Grußwort von Bundespräsident Johannes Rau anlässlich der Verleihung des Deutschen Umweltpreises 2002

Schwerpunktthema: Rede

Magdeburg, , 27. Oktober 2002

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

für mich ist es wichtig, dass ich jedes Jahr den Umweltpreis verleihe, weil ich glaube, er braucht zusätzliche Resonanz. Er braucht zusätzliche Zustimmung, damit immer mehr Menschen erkennen: Wenn wir so weiter leben, wie wir leben, dann leben viele Menschen nicht mehr weiter. Das ist die weltweite Dimension dessen, womit wir es zu tun haben; das wird deutlich bei diesem Preis, der gut ausgestattet, von der größten deutschen Stiftung kommt und der diesmal hier in Sachsen-Anhalt verliehen wird, in Magdeburg.

Meine Damen und Herren, der Bundespräsident hat seine Eigenarten. Eine seiner Eigenarten ist, dass er einmal im Jahr einen Diplomatenausflug macht. Da lädt er die fast 200 Botschafter ein, ein Stück Deutschland kennen zu lernen. In diesem Jahr waren wir im September in Sachsen-Anhalt. Wir hatten vorher lange darüber diskutiert, auch der Ministerpräsident und ich: Kann man das machen, so kurz nach dem Hochwasser? Geht man da nicht besser in Gefilde, die freundlicher sind? Aber wir kamen zu dem Ergebnis: Gerade jetzt müssen Menschen aus anderen Ländern, die Deutschland kennen lernen wollen, in diese Regionen. So war ich mit mehr als 120 Botschaftern hier in Sachsen-Anhalt, gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten.

Wir haben viel gesehen und nachmittags diskutiert. Da kam auch die Frage nach dem Hochwasser. Da meldete sich der Botschafter eines Landes, das wir im Grunde mit Hochwasser und Überschwemmung ständig verbinden, nämlich der Botschafter von Bangladesh. Er fragte, ob das nicht eine Folge der Klimaveränderungen sei, das August-Hochwasser, das wir auf so schreckliche Weise erlebt haben. Aus seiner Sicht hätten diese Katastrophen natürlich etwas zu tun mit Klimaveränderungen, die wir Menschen zu verantworten haben. Ob das so ist, ich weiß es nicht. Sicher ist aber: Klimaveränderungen können zu Naturkatastrophen führen und sicher ist auch, dass die Art und Weise, wie die hochindustrialisierten Staaten heute wirtschaften, klimaverändernde Wirkungen hat. Wenn diese Wirtschaftsweise, dieser Energieverbrauch, die wir in den Industrieländern haben, überall auf der Welt kopiert und genauso gemacht würde, dann wäre unsere Welt im schlimmsten Sinne des Wortes nicht mehr zu retten.

Darum ist es wichtig, dass möglichst schnell verbindliche internationale Abkommen getroffen und umgesetzt werden. Das Kyoto-Protokoll ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Es muss möglichst bald in Kraft gesetzt werden, denn es ist überfällig.

Wir wissen, dass die Zerstörung und die rücksichtslose Ausbeutung der Natur in vielen Teilen unserer Welt auch eine der Ursachen für bewaffnete Auseinandersetzungen und für menschliches Leid gewesen ist, für Elend und Vertreibung. Darum muss jeder, der für Frieden, für Sicherheit, für eine gerechte Entwicklung auf der Welt eintritt, auch den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen im Blick haben. Der Umbau der Industriegesellschaft zu einer wirklichen Kreislaufwirtschaft, ist ein aktiver Schritt zur Friedenspolitik, auf Dauer gesehen wahrscheinlich der wesentlichste. Dabei stehen die Industrieländer in einer besonderen Verantwortung, denn ihre Aufgabe ist es unter anderem, den Umweltschutz nicht gegen die Technik, sondern mit moderner Technik voranzubringen und Beispiele zu geben.

Ich möchte gern zeigen: Umwelttechnik und Umweltforschung in Deutschland sind schon heute Beiträge zur Lösung des Problems und können das noch stärker werden. Darum habe ich im Juni diesen Jahres gemeinsam mit der "Deutschen Bundesstiftung Umwelt" zu einer "Woche der Umwelt" ins Schloss Bellevue eingeladen, in unseren Park. Da waren 160 Aussteller und rund 8000 Besucher. Ich möchte allen danken, die mir dabei geholfen haben. Ich glaube, Umwelttechnik ist in Deutschland auf einem guten und auch erfolgversprechenden Weg. Wir sollten diesen Weg unbedingt weiter gehen.

Politik muss die Rahmenbedingungen setzen und muss die Balance halten, sie darf die Wirtschaft nicht überfordern, aber sie darf sie auch nicht unterfordern. Wer das rechte Maß wahren will, der braucht neben den parlamentarischen Debatten auch wissenschaftlich fundierte Politikberatung im Umweltbereich. Das ist einer der Gründe dafür, das ich die Schirmherrschaft über den Deutschen Rat für Landespflege übernommen habe.

Wir müssen künftig noch stärker darauf achten, dass wir die unterschiedlichen Interessen der reichen und der armen Länder, von Nord und Süd, von rohstoffreichen und rohstoffarmen Ländern zusammenbringen. Auch dafür kann wissenschaftliche Beratung gute Hinweise geben.

Knapper werdende natürliche Ressourcen bergen ja auch das Risiko, dass aus dem wirtschaftlichen Interesse an Rohstoffen politische und militärische Spannungen entstehen. Ich denke da in erster Linie ans Wasser. Wenn wir das Wasser nicht als ein Gut für alle Menschen sehen, dann wird das Wasser stärker als das Öl zu einem Anlass für kriegerische Auseinandersetzungen auf der Welt werden. Das wäre nun wirklich schrecklich, wenn das Wasser auch noch die Lunte wäre, an der sich die Flamme des Krieges entzündet und das in einer Zeit, in der Milliarden Menschen keinen Zugang haben, zu sauberem Trinkwasser.

Darum sind energiesparende Technologien zu entwickeln und zu fördern. Darum müssen wir die unerschöpflichen Energiequellen viel stärker als bisher nutzen. Natürlich gibt es unterschiedliche Interessen der Staaten. Das wird immer so sein. Aber wir müssen versuchen, sie zum Ausgleich zu bringen. Darum ist es wichtig, dass es internationale Organisationen gibt, die ein Forum für den Interessenausgleich bieten. Klaus Töpfer steht an der Spitze der wichtigsten dieser Organisationen. Ich kenne ihn, als saarländischen und rheinland-pfälzischen Politiker und als Bundespolitiker. In Wirklichkeit ist er Nordrhein-Westfale, er gibt es nur nicht überall zu. Das ist ein Mann, der weltweit mithilft, aus einer heillosen Welt eine Welt zu machen, die heil werden kann; nicht in dem Sinne, dass alles schön und alles gut ist, aber doch in dem Sinne, das es besser wird, als wir es heute haben. Darum bin ich sehr froh darüber, dass er heute den Umweltpreis bekommt. Er hat viele Impulse gegeben für den Ausgleich zwischen Ökonomie und Ökologie, in ganz unterschiedlichen Funktionen: als Hochschulprofessor, als Umweltminister. Ich will das nicht alles noch einmal aufzählen. Wir haben ihn ja eindrucksvoll gehört.

Dass das Unternehmen, das ausgezeichnet worden ist, das Ihre, Herr Dr. Lüth, in Mecklenburg-Vorpommern liegt, finde ich ganz besonders schön. Wir müssen nun endlich dafür sorgen, dass der Eindruck wegkommt, als seien die modernen und die hochtechnologischen Industriespitzenprodukte nur in den sogenannten alten Ländern. Als Nicht-Chemiker habe ich das bewundert, was ich hier mitbekommen habe und ich hoffe, dass es auch Markt gewinnt, Zuspruch gewinnt, dass Sie Gewinne dabei machen. Die Politiker der verschiedenen Parteien sind ja nicht gegen Gewinne, sie sind nur für unterschiedliche Besteuerung der Gewinne. Da liegt das Problem.

Ich bin froh, dass ich hier sein konnte. Ich freue mich, dass Sie mir zugehört haben. Herzlichen Dank.