lässt sich nicht verordnen, man kann sie nur fördern. Das haben die Stiftungen sich zur Aufgabe gestellt. Wer wüsste deshalb besser als sie, dass es sich dabei um das Bohren besonders dicker Bretter geht, um ein Wort von Max Weber aufzugreifen. Demokratie zu fördern, das ist oft genug ein mühseliges Geschäft. Das erfordert langen Atem, und Erfolge sind oft nur schwer messbar. Demokratisches Handeln sieht sich auch ständig der Kritik ausgesetzt – das gehört zu ihrem Wesen, das ist die Folge ihrer Offenheit. Menschen, die lange in Unfreiheit gelebt haben, erwarten, dass plötzlich alles ganz anders, dass alles besser wird. Sie erhoffen sich zu viel und sind dann enttäuscht, wenn der Alltag grau bleibt.

Für Demokratie, meine Damen und Herren, gibt es keine Blaupausen. Es gibt nicht das eine Modell, das sich zur weltweiten Anwendung empfiehlt. Das zeigt unsere eigene Geschichte. Die deutsche Demokratie, die nach 1945 entstanden ist, ist eben keine Kopie der demokratischen Regierungsformen der damaligen Siegermächte. Jedes Land muss seinen eigenen demokratischen Weg finden und muss sich für eine Verfassung entscheiden, die seinen Traditionen, seinen geschichtlichen Erfahrungen entspricht.

Wir müssen allerdings auch die demokratische Strukturen und die demokratisch getroffenen Entscheidungen in anderen Ländern grundsätzlich respektieren - und nicht nur dann, wenn sie uns passen. Es widerspricht den Prinzipien der Demokratie, in anderen Ländern bestimmte Entscheidungen erzwingen zu wollen. Menschen, die das Gefühl haben, ihre demokratischen Strukturen stünden zur Verfügung angeblich höherer Interessen, die können an der Demokratie zweifeln oder gar verzweifeln. Wo kein Vertrauen wachsen kann, dass Demokratie und Rechtsstaat im Interesse der Menschen und des eigenen Landes sind, da bekommen nationalistische, autoritäre oder fundamentalistische Strömungen Zulauf. Das gilt gerade in Ländern, die erst am Beginn einer freiheitlichen Verfassung stehen.

Gelegentlich hört man die These, bestimmte Völker oder Staaten oder Kulturen seien zur Demokratie gar nicht fähig oder die Demokratie sei Teil westlicher Ideologie. Das ist falsch. Wer das behauptet, der übersieht oder der bestreitet, dass es im Kern doch immer darum geht, dass die Stimme jedes Einzelnen gilt, dass jeder die Chance hat, auf sein Geschick und auf das seines Landes Einfluss zu nehmen. Diesen Wunsch gibt es aber überall auf der Welt. Alle Menschen wollen in Würde leben, alle wollen frei sein von Hunger und Armut, alle wollen eine möglichst gute Ausbildung.

All das heißt aber nicht, dass alle Menschen so leben wollen oder so leben sollten wie bei uns in Westeuropa oder wie in den Vereinigten Staaten von Amerika. Darum ist es richtig, dass die Stiftungen nicht als Lehrmeister auftreten, sondern mit Partnern zusammenarbeiten, die die Besonderheiten und die Traditionen ihres Landes kennen und respektieren.

Viele von Ihnen haben das als Mitarbeiter der Büros in der täglichen Arbeit erlebt und dadurch gelernt, die Welt nicht nur aus einem Blickwinkel zu sehen. Diese Erfahrungen haben Sie mit nach Deutschland gebracht, Sie haben damit unser Land bereichert.

V.

Demokratie zu fördern ist eine Aufgabe mit vielen Facetten. Das heißt: Beim Aufbau von Ministerien, von Parlamenten, einer unabhängigen Justiz helfen, Parteien, Interessengruppen beraten. Das alles ist notwendig. In erster Linie braucht eine Demokratie aber überzeugte Demokraten.

Darum ist die Bildungsarbeit der Stiftungen ganz besonders wichtig. Arbeit mit Studenten, mit Gewerkschaftern, mit jungen Lehrern, die das, was sie gelernt haben, weitergeben: Das schafft die Voraussetzungen dafür, Demokratie und demokratische Überzeugungen auf Dauer zu verankern.

Demokratie braucht Meinungsfreiheit, und sie braucht Pluralismus: Gut ausgebildete Bürgerinnen und Bürger wollen eine lebendige Presse lesen, sie sind kritische Zuhörer und Zuschauer, sie lassen sich nicht mit vorgestanzten Phrasen abspeisen. Das habe ich selber in einem armen Land wie in Mali in diesem Jahr erlebt, wo der Hunger nach Informationen groß ist und wo es viele unabhängige Zeitungen und Radiostationen gibt. Das hat mir gezeigt: Meinungsfreiheit ist nicht an Wohlstand gebunden.

Demokratie ist aber mehr als die Herrschaft der Mehrheit, und sei sie in freien und fairen Wahlen zustande gekommen. Demokratie braucht auch den Schutz von Minderheiten und von Menschen- und Bürgerrechten.

VI.

In vielen Ländern der Welt haben Frauen eine herausragende Rolle dabei gespielt, das Bewusstsein für Missstände und für nötige Reformen zu schärfen und den Weg zur Demokratie zu ebnen.

Es waren "die Mütter der Verschwundenen", die Argentinien geholfen haben, den Weg zurück zur Demokratie zu finden. Es waren und sind die Mütter der jungen wehrpflichtigen russischen Soldaten, die in Tschetschenien kämpfen müssen, die zu den entschiedensten Kritikern dieses Krieges gehören. In Birma und in Guatemala, in Ostafrika und in Nordirland sind mutige Frauen dafür eingetreten, dass Krieg und Entrechtung, dass Misshandlung und Unterdrückung endlich aufhören. Wer je in Afrika ein Entwicklungsprojekt betreut hat, der weiß: Auf die Frauen kommt es an.

In vielen Teilen der Welt sind Frauen nach wie vor vom politischen Leben völlig ausgeschlossen. Darum gibt es in der politischen Bildungsarbeit für Frauen sehr viel zu tun. Daher freue ich mich, dass sich die Stiftungen dieses Themas inzwischen stärker annehmen. So finanziert das Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Ramallah die einzige palästinensische Frauenzeitung.

VII.

Die politischen Stiftungen, meine Damen und Herren, wie wir sie in Deutschland kennen, sind weltweit einzigartig. Anfangs haben die jeweiligen Regierungen sie teilweise beargwöhnt. Es wurde ihnen vorgeworfen, eine Neben- oder Parteiaußenpolitik zu betreiben. Heute will niemand mehr auf ihre Arbeit und auf ihre Beiträge in der deutschen Außen- und Entwicklungspolitik verzichten.

Außenpolitik, das war früher ausschließlich eine Angelegenheit der Staaten. Das hat sich geändert. Immer mehr gesellschaftliche Gruppen arbeiten über Grenzen und Kontinente hinweg zusammen. Die Bedeutung nichtstaatlicher Organisationen wird weiter wachsen und damit auch die der politischen Stiftungen. Sie sind parteinah, aber unabhängig, sie sind nicht staatlich, aber fest in den demokratischen Strukturen unseres Landes verankert. Ich erinnere mich gern an meine Jahre als stellvertretender Vorsitzender der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Als nichtstaatliche Organisationen sind die Stiftungen in ihrem Handeln oft freier, als die Auslandsvertretungen der Bundesrepublik Deutschland das sein können. Diplomatische Rücksicht bindet sie nicht in gleichem Maße. Oft können sie eng mit Gruppen zusammenarbeiten, denen gegenüber sich der Staat und seine Vertretungen – oft aus guten Gründen – Zurückhaltung auferlegen muss. Das ist manchmal eine Gratwanderung, wer wüsste das nicht.

Die Stiftungen sind politische Einrichtungen. Deshalb sind sie nicht über jede Kritik erhaben, sie sind nicht unangreifbar. Wie schwierig ihre Arbeit sein kann, das zeigen die jüngsten Maßnahmen gegen drei deutsche Stiftungen, die in der Türkei arbeiten. Die Vorwürfe, die gegen diese Stiftungen erhoben werden, haben mit sachlicher Kritik nichts zu tun, sie sind aus der Luft gegriffen. Ich teile die Sorgen, die die Bundesregierung und der Auswärtige Ausschuss des Bundestages der türkischen Regierung übermittelt haben.

Inakzeptabel ist auch, dass Staatsangehörige des Iran, die an einer Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung in Deutschland teilgenommen haben, nach ihrer Rückkehr in die Heimat strafrechtlich verfolgt werden, und es ist kein angemessener Umgang unter Freunden, wenn israelische Sicherheitsbehörden den Repräsentanten der Friedrich-Naumann-Stiftung in Jerusalem einzuschüchtern versuchen.

VIII.

Die deutschen Stiftungen haben beim demokratischen Aufbruch der Staaten in Mittel-Ost-Europa, wir haben davon gehört, eine besonders wichtige Rolle gespielt. Die Konrad-Adenauer-Stiftung ist dort seit November 1989 mit großem Engagement tätig. Sie hat demokratische Kräfte auf allen Ebenen gefördert. Die Stiftung und die Organisationen, mit denen sie zusammenarbeitet, haben wesentlich dabei mitgeholfen, dass Demokratie und Rechtsstaat Wurzeln schlagen konnten - trotz aller Probleme, die der völlige Umbau von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft mit sich bringt. Mit dem Beitritt zur Europäischen Union und zur NATO soll diese Entwicklung erfolgreich zu Ende gehen.

Gewiss werden Sie in dem einen oder anderen Fall darüber nachdenken, ob das Engagement in anderen Ländern inzwischen nicht noch nötiger ist. Alle Ressourcen sind ja nun einmal begrenzt, und es gibt drängende Aufgaben in vielen Regionen der Welt.

IX.

Russland und die Nachfolgestaaten der Sowjetunion und des ehemaligen Jugoslawien sind solche Regionen. Hier können die Stiftungen noch erhebliche Beiträge leisten, damit demokratische Strukturen entstehen oder sich festigen.

Die Entwicklung in China, meine Damen und Herren, zeigt besonders eindrucksvoll, welch wichtige Rolle die Arbeit der politischen Stiftungen spielen kann. In der Volksrepublik steht zunehmende wirtschaftliche Freiheit neben dem politischen Monopolanspruch der Kommunistischen Partei. Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Meinungsfreiheit, das sind Fragen, die die chinesische Führung in vielem erheblich anders beurteilt als wir. Alle Erfahrungen zeigen jedoch, dass Probleme in einer Gesellschaft zunehmen, je stärker die wirtschaftliche und die politische Entwicklung auseinander klaffen.

Ich bin davon überzeugt, dass unsere politischen Stiftungen in China zu einer positiven Entwicklung beitragen können - zusammen mit ihren Partnern in Staat und Gesellschaft.

Meine Damen und Herren, viele Entwicklungen in Afrika bedrücken uns. Aber es gibt erfreulicherweise auch Veränderungen, die zuversichtlich stimmen. Moderne afrikanische Politiker stellen fest, dass die Rahmenbedingungen für einen erfolgreichen Wandel in Afrika und von den Afrikanern geschaffen werden müssen. Sie haben erkannt, Demokratie und Rechtssicherheit sind unerlässliche Voraussetzungen für eine dauerhafte und nachhaltige Entwicklung.

Das ist der Kern der "Neuen Partnerschaft für die Entwicklung Afrikas", jener Initiative, die eng mit der Gründung der "Afrikanischen Union" verbunden ist. Ausdrücklich haben die Führer der afrikanischen Staaten sich in Durban zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit bekannt.

Der Afrika-Aktions-Plan der G 8-Staaten, den sie beim Gipfel in Kanada beschlossen haben, die richtige Antwort auf diese positiven Entwicklungen gegeben. Aber noch ist es ein langer Weg, bis die "Afrikanische Union" politische Wirklichkeit wird. Viele Bemühungen müssen zusammenkommen, damit aus Afrika ein Kontinent der Hoffnung wird. Hier entsteht für die politischen Stiftungen Raum für neue, zusätzliche Aktivitäten.

Es gibt Dinge, meine Damen und Herren, die kann man nicht oft genug sagen, und deshalb sage ich auch jetzt: Vor 30 Jahren, vor 32 Jahren haben sich die reichen Staaten zum 0,7-Prozent-Ziel verpflichtet - die Älteren unter uns werden sich daran noch erinnern. Diesem Ziel sind wir heute leider noch nicht näher gekommen, trotz erfolgreicher neuer Schritte in die richtige Richtung in den vergangenen Jahren. Wir haben noch nicht einmal die Hälfte der 0,7-Prozent.

Besonders schwierig, aber auch besonders wichtig ist die Arbeit der Stiftungen im Nahen und Mittleren Osten. Hier sind die demokratischen Reformbewegungen schwach. Der Widerstand und die Ablehnung autoritärer Regime weicht zunehmend in den Fundamentalismus aus. Der jüngste Bericht im Auftrag des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen, den Experten aus arabischen Staaten verfasst haben, weist daraufhin, dass der Mangel an Demokratie die Hauptursache für gesellschaftliche und wirtschaftliche Stagnation ist.

X.

Meine Damen und Herren, was einmal als "Institut für Internationale Solidarität" begonnen hat, heißt seit langem "Konrad-Adenauer-Stiftung". Der erste Bundeskanzler hat diese Bezeichnung am Anfang gar nicht gemocht, weil sie ihm zu sehr mit dem "linken Milieu" verbunden schien. Das habe ich mit Vergnügen in dem Buch "In der Welt und für die Welt" gelesen, das mir die Stiftung dankenswerter Weise vorab geschenkt hat.

Konrad Adenauer hat entscheidend dazu beigetragen, dass Deutschland eine stabile, eine erfolgreiche, eine freiheitliche Demokratie geworden ist. Sein Name ist auch ganz eng mit der Aussöhnung mit früheren Gegnern verbunden. Das ist Teil seines Erbes, das alle Bundesregierungen nach ihm weiter getragen haben und weiter tragen müssen.

Was Konrad Adenauer im Bereich der deutsch-israelischen Beziehung gelungen ist, das grenzt an ein politisches Wunder.

Ben Gurion, von dem der Satz stammt, "Wer nicht an Wunder glaubt, der ist keine Realist," und Konrad Adenauer haben sich nur zweimal getroffen. Ihre Freundschaft ist aber ein unauslöschliches Symbol für die stabile Partnerschaft geworden, wie sie zwischen den beiden Staaten entstanden ist. Die zweite Begegnung zwischen Ben Gurion und Adenauer fand statt, nachdem beide Politiker schon aus ihren Ämtern ausgeschieden waren. Für mich gehört die Begegnung dieser beiden Patriarchen in der Dämmerung ihres Lebens, in einem bescheidenen Holzhaus in der Negev-Wüste zu den bewegendsten Bildern der Nachkriegsgeschichte des vergangenen Jahrhunderts.

Ich freue mich daher besonders darüber, dass die Konrad-Adenauer-Stiftung und andere so aktiv in Israel tätig sind. Dazu gehören jetzt auch die täglich immer dringlich werdenden Anstrengungen, die Sprachlosigkeit auf beiden Seiten zu überwinden. Für diese Friedensarbeit eignen sich die Stiftungen besonders gut, weil sie auch Büros in den palästinensischen Gebieten haben. Ich halte alle Projekte für ganz wichtig, in denen Israelis und Palästinenser trotz allem gemeinsam arbeiten. Alle wissen doch, es gibt zu einer ganz engen Zusammenarbeit in der Region keine Alternative.

XI.

Lassen Sie mich mit einem Wort zum heutigen Tag schließen. Vor heute genau 178 Jahren hat die amerikanische Zeitung "Harrisburg Pennsylvanian" die weltweit erste Meinungsumfrage veröffentlicht. Was das, vor allem in Wahlkampfzeiten bedeutet, brauche ich hier niemandem erläutern. Damals wurden 532 Bürger über die bevorstehende Wahl des amerikanischen Präsidenten befragt. Danach lag der Kandidat Andrew Jackson vor John Quincy Adams. Gewählt wurde Adams.