Grußwort von Bundespräsident Johannes Rau beim Empfang für die Mitglieder des Bundesvertretertages des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge

Schwerpunktthema: Rede

Schloss Bellevue, , 21. November 2002

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

lieber Herr Lange,

ich sehe um mich viele Gesichter, die ich schon seit langem kenne. Seien Sie alle herzlich willkommen!

Sie haben Ihre Vertreterversammlung hier in Berlin und ich habe gern die Gelegenheit ergriffen, um Ihnen aus diesem Anlass ein Wort herzlichen Dankes für Ihre Arbeit zu sagen.

Bevor ich das Amt des Bundespräsidenten antrat, hatte ich ein Gespräch mit Richard von Weizsäcker, der mir damals sagte: Irren Sie sich nicht, das Amt ist zu über fünfzig Prozent Außenpolitik. Ich hab das nicht geglaubt. Wenn ich jetzt den Kalender ansehe, sind es fast siebzig Prozent. Es gibt kaum eine Reise ins Ausland, bei der ich nicht mit dem Volksbund zu tun habe, bei der ich nicht einen Soldatenfriedhof besuche, bei der ich nicht einen Kranz niederlege. Überall treffe ich vor allem junge Menschen, die sich für die Friedensarbeit der Kriegsgräberfürsorge einsetzen.

Dafür möchte ich Ihnen herzlich danken, denn Sie leisten einen unverzichtbaren Beitrag dafür, dass das Gedenken an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft gepflegt wird, als Beitrag zur Verständigung und Versöhnung zwischen den Völkern und zum Frieden. Sie helfen mit, dass würdige Stätten der letzten Ruhe entstehen und dass es immer mehr Angehörige gibt, die endlich Gewissheit haben über das Schicksal ihrer Lieben. Wer im Augenblick die Stalingradbriefe morgens hört im Deutschlandfunk, den begleitet das den ganzen Tag.

Der Volksbund führt Menschen aller Nationen und Jung und Alt zusammen im gemeinsamen Bekenntnis zu Frieden und guter Nachbarschaft.

Anfang September war ich in Russland. Da habe ich gemeinsam mit Ihnen, Herr Präsident Lange, und mit dem Gouverneur des Gebiets Welikij Nowgorod, Herrn Prussak, Kränze am Zentralen Mahnmal für sowjetische Opfer des Zweiten Weltkrieges und auf dem deutschen Soldatenfriedhof in Pankowka niedergelegt. Da haben inzwischen 3.400 Soldaten ihre letzte Ruhestätte gefunden. Es war das erste Mal, dass ein so hochrangiger russischer Vertreter an einer Totenehrung auf einem deutschen Soldatenfriedhof teilnahm.

Ich kann nur schwer beschreiben, mit welchen Gefühlen ich an diesen Gräbern am Wolchow gestanden habe: in Trauer über das sinnlose Leid, aber auch froh darüber, dass nun auch in Russland die deutschen Gefallenen würdig bestattet werden und dass Deutsche und Russen jetzt gemeinsam aller Toten gedenken können. Das zeigt, dass beide Völker miteinander in den letzten Jahren einen guten Weg zurückgelegt haben.

Dazu haben auch Sie beigetragen, lieber Herr Lange!

Ihr Einsatz für die Anliegen des Volksbunds hat Maßstäbe gesetzt: rastlos tätig, beharrlich werbend, geduldig erklärend und nötigenfalls auch temperamentvoll drängend - so kennen wir Sie alle, und so haben Sie auch Ihre vielen Gesprächspartner im Ausland kennen gelernt.

Sie arbeiten schon seit Jahrzehnten für den Volksbund, aber seit 1998 tun Sie es mit besonders hohem Wirkungsgrad. Man kann durchaus sagen: Sie sind zur Stimme des Volksbundes geworden und haben ihm so manchen Weg gebahnt.

Für mich sind die Jahre Ihrer Präsidentschaft vor allem mit den großen Fortschritten im Verhältnis zu den Staaten Mittel- und Osteuropas und besonders zu Russland verbunden. Unter Ihrer Ägide ist es dem Volksbund gelungen, das deutsch-russische Kriegsgräberabkommen von 1992 immer besser zur Geltung zu bringen und es in seiner Bedeutung zu entfalten. Dafür haben Sie oft örtliche Widerstände überwinden müssen, denn in einigen Köpfen steckt leider immer noch fest das alte, schädliche Freund-Feind-Denken. Ich denke, dass der Erfolg alle Mühen lohnt. Ich habe mit Freude über die Einweihung des deutschen und des russischen Friedhofs in Rhsew gelesen. Mir ist bewusst, dass da noch längst nicht alle Probleme gelöst sind, und doch sage ich: Kann es ein hoffnungsvolleres Zeichen geben als die Frage des russischen Brautpaars an die deutschen Gäste der Einweihungsfeier: "Dürfen wir unsere Blumen auch auf den deutschen Gräbern niederlegen?"

Ich könnte noch lange erzählen von Ihrer Arbeit für den Volksbund, von unserem Zusammenwirken bei Projekten wie beim Gedenkbuch Riga-Bikernieki und von Ihrem weitgespannten ehrenamtlichen Engagement auch für viele andere gute Zwecke. Ich will das nicht tun, weil das den Rahmen der Veranstaltung überschreiten und sprengen würde.

Darum will ich meine Worte mit einer Tat beschließen:

In Anerkennung Ihrer Verdienste um unser Land, lieber Herr Lange, verleihe ich Ihnen hiermit das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland.

Herzlichen Glückwunsch, und Ihnen allen noch einmal herzlichen Dank!