Grußwort anlässlich der Verleihung des Großen Verdienstkreuzes mit Stern und Schulterband an Herrn Professor Dr. Walter Kardinal Kasper und Herrn Generalsekretär a.D. Professor Dr. Konrad Raiser

Schwerpunktthema: Rede

Berlin, , 17. Juni 2004

Meine Damen und Herren,

herzlich willkommen hier in der Pacelliallee, dem Notquartier des Bundespräsidenten während der Renovierung des Schlosses Bellevue. Für viele von Ihnen war das eine weite Anreise. Dass wir in diesem Kreis so zusammen sein können, ist schon ein Geschenk - die anderen sind alle beim Katholikentag. Wären sie da nicht, dann würden sie heute im Kalender prüfen, was denn mit dem 17. Juni sonst noch alles zusammenhängt.

Vor 51 Jahren war der 17. Juni 1953, aber wenn man das umdreht, vor 15 Jahren, da war eine Bischofswahl. Da wurde der heutige Kardinal Kasper zum Bischof geweiht, genau heute vor 15 Jahren. Dass Sie an so einem Tag so viele Protestanten um sich ertragen, das ist ein Anlass zu heller Freude.

Ich möchte natürlich gute Wünsche nach Ulm sagen, ich kann da diesmal nicht hin, weil hier in Berlin noch soviel an Abschied zu nehmen ist, aber ich finde, es ist ein schöner Tag, dass wir heute mit der Ehrung zweier Menschen Ermutigung für Ökumene zeigen und aussprechen können.

Der Ökumenische Kirchentag im vergangenen Jahr war ein großartiges Ereignis. Es gab zwar manche Stolpersteine, und es gab das eine oder andere Missverständnis. Manches konnte ausgeräumt werden, manches ist stehen geblieben. Wenn man aber überlegt, was wir in den letzten zehn Jahren an Gemeinsamkeit der Christen in Deutschland erlebt und erreicht haben, dann finde ich, ist dies ein Tag, an dem man dankbar gestimmt sein kann und ermutigt sein kann für die Phase, die jetzt vor den beiden Kirchen liegt.

Wir ehren heute zwei Männer, ohne die die ökumenische Bewegung in Deutschland und auch weltweit nicht so wäre, wie sie ist und wir haben ihnen beiden viel zu verdanken.

Kardinal Kasper ist einer der führenden deutschen Theologen und internationalen Religionswissenschaftler. Er war erst in Münster, danach in Tübingen; 1971 spielte er bei der Würzburger Synode eine herausragende Rolle. Die Präsidentin der Synode war, glaube ich, Hanna-Renate Laurien, eine evangelische Pastorentochter. Was es nicht alles gibt!

Dann wurden Sie, lieber Herr Kardinal, 1979 Vertreter Ihrer Kirche in der Kommission "Glaube und Kirchenverfassung" des Ökumenischen Rates in Genf. Ich denke, Sie beide - Herr Raiser und Herr Kardinal Kasper - kennen sich aus dieser Zeit.

Als Sie Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart waren, haben Sie den Dialog zwischen Staat und Kirche kritisch und immer konstruktiv gestaltet. Der ökumenische Dialog war Ihnen besonders wichtig. Wenn ich nicht irre, war das in einem Kirchengebiet, in einer Diözese, in der es unterschiedliche Konkordate gab. Sie haben mitgeholfen, dass die Kirche ihren sozialen und karitativen Auftrag wahrnahm. Die Aufwertung der Rolle der Frau, die Stellung der wiederverheirateten Geschiedenen in der katholischen Kirche, das war für Sie theologisch und pastoral ein besonderes Anliegen - das sind Felder, auf denen noch manches zu tun bleibt.

Ihr Rat, Ihr Sachverstand waren und sind in vielen kirchlichen und weltlichen Gremien gefragt, im Inland und Ausland, in den Vereinigten Staaten, in Jerusalem, zum Glück auch in Rom. Das freut uns.

Sie haben immer wieder eindringlich vor dem Versuch gewarnt, die Kirche an die eigenen Wunschvorstellungen oder die Plausibilitäten der Welt anzupassen. Auch deshalb gelten Sie bis heute als ein Reformer, der zugleich auf Ausgleich bedacht ist.

Im März 1999 hat Papst Johannes Paul II. Sie als Sekretär des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen berufen. Sie waren für dieses Amt - wie wir alle wissen - vielfältig qualifiziert: Als Bischof, als Vorsitzender der Kommission Weltkirche, als stellvertretender Vorsitzender der Glaubenskommission der Deutschen Bischofskonferenz und als Ko-Präsident der Gemeinsamen römisch-katholischen und evangelisch-lutherischen Kommission des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen. Sie sind Mitautor des Gemeinsamen Wortes der beiden christlichen Kirchen zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland (1997) und ich gestehe, das war für mich bemerkenswerter als das letzte Wort der katholischen Kirche zur sozialen Frage. Da gibt es aber sicher unterschiedliche Auffassungen. Ich will das alles jetzt nicht im einzelnen darstellen. Ich will nur daran erinnern, dass Sie am Reformationstag 1999 in Ihrer neuen Funktion als Kurienbischof bei einem Gottesdienst in Augsburg zu den Mitunterzeichnern der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre gehört haben.

Sie wurden im Februar 2001 zum Kardinal erhoben und sind seitdem noch mehr ein "Weltreisender in Sachen Ökumene", wie es die Süddeutsche Zeitung einmal gesagt hat.

Sie haben den Kirchentag hier in Berlin nicht nur besucht, sondern intensiv begleitet. Sie haben einen richtungsweisenden Vortrag gehalten.

Auch dem Gespräch mit der russischen Orthodoxie haben Sie sich vielfältig gewidmet. Wenn wir dies Thema jetzt vertiefen, kommen wir allerdings nicht mehr zum Mittagessen...

Sie haben einmal gesagt, Herr Kardinal, dass evangelische und katholische Christen ihre Verschiedenheit als Bereicherung für den eigenen Glauben erfahren und so weiter zusammenwachsen sollten. "Diese horizontale Bewegung", so haben Sie gesagt, sei nur möglich "in der vertikalen Bewegung des inständigen Gebets um den Heiligen Geist, den Geist der Einheit und des Friedens und in der vom ihm geschenkten Liebe zu Gott und den anderen."

Deshalb freuen wir uns, dass wir Sie heute bei uns haben können und dass wir Sie auszeichnen dürfen, gemeinsam mit einem weiteren "Weltreisenden in Sachen Ökumene", Konrad Raiser, Professor, Generalsekretär a.D. Ich freue mich darüber, dass Ihre liebe Frau dabei ist, die Mitpräsidentin des Ökumenischen Kirchentages und drei Ihrer Söhne - ich habe sie noch nicht alle identifiziert, aber das kommt noch. Ich durfte Sie im ökumenischen Zentrum in Genf besuchen im Oktober 2001.

Es gibt Schnittstellen zwischen Ihnen beiden. Studienort Tübingen. Aber Kardinal Kasper war weder in Bethel noch in Heidelberg noch in Zürich. Sie, Professor Raiser, haben Soziologie und Sozialpsychologie an der Harvard University studiert, waren Vikar der Württembergischen Landeskirche und sind 1970 Doktor der Theologie in Tübingen geworden.

Seit 1969 waren Sie in vielen Funktionen im Ökumenischen Rat tätig, erst als Studiensekretär der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung, auch als Stellvertreter des damaligen singenden Generalsekretärs Philipp Potter, den ich 1960 noch als Jugendsekretär bei der Ökumenischen Jugendkonferenz in Lausanne erlebt habe. Sie sind dann 1983 einem Ruf gefolgt als Leiter des Ökumenischen Instituts in der evangelisch-theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum. Auch in dieser Zeit hatten Sie und ich häufiger miteinander zu tun.

Da muss ich einen kleinen Einschub machen. Die katholisch-theologische Fakultät in Bochum hatte mich einmal als Ehrendoktor vorgeschlagen und wollte mir gemeinsam mit der evangelisch-theologischen Fakultät den Titel verleihen. Da hat aber das Kirchenrecht dagegen gestanden. Dann wurde ich evangelischer Ehrendoktor der Theologie und kriegte eine Urkunde, unter der stand der Name des Dekans und dann stand da mit Siegel: Darüber freut sich auch die katholische Fakultät.

Das ist ein Original, dieses Dokument. Das war Bochum, da bin ich übrigens in der nächsten Woche bei der Verleihung einer theologischen Ehrendoktorwürde, die mir sehr wichtig ist, nämlich an Margot von Renesse. Sie hat viel Bedeutendes getan, um Menschen zu helfen, Menschen mit Behinderungen und anderen Menschen. Sie wird ausgezeichnet, und da will ich dabei sein. Das ist, glaube ich, richtig.

Vor 12 Jahren, lieber Herr Raiser, wurden Sie als Kandidat in das Amt des Generalsekretärs gewählt, als Nachfolger von Emilio Castro; im Januar 1993 haben Sie das Amt angetreten; sie wurden 1996 wiederwählt und blieben bis Dezember vergangenen Jahres in dieser wichtigen Funktion.

Sie haben dem Ökumenischen Rat in einer Zeit, die auch durch enormen Finanzdruck geprägt gewesen ist, neue Impulse gegeben. Ihnen war der konziliareProzess für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung ein Herzensanliegen.

In den letzten Jahren gehörte das Gespräch mit den orthodoxen Mitgliedskirchen zu den größten Herausforderungen, vor denen Sie gestanden haben, und das Thema ist ja weiter auf der Tagesordnung des Ökumenischen Rates.

Aber auch für das evangelisch-katholische Gespräch hatten Sie aus Genfer Perspektive, also aus diesem protestantisch "weltkirchlichen" Blick, ein besonderes Gespür. Bei Ihrem ersten Besuch im Vatikan sind Sie mit Papst Johannes Paul II. zusammengetroffen.

Sie waren 12 Jahre Mitglied des Präsidiums des Kirchentages, und es gibt den begründeten Verdacht, dass Sie auch am Ökumenischen Kirchentag und seiner Vorbereitung wesentlich beteiligt waren.

Ihre elfjährige Tätigkeit als Generalsekretär ist gekennzeichnet durch entschiedene und zugleich nachdenkliche Positionsbestimmungen. Sie haben sich selten zu deutscher Tagespolitik geäußert; aber bei weltpolitischen Themen wie Frieden, Toleranz und Dialog der Religionen und Kulturen haben Sie sehr deutlich Profil gezeigt. Bei der Globalisierungsproblematik, bei entwicklungspolitischen Fragen wie AIDS, Irakkrieg, Israel/Palästina, ich könnte noch viele Themen nennen, haben Sie den Ökumenischen Rat zu engagierter Stellungnahme, zu Worten des Ausgleichs, der Versöhnung und der Toleranz veranlasst. Sie sind dabei immer auch Deutscher und deutscher Theologe geblieben. So wird mit Ihrem Namen weltweites Eintreten für Frieden und Gerechtigkeit verbunden.

Ich habe von vielen Seiten gehört, dass die evangelisch-katholischen Gespräche in einer schwierigen Lage seien; weit ab von der Euphorie sei man jetzt in den Mühen der Ebene. Das kann sein. Ich finde auch, dass viele Hoffnungen noch nicht erfüllt sind, und manches Nachspiel bedrückend ist, weil es den Geist der Einheitlichkeit und der Geschwisterlichkeit noch vermissen lässt.

Um so wichtiger ist, dass Sie beide heute hier sind. Wir können hinter diesen Ökumenischen Kirchentag nicht zurück. Die gemeinsame Erfahrungen hier in Berlin werden langsam, aber sicher zu Veränderungen führen. Ich freue mich darüber.

Wenn ich diesen Kreis hier sehen, dann sage ich: Hier sind Engagierte genug, die mit dem Herzen bei der Sache sind.

Deshalb bitte ich Sie: Machen Sie weiter mit, damit die "Sache mit Gott" ernster ist als die Strukturen, in denen wir über diese "Sache mit Gott" reden.

Jetzt will ich aber dafür sorgen, dass Sie ausgezeichnete Männer werden.