Grußwort von Bundespräsident Johannes Rau beim Empfang für die Stipendiaten der Alexander von Humboldt-Stiftung

Schwerpunktthema: Rede

Bonn, Villa Hammerschmidt, , 15. Juni 2004

Meine Damen und Herren,

herzlich willkommen im Park der Villa Hammerschmidt! Manche von Ihnen haben meine Frau und ich eben schon gesehen, als wir durch die Lüfte kamen. Ich freue mich darüber, dass heute Wissenschaftler aus aller Welt bei uns zu Gast sind, und besonders freue ich mich darüber, meine Damen und Herren, dass Sie Ihre Partner und die Kinder mitgebracht haben.

Die Humboldt-Familie bietet nicht nur ein reiches Netz an wissenschaftlichen Kontakten, die sich über die ganze Welt verteilen und die mithelfen, das Ideal einer Wissenschaft Wirklichkeit werden zu lassen, die die nationalen Grenzen überschreitet. Die Humboldt-Familie ist eine richtige Familie, mit engen persönlichen Bindungen, die weit über das kollegiale Miteinander hinausgehen.

Sie alle, meine Damen und Herren, sind für einen längeren Forschungsaufenthalt hier nach Deutschland gekommen, Sie möchten mit deutschen Wissenschaftlern und Kollegen aus vielen anderen Ländern zusammenarbeiten und die Angebote der deutschen Wissenschaftslandschaft nutzen. Das ist noch etwas ganz anderes als der Austausch mit Fachleuten bei einer internationalen Konferenz. Ihr Forschungsaufenthalt hier bringt mit sich, dass Sie sich auch auf Deutschland und auf seine Menschen einlassen. Darum bin ich froh darüber, dass viele von Ihnen mit ihren Familien gekommen sind. Da muss eine neue Wohnung gesucht werden, die Kinder müssen sich in die Kindergärten und Schulen einleben und neue Freunde finden, und alle müssen eine neue Sprache lernen. Das ist gewiss nicht immer leicht.

Aber Sie werden reich belohnt. Sie sammeln während Ihres Aufenthalts in Deutschland nicht nur wichtige fachliche Erkenntnisse. Sie erwerben sich weitere Verdienste in der Wissenschaft und Sie knüpfen auch persönliche Beziehungen, die oft ein Leben lang halten, und Sie gewinnen einen tiefen Einblick in die Kultur unseres Landes und die Eigenheit der Menschen, die hier leben.

Ganz gewiss werden Sie immer wieder auch an Grenzen stoßen. Vielleicht werden Sie nie ganz warm mit der deutschen Sprache, aber vielleicht machen Ihnen auch ganz andere Dinge Sorgen: das Wetter, die deutsche Küche oder dass es in Deutschland keine allgemeine Tempobegrenzung auf Autobahnen gibt. Ich wünsche Ihnen aber, dass Sie diese Grenzen nicht als unüberwindliche Hindernisse erleben, sich in Deutschland alles in allem wohl zu fühlen.

Neue Erfahrungen machen das Kennen lernen anderer Länder so reizvoll: Dass man sie in ihrem Anderssein erlebt und lieben lernt, einiges davon gerne mit nach Hause nimmt, anderes nicht.

Darum freue ich mich darüber, dass ich Sie heute hier begrüßen kann. Das zeigt: Deutschland ist nach wie vor ein weltweit angesehener und beliebter Partner in den Wissenschaften. Sie alle sind in Ihren jeweiligen Fachgebieten sehr erfolgreich, und darum hat die Alexander von Humboldt-Stiftung Sie zu Forschungsaufenthalten nach Deutschland eingeladen. Sie sind dieser Einladung gefolgt, weil Sie - so hoffe ich - davon überzeugt sind, Ihre Arbeiten in Deutschland entscheidend voranbringen zu können. Die guten Erfahrungen und die vielen Kontakte, die Sie anschließend mit nach Hause nehmen werden, bereichern wiederum dort nicht nur Ihre Arbeit, sondern die ganze Wissenschaftslandschaft.

Das Gleiche gilt übrigens für deutsche Wissenschaftler, die ins Ausland gehen. Neue Studien zeigen uns, dass viele von ihnen früher oder später nach Deutschland zurückkehren und hier zu wichtigen Impulsgebern für die Wissenschaft werden. Deshalb halte ich es für falsch, von "brain drain" zu sprechen, wenn Wissenschaftler ins Ausland gehen. Tatsächlich ist es ein reger Austausch, ohne den die Wissenschaften heute gar nicht mehr auskämen.

Die Humboldt-Familie lebt vom Austausch, und die Verständigung zwischen Wissenschaftlern verschiedener Nationen und Kulturen ist ihr Hauptanliegen. Dafür danke ich ihr.

Meine Frau und ich verabschieden uns in vierzehn Tagen aus dem Amt. Wir haben dann 76 Auslandsreisen gemacht und 29 Staatsbesuche. Wo immer es möglich war, haben wir uns mit Humboldt-Stipendiaten getroffen, in allen fünf Erdteilen. Keines dieser Treffen haben wir bereut. Wir hoffen von Herzen, dass auch Sie Ihre Zeit in Deutschland nicht bereuen.

Herzlich Willkommen!