Grußwort von Bundespräsident Johannes Rauanlässlich der Festveranstaltung "100 Jahre ADAC"

Schwerpunktthema: Rede

Stuttgart, , 24. Mai 2003

Kürzlich, meine Damen und Herren, war ich bei einem Verein, bei einer Organisation, die sich sozial engagiert und die ihr fünfzigtausendstes Mitglied feierte. Der Vorsitzende der Organisation gab als Ziel an, die Mitgliederzahl des ADAC zu erreichen. Ich musste ihm sagen: Dann müsst Ihr wohl so alt werden wie die Katholische Kirche ist, wenn Ihr das schaffen wollt, denn von 50.000 bis zu 14,7 Millionen, das ist eine ganz, ganz lange Strecke.

Der ADAC ist ja ein eigenartiger Verein deshalb, weil kein einziges Mitglied seine Hauptleistung in Anspruch nehmen möchte. Das kennt man eigentlich sonst nur von Versicherungen. Der ADAC ist das ja auch in gewisser Weise, eine Versicherung gegen den Stillstand. Es ist gut, dass es diese Versicherung gegen den Stillstand gibt, und mein erster Dank gilt denen, die hier oft zitiert, oft genannt worden sind, denn die Leistungen des ADAC muss ich im einzelnen nicht vortragen, die kennen Sie alle. Mein Dank gilt allen Pannenhelfern, allen Staumeldern, allen Luftrettern, allen gelben Engeln. Jeder von uns hat mit ihnen zu tun gehabt, jeder von uns hat ihre Dienste in der einen oder anderen Weise in Anspruch genommen.

Ich bin, Herr Oberbürgermeister, hier heute ein bisschen schüchtern, weil mein erstes Auto nicht aus Stuttgart kam, es war ein Opel P 4 aus dem Jahre 1952. Wenn man den Vergaser mit Mineralwasser gelegentlich abkühlte, dann fuhr der auch. Ich habe dann eine weite Strecke als Autofahrer erlebt und bin heute eher passiv tätig, was das Autofahren angeht.

Dass wir Mobilität brauchen, dass Mobilität ein elementares Bedürfnis der Menschen ist, damit wir den Arbeitsplatz erreichen, damit wir Freunde besuchen, damit wir einkaufen, in den Urlaub fahren, das hat sich herumgesprochen. Darum sollten wir Mobilität nicht kleinreden, auch wenn wir die mit ihr verbundenen Probleme kennen.

Mobilität ist ja nicht gekoppelt an bestimmte Verkehrsträger, sondern uns geht es allen darum, möglichst schnell, möglichst kostengünstig, so bequem wie möglich und so sicher und so pünktlich wie möglich Ziele zu erreichen. Da stoßen gesamtgesellschaftliche und individuelle Prioritäten gelegentlich gegeneinander, und da ist der eine oder andere von uns interessiert daran, dass der Flughafen nahe ist und gleichzeitig interessiert daran, dass er selber nicht in der Einflugschneise wohnt.

Mit diesen Problemen müssen wir uns auseinandersetzen. Ich bin froh darüber, dass der ACAC das immer wieder getan hat, dass er nicht betriebsblind ist, sondern sich in diesem Spannungsfeld sicher bewegt. Daraus sind viele gute Projekte des Clubs entstanden: Das Engagement für das bleifreie Benzin, die Initiative für den Erhalt der Alleen in den östlichen Ländern und die deutsche Alleenstraße, der große Testversuch mit Erdgasfahrzeugen und viele andere dankenswerte Initiativen, Tests und Vorschläge, die oft auch der Verkehrssicherheit und der Verkehrserziehung dienen. Auch dafür möchte ich dem ADAC herzlich danken. Ich möchte ihn bitten, sich einzumischen als einer, der Interessen wahrnimmt - auch Interessen, die mit anderen kollidieren.

Wir müssen verantwortungsvoll mit Mobilität umgehen. Wir haben in Deutschland viele Menschen auf kleinem Raum, das ergibt Probleme. Wer sich einmal vorstellt, dass die bevölkerungsreichsten Länder, etwa Indien oder China oder auch Afrika, einen Motorisierungsgrad hätten wie wir ihn in Deutschland haben, dann wäre selbst mit dem Ein-Liter-Auto das Klima auf der Welt nicht mehr zu retten.

Es ist gut, dass der ADAC teilnimmt am gesellschaftlichen Prozess, an den Auseinandersetzungen, dass er das mutig und hörbar tut, und dass seine vielen Mitarbeiter auf unterschiedliche Weise unser Leben bereichern und uns Mobilität sichern. Ich gratuliere von Herzen der Stadt Stuttgart zu diesem liebenswürdigen, jungen hundertjährigen Kind, und ich wünsche Ihnen ein wunderschönes Fest, nachdem wir festgestellt haben, der Oberbürgermeister und der Hundertjährige Kalender garantieren das Wetter gemeinsam. Da kann nichts mehr schief gehen und deshalb einen schönen Tag und ein dankbares Fest für Sie alle.