Ansprache von Bundespräsident Roman Herzog aus Anlaß der Eröffnung der Hannover-Messe'96

Schwerpunktthema: Rede

Hannover, , 21. April 1996

Ganz herzlich möchte ich unsere inländischen, vor allem aber auch unsere ausländischen Gäste begrüßen, die in so großer Zahl nach Hannover gekommen sind. Mein ganz besonderer Gruß gilt unseren Freunden aus den USA, dem diesjährigen Partnerland der Hannover-Messe.

Über die großen, positiven Möglichkeiten der Globalisierung muß ich vor dem international orientierten Publikum der Hannover-Messe nicht viele Worte verlieren. Sie nutzen sie ja bereits.

Globalisierung bedeutet aber nicht das Ende aller traditionellen Partnerschaften. Sie stellt beispielsweise nicht die Existenzberechtigung der atlantischen Gemeinschaft in Frage. Im Gegenteil: Wir brauchen das atlantische Bündnis und die atlantische Partnerschaft mehr denn je.

Was die atlantische Gemeinschaft vereint, reicht ja über die militärische Zusammenarbeit weit hinaus in das politische, kulturelle und vor allem wirtschaftliche Leben. Wir sind eine Lebensgemeinschaft. Wir sind, so hoffe ich, auch eine Lerngemeinschaft. Gewiß häufen sich in jüngster Zeit die Fälle, wo sowohl in Europa wie in den USA Regelungen auf der jeweils anderen Seite des Atlantiks zu wichtigen Bezugspunkten der innenpolitischen Diskussion werden. Daß die USA in diesem Jahr Partnerland der Hannover-Messe sind, ist aber einmal mehr ein treffender Ausdruck für die Lebendigkeit unserer Beziehungen. Es findet damit zugleich ein Rendezvous wichtiger Industrienationen statt, von dem ich mir spürbare ökonomische Impulse erwarte.

Unser diesjähriges Partnerland ist nicht nur ein Seismograph sich abzeichnender Entwicklungen in der modernen Gesellschaft. Es ist ? trotz vieler eigener Probleme ? ein Reservat bewährter Tugenden: Zuversicht, Unternehmungslust, Innovations- und Pioniergeist, Freiheitsdrang, Eigenverantwortung, Bereitschaft zur Selbständigkeit. Es lohnt sich deshalb gerade für uns Deutsche, bei der Bewältigung unserer eigenen Probleme immer wieder einmal nach Amerika zu sehen.

Erstens: Der Dichter Carl Zuckmayer hat die USA einmal als ein Land bezeichnet, "dessen Leidenschaft und dessen Abenteuer die Zukunft ist". In der Tat kenne ich nur wenige Länder, die derart offen, optimistisch, lern- und wandlungsbereit der Zukunft entgegengehen wie Amerika. Von diesem Mut zur Zukunft könnten wir Deutschen lernen. Denn es gibt in Deutschland zu viele, die die Zukunft eher als Apokalypse beschreiben denn als Chance begreifen.

Ich sage deswegen: Wir brauchen in Deutschland deshalb mehr "mentale Standortfähigkeit". Wir müssen uns fragen, ob die zweifellos vorhandene Bereitschaft zum Wandel ? zum Wandel in Wirtschaft, Gesellschaft, Staat und Technik ? heute bereits ausreicht. Oder verbaut uns eine noch größere Beharrung auf Hergebrachtem und dem Liebgewonnenem, die Wege in die Zukunft?

Zweitens: Im internationalen Vergleich der Zuflüsse von ausländischen Investitionen liegen die USA eindeutig an der Spitze. Im Zeitraum von 1986 ? 1994 sind 390 Milliarden $ Investivkapital in die USA geflossen. Günstige Anlagebedingungen haben die USA zu einem starken Magneten für das internationale Investitionskapital werden lassen. Deutschland liegt hier in der internationalen Rangfolge nur noch an neunter Stelle.

Es muß sich also enorm anstrengen, um im globalen Wettbewerb um Investitionskapital wieder attraktiver zu werden. Ich gebe zu: Im vergangenen Jahr sind die Direktinvestitionen ausländischer Unternehmen in Deutschland wieder deutlich angestiegen. Aber es bleibt ein signifikanter Unterschied zu den deutschen Investitionen im Ausland, und der beunruhigt.

Drittens: Auch bei der Einstellung zum Risiko, zu Themen wie Wagniskapital und Unternehmensgründung ist die amerikanische Dynamik beeindruckend. Ein funktionsfähiger Beteiligungs- und Risikokapitalmarkt ist in den USA eine wesentliche Voraussetzung für die Entstehung und Entwicklung junger Technologieunternehmen und damit für Arbeitsplätze und Beschäftigung.

Über ein Fünftel des privaten Geldvermögens ist in den USA in Aktien angelegt. In Deutschland gibt es bei privaten Anlegern demgegenüber immer noch größte Zurückhaltung. Auch das muß sich ändernund setzt eine Mentalitätsänderung voraus.

Berufliche Selbständigkeit ist die bevorzugte Form der Selbstverwirklichung in den USA; sie schafft zugleich Arbeitsplätze und Innovationen. Demgegenüber suchen bei uns immer noch zuviele Berufsanfänger ihr Heil in einem vermeintlich sicheren, abhängigen Beschäftigungsverhältnis, am liebsten mit beamtenrechtlichen Aussichten. Aber: Nur junge, vor allem innovative kleine und mittlere Unternehmen schaffen netto, das heißt nach Abzug des Personalabbaus, wirklich neue und zusätzliche Arbeitsplätze.

Wir brauchen in Deutschland also mehr Risikobereitschaft in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, aber auch ganz konkret bei Investoren und Beteiligungsgesellschaften. Wir brauchen leichtere Möglichkeiten des Börsenzugangs ? vor allem für junge Technologieunternehmen ?. Wir brauchen mehr Bereitschaft zur Selbständigkeit, bessere steuerliche Rahmenbedingungen dafür und ? lassen Sie mich auch das sagen ? etwas innovationsfreundlichere Banken.

Viertens: Auch bei der wirtschaftlichen Freiheit und der Beweglichkeit der Entscheidungsgremien ist der Vergleich zwischen Deutschland und den USA für uns nicht immer unbedingt schmeichelhaft. Während die USA hier seit langem als Dorado für Unternehmer gelten und in allen Umfragen und Indizes zur wirtschaftlichen Freiheit und Entscheidungsfreude staatlicher Instanzen weit oben, zum Teil sogar an der Spitze rangieren, kam unser Land bei einer Umfrage unter ausländischen Fachleuten, Wirtschaftsführern und Politikern des Wirtschaftsmagazins Economist nur auf den sechsten Platz. Unter deutschen Managern rangiert unser Land sogar noch viel weiter hinten; doch mag das zum Teil auch ein Indiz für den geistigen Zustand mancher deutschen Manager sein.

Natürlich ist klar, daß die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt, der zweitgrößte Exporteur und der Spitzenreiter bei Investitions- und Umweltgütern so schlecht nicht sein kann, wie gelegentlich in der Zeitung steht. Aber wer einen Spitzenrang verteidigen will, der muß sich ein permanentes Fitnessprogramm auferlegen, um diese Stellung auch zu halten.

Ich bin stets ein Anhänger von Diskussionen gewesen und werde nicht aufhören es zu sein, auch von anfangs chaotisch erscheinenden Diskussionen. Aber heute frage ich mich manchmal: Werden in Deutschland nicht auch die neuartigsten und interessantesten Vorschläge zur Überwindung der Arbeitslosigkeit, zur Deregulierung aufwendiger Genehmigungsverfahren, zur Entlastung der Wirtschaft, zur Innovation und Invention allzu leicht zerredet und gerade dadurch gebremst? Eigentlich nur, damit man sich nichts Neues angewöhnen muß, nichts Neues lernen muß. Können die unbestrittenen. Vorteile der bei uns breit ausgebildeten Konsens- und Diskussionskultur also nicht irgendwann auch ins Gegenteil umschlagen?

Stimmen etwa die gesellschaftspolitischen Prozesse in unserem "Verbändestaat" noch? Kann der Verbandsegoismus nicht auch ein Standorthindernis sein? Sind Bürger, Verbands- und Gewerkschaftsmitglieder in Deutschland nicht vielfach bereits reform-, innovations-, aber auch opferbereiter als ihre Vertreter, als Politiker, Verbandspräsidenten und Gewerkschaftsführer? Man hat gelegentlich den Eindruck, die Leute sind viel weiter als ihren Verbandsführern von den Zentralen aufgeschrieben wird.

Fünftens: Beim Innovationsverhalten sieht der Vergleich mit Amerika nicht ganz so eindeutig aus. Entgegen manchem falschen Bild ist die gesamtwirtschaftliche Bedeutung von forschungsintensiven Industrien in Deutschland sogar größer als in den USA. Allerdings haben sich US-Unternehmen wesentlich stärker als deutsche auf die wirklichen Spitzentechnologie-Sektoren konzentriert, während deutsche Firmen vor allem bei der höherwertigen Technik dominieren.

Wir werden unsere Position im internationalen Innovationswettbewerb nur halten und ausbauen können, wenn wir die deutschen Defizite in der Mikroelektronik, der Informationstechnik und der modernen Bio- und Gentechnologie jetzt endlich ganz energisch angehen und abbauen. Der Anschluß an neue Technologien darf nicht verloren gehen.

Vor allem: Neue Produkte und Technologien müssen auch bei uns schneller auf den Markt! Warum werden Innovationen in Deutschland oft nur unter dem Druck der Verhältnisse und nicht eigenständig und offensiv eingeführt? Sie kennen alle die Beispiele der Erfindungen, vom Computer über den Mikroprozessor bis zum Fax, die bei uns erfunden, aber von unseren Wettbewerbern vermarktet wurden.

Warum wurde bei uns die Einführung des Katalysators von der deutschen Automobilindustrie noch als Jobkiller beklagt, als er für den Export in die USA schon längst entwickelt und produziert worden war?

Warum diese oft verbreitete Zögerlichkeit, dieses Mäkeln gegenüber Innovationen und neuen Technologien in Deutschland? Haben wir vielleicht in Deutschland zuviele Manager und zu wenige Unternehmer?

Es ist nun einmal eine Binsenweisheit: Ein Hochlohnland kann auf freien Märkten nur mit Produkten höchster Qualität, Neuheit und Wertschöpfung, nur bei dauerhafter Bereitschaft zum Wandel wettbewerbsfähig bleiben. Das Potential dazu ist in Deutschland vorhanden. Es muß aber entschiedener genutzt werden.

Sechstens: Über traditionelle Stärken verfügen wir offenbar beim Bildungssystem. Hier schauen die USA zum Teil sogar auf uns, etwa auf unser bewährtes System der beruflichen Bildung. Aber auch hier gilt es, neue Herausforderungen zu erkennen, die sich aus dem Stichwort Globalisierung ergeben. Wir brauchen quer durch alle Berufssparten und alle beruflichen Ebenen beispielsweise mehr Fremdsprachenkenntnisse und mehr Fähigkeiten um im technologischen Wettbewerb zu bestehen. Die gelegentlich immer noch vorhandene Arroganz akademischer Bildung ? gegenüber praktischer, technologie- und anwendungsorientierter Ausbildung ? können wir uns in dieser Zeit ganz bestimmt nicht mehr leisten.

Wettbewerb, Privatinitiative, Förderung der Leistungsträger, Praxisorientierung, Zusammenarbeit zwischen Universitäten und Wirtschaft sind allerdings wichtige Stichworte, bei denen wir von den amerikanischen Hochschul- und Universitätserfahrungen profitieren können. Wir müssen auch in Deutschland unsere jungen Menschen zu mehr Wettbewerbsfähigkeit, zur Bereitschaft zu frühzeitiger Übernahme von Verantwortung und zum Leistungsdenken erziehen.

Auch hier sind Reformansätze durchaus vorhanden. Aber auch hier gilt: Sie müssen in unseren oft schwerfälligen Entscheidungsgremien rascher umgesetzt werden. Die deutsche Wirtschaft rufe ich auf, in ihren Anstrengungen bei der Bildung und Ausbildung von Mitarbeitern nicht nachzulassen. Jede Mark, die in Ausbildung gesteckt wird, ist eine Zukunftsinvestition. Ich appelliere insbesondere an die Großindustrie, sich nicht aus ihrer Verpflichtung zur Ausbildung von Lehrlingen zurückzuziehen; es gibt durchaus Anzeichen für eine solche Entwicklung, die mir Sorge machen.

Ganz erhebliche Unterschiede bestehen zwischen den USA und Deutschland beim Wandel zur sog. Dienstleistungsgesellschaft, meinem siebten Punkt. Während in Deutschland immer noch fast 40 % aller Arbeitsplätze im produzierenden Gewerbe angesiedelt sind, arbeiten in den USA nur noch knapp ein Viertel aller Arbeitnehmer im industriellen Sektor. Wir haben gegenüber den meisten anderen Industrieländern eine "Dienstleistungsverspätung". Darin steckt gewiß auch eine positive Botschaft: daß wir uns hier noch gewaltige Potentiale ? auch an Arbeitsplätzen ? erschließen können.

Aber wir müssen uns in Deutschland unverkrampfter dem auf der ganzen Welt ablaufenden Strukturwandel zur Dienstleistungswirtschaft stellen. Und dabei muß klar sein ? was mir in der Diskussion nicht klar zu sein scheint: Das muß überwiegend in Wirtschaft und Gesellschaft geschehen. Für staatliche Planstellen ist da heute kaum mehr Raum.

Dienstleistungsarbeitsplätze sind im übrigen keineswegs nur geringqualifizierte "Billigjobs". Das zeigen die Zahlen aus den USA eindeutig. Dienstleister sind dort nicht untergeordnete "Diener", sondern selbstbewußte Anbieter wertvoller, z.T. höchstqualifizierter Arbeitsleistungen.

Die Klagen über Arbeitsplatzverluste in der Produktion dürfen also nicht die stillen Erfolge und die Möglichkeiten für neue Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor ? auch in Deutschland ? überdecken.

Achtens: Ganz erhebliche Unterschiede zwischen den USA und Deutschland bestehen natürlich bei den Sozialabgaben. Der Anteil der Sozialausgaben am Bruttosozialprodukt liegt in den USA mit gut 16 % bei weniger als der Hälfte der deutschen Quote.

Ich will mit diesen zwei Zahlen hier keinen umfassenden Vergleich ganz unterschiedlich gewachsener sozialer Sicherungssysteme und -kulturen anstellen. In den USA liegt es viel stärker als in Deutschland beim einzelnen, für seine Absicherung im Alter, bei Krankheit und Arbeitslosigkeit selber zu sorgen. Die Folge sind aber soziale Defizite, die in Deutschland nicht auf Akzeptanz hoffen könnten und die wir hier auch nicht akzeptieren sollten. Andererseits: Wir haben bei uns einen Umfang kollektiver sozialer Sicherheit erreicht, der nicht nur an Finanzierungsgrenzen stößt, sondern dessen Legitimität man durchaus auch hinterfragen kann.

Hohe Lohnnebenkosten belasten die Arbeitnehmer und machen deutsche Arbeitsplätze zu teuer für den internationalen Wettbewerb. Allzu umfassende Absicherung bremst außerdem den Mut zur Selbständigkeit. Sie dämpft die notwendigen Anreize zur Übernahme rentabler Arbeitsplätze. Sie schafft letztlich nicht mehr, sondern weniger soziale Sicherheit und damit weniger Dauerarbeitsplätze.

Sie werden mich in allen sozialen Fragen immer auf der Seite der Schwächeren finden. Aber wir kommen deshalb an der Aufgabe nicht vorbei, unser soziales Netz zu überprüfen. Vor allem müssen wir die öffentlichen Leistungen auf die wirklich Bedürftigen konzentrieren.

Auf den Prüfstand gehört dann aber gleichermaßen auch unser Subventionsstaat. Wer laut den Abbau angeblich untragbarer Soziallasten fordert, sich an anderer Stelle aber vehement für neue Subventionen und neue staatliche Wirtschaftshilfen einsetzt, verliert seine Glaubwürdigkeit nicht nur als Unternehmer, sondern auch als denkender Mensch.

Staatliche Beihilfen können unter bestimmten klaren Bedingungen, wenn sie transparent, degressiv und vor allem zukunftsorientiert sind und wenn sie den Marktprozeß nicht verzerren, durchaus eine zulässige Start- und Übergangshilfe sein, vor allem auch für die neuen Bundesländer. Wenn aber fast ein Drittel der in Deutschland gewährten staatlichen Beihilfen Erhaltungssubventionen, also vergangenheitsorientiert sind, dann brauchen wir dringend Veränderungen. Denn damit bremsen wir nur den notwendigen Strukturwandel. Damit schaffen wir letztlich wieder einmal nicht mehr, sondern weniger Arbeitsplätze. Die Subventionsdebatte läuft übrigens meiner Meinung nach falsch, weil der Bürger oft glaubt, Subventionen beträfen nur die Industrie.

Und das sind nicht die einzigen Gürtel, die nunmehr enger geschnallt werden müssen. Natürlich spielen Subventionen und Sozialausgaben in diesem Zusammenhang eine bedeutende Rolle. Aber dabei können wir, wie die Dinge heute liegen, nach meinem Dafürhalten nicht stehen bleiben. Betroffen wird auch der Arbeitsmarkt, werden auch die Arbeitslöhne sein; deshalb wünsche ich dem "Bündnis für Arbeit" oder meinetwegen auch den "Bündnissen für Arbeit" jeden guten Erfolg, mögen sie genannt werden, wie es ihren Urhebern einfällt, und mögen sie totgesagt werden, so oft es ihren klammheimlichen Gegnern in den Sinn kommt.

Vor allem aber muß auch der Staat, müssen alle öffentlichen Hände, die öffentlichen Organisationen endlich die Gürtel enger schnallen. Es reicht nicht mehr aus, daß immer nur nach dem schlankeren Staat gerufen wird und jeder sich eine andere Stelle ausdenkt, an der der Staat abspecken könnte. Schlanker werden ? ich habe es schon erwähnt ? muß der Staat in seiner Eigenschaft als Subventionsquelle. Schlanker werden muß er in seiner Eigenschaft als Verbraucher, d.h. als Betreiber auch liebgewordener Betriebe und als öffentlicher Auftraggeber. Und schlanker werden muß er vor allem in seiner Eigenschaft als Arbeitgeber, mag es da nun um die Zahl der Planstellen oder um die Höhe der Gehälter gehen. Wir werden auch hier nicht um einschneidende Maßnahmen herumkommen, und ? lassen Sie mich das in aller Deutlichkeit sagen ? auch diese Maßnahmen müssen alle treffen: Beamte, Angestellte, zumindest von der Ebene des gehobenen Dienstes an und Arbeiter, Richter und Professoren, Abgeordnete und Minister, Regierungschefs und Staatsoberhäupter. Ich lese da in der Zeitung, ich verdiene zu wenig, werde mich aber darauf nicht berufen. Im Gegenteil. Und ganz am Rande: Auch in den obersten Etagen unseres Wirtschaftslebens, Medienwesens, Wissenschafts- und Kulturlebens gibt es Gehälter, die mir unter den obwaltenden Umständen und auch bei mancher Beurteilung mancher individueller Leistung oder Nichtleistung nicht mehr ganz einleuchten. Ich sage das, damit diese Seite der Medaille nicht ganz unerwähnt bleibt.

Wir gehen schwierigen Zeiten entgegen und jeder wird seine Opfer bringen müssen. Fühlbar werden diese Opfer gewiß sein. Daß sie wirklich so schlimm sein werden, wie gelegentlich auch behauptet wird, wage ich aber zu bezweifeln. Mitte der Achtziger Jahre haben die Westdeutschen doch auch ganz komfortabel gelebt, oder? Wo wäre also die Katastrophe, wenn wir alle miteinander wieder zum Status von damals zurückkehren würden?

Unsere Kinder, unsere Enkel würden es uns danken. Und ganz nebenbei: Wir könnten wieder einmal beweisen, daß wir Deutschen noch da sind, daß wir die Kraft haben, das Notwendige zu tun, und das unser Gesellschaftssystem immer noch eines der effektivsten ist, das Menschen sich je geschaffen haben.

Die Hannover-Messe'96 ist damit eröffnet.