Grußwort von Bundespräsident Johannes Rau für die Ordensverleihung an Prof. Heinz Berggruen mit anschließendem Mittagessen aus Anlass seines 90. Geburtstags

Schwerpunktthema: Rede

Schloss Bellevue, , 17. Februar 2004

Anrede,

Ihr Geburtstag, lieber Heinz Berggruen, liegt ja nun schon einige Wochen zurück und ist auf vielfältige Weise begangen worden. Ich freue mich darüber, dass Sie heute hier sind und dass wir Ihren Geburtstag mit Ihnen nachfeiern können.

Ihr Geburtstag, der 6. Januar, ist schon ein besonderer Tag. Er vereint wichtige Ereignisse aus Wissenschaft, Forschung und Technik:

  • Im Jahre 1389 wurde die Universität Köln gegründet.
  • 1822 erblickte der Altertumsforscher Heinrich Schliemann das Licht der Welt.
  • 1884 meldete der Berliner Student Paul Nipkow das erste Fernsehpatent an,
  • und 1926 "hob die Deutsche Lufthansa zum ersten Mal ab".
Und auch mit Blick auf Kunst und Kultur ist der 6. Januar ein interessantes Datum:
  • 1825 öffnete in Moskau das Bolschoi-Theater seine Pforten,
  • 1838 wurde in Köln der Komponist Max Bruch geboren
  • und am 6. Januar 1914 Sie, lieber Herr Berggruen.
Manchen von Ihnen ging es in den letzten Wochen vermutlich wie mir: Heinz Berggruen ist mir immer wieder "begegnet". Nicht persönlich, sondern in den Feuilletons fast aller Zeitungen. Es ist so viel über Sie, Herr Berggruen, über die Stationen Ihres Lebens berichtet worden, dass ich davon nicht in Einzelheiten zu erzählen brauche. Sie könnten das ohnehin viel besser als ich.

Ich will mich lieber auf das beschränken, was mich besonders beeindruckt hat. Dazu gehört vor allem Ihre Rückkehr nach Deutschland. Sie haben einmal gesagt, "Der Mensch kann aus seiner Heimat vertrieben werden, die Heimat aber nicht aus dem Menschen." Das trifft wohl in besonderer Weise auf Sie zu. Dass Sie unserem Land nach Ihren Erfahrungen mit den Nationalsozialismus nicht gänzlich und auf immer den Rücken gekehrt haben, ist gewiss auf Ihre tiefe Verbundenheit mit Berlin zurück zu führen.

Dass Sie bei Ihrer Rückkehr auch noch Ihre Kunstsammlung mitgebracht und sie schließlich Ihrer Heimatstadt Berlin überlassen haben, das habe ich als eine überaus großzügige und noble Geste verstanden, die mich tief berührt hat.

Manch einer konnte oder wollte diesen Entschluss nicht verstehen und hat Sie dafür kritisiert. Ich bin gewiss: Sie haben sich richtig entschieden! Ich bin sehr froh darüber, dass Ihre Sammlung in Berlin, im Stülerbau, ihren Platz, ihre Heimat gefunden hat.

Wie interessant, wie attraktiv diese Sammlung ist, das beweisen auch die zahlreichen Besucher, die die Sammlung Berggruen in den vergangenen Jahren gesehen haben. Meine Frau hatte vor einigen Wochen das Glück, dass Sie ihr Ihre Sammlung selber gezeigt und von den Bildern erzählt haben.

Ihre Sammlung, Herr Berggruen, ist eine unübertroffene Bereicherung der Berliner Museumslandschaft. Sie strahlt weit über die Grenzen der Stadt hinaus. Sie ist eine Institution der Kunst der Klassischen Moderne in Deutschland.

Angesichts Ihrer Verdienste als Kunstsammler und Kunstmäzen, lieber Herr Berggruen, übersehen wir oft, dass Sie schon in jungen Jahren ein sehr erfolgreicher Journalist waren. Mit achtzehn Jahren haben Sie Buchrezensionen für die Sendung "Jugendstube" des Berliner Rundfunks verfasst. 1935, also vor fast sieben Jahrzehnten, begannen Sie, für das Feuilleton der "Frankfurter Zeitung" zu schreiben. Damit sind Sie gewiss der dienstälteste Feuilletonautor der Vorläuferin der heutigen "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".

Eine Karriere als Journalist entsprach wohl nicht so recht den Vorstellungen Ihrer Mutter. "Was willst Du werden? Journalist? Das ist nichts Rechtes. Es sei denn, Du wirst Chefredakteur oder Herausgeber oder beides." Das berichten Sie von Ihrer Mutter Meinung über Journalisten.

Sie sind weder Chefredakteur noch Herausgeber geworden. Wer, wie Sie, das Glück hatte, so großartigen Künstlern wie Frida Kahlo, wie Pablo Picasso, Joan Miró und Henri Matisse zu begegnen, dessen Weg war wohl als Galerist, als Kunsthändler und Kunstsammler vorgezeichnet.

Dass aus einem erfolgreichen Kunsthändler ein leidenschaftlicher Kunstsammler wurde, ist nicht ungewöhnlich. Dass aber dieser Sammler, der all seinen Kunstsachverstand und die Arbeit vieler Jahre in seine Sammlung gelegt hat, sein Lebenswerk seiner Heimatstadt überlässt, das ist schon etwas ganz besonderes.

Damit haben Sie, lieber Herr Berggruen, Berlin und unser Land um Kunstschätze ersten Ranges bereichert. Das verdient unseren Dank und unsere Anerkennung. Ich möchte daher die Gelegenheit nutzen und Sie heute mit dem Großen Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland auszeichnen. Diese Auszeichnung ist ein Ausdruck unserer Hochachtung; einer Hochachtung, die wir einem Mann entgegenbringen, der sich um seine Vaterstadt Berlin und um die ganze Bundesrepublik Deutschland verdient gemacht hat.