Ansprache von Bundespräsident Roman Herzog anläßlich der ersten Konferenz "Deutsch-Russisches Kulturforum Potsdamer Begegnungen"

Schwerpunktthema: Rede

27. April 1999

Änderungen vorbehalten. Es gilt das gesprochene Wort.

Wenn ich jetzt meiner Freude Ausdruck gebe, daß diese Begegnung stattfindet, so entspreche ich nicht nur einem Ritual der Selbstzufriedenheit. Natürlich bin ich hoch zufrieden. Ich glaube schon, wir können uns alle dazu beglückwünschen, daß die Idee, die während meines Staatsbesuchs in Rußland vor fast zwei Jahren geboren wurde, heute zur Wirklichkeit wird.

Aber ich bin nicht nur zufrieden, sondern ich bin auch besorgt; ich will es ganz unverhohlen sagen. Was in diesen Tagen im Kosovo geschieht, und wie es Rußland und Deutschland scheinbar in zwei entgegengesetzte Lager treibt, das demonstriert ja auch, wie hochpolitisch Kultur werden kann, insbesondere mißverstandene oder mißbrauchte Kultur.

Plötzlich wird uns bewußt, daß Russen und Deutsche seit der Zeitenwende von 1989 immer noch zu viel übereinander und zu wenig miteinander reden. Der Dialog zwischen unseren Ländern und Gesellschaften, besonders aber zwischen unseren Menschen wird damit zur politischen Priorität erster Ordnung. Die Kosovo-Krise zeigt, wie Religion und Kultur politisch mißbraucht werden können, wie aus Quellen der Hoffnung und des Friedens Instrumente des Hasses und der Gewalt werden können. Aber sie mahnt auch: die Politik der Ressentiments, menschenverachtende Gewalt und falsches politisches Kalkül dürfen nie wieder Keile zwischen Russen und Deutsche treiben. Immer von neuem können und müssen beide erkennen, daß ihre langfristigen Interessen ihnen ebenso gemeinsam sind wie der Kern der humanistischen Werte. Denn wir haben viele ähnliche geistige Wurzeln, aber wir haben uns unterschiedlich entwickelt. Darin liegt kein Gegensatz, sondern die Chance zur gegenseitigen Anregung. Die "Potsdamer Begegnungen" sollten zu einem Medium dieser Erkenntnis werden.

Die Notwendigkeit der Kommunikation und des gegenseitigen Kennenlernens ist heute eine humanistische, politische und kulturelle Herausforderung. Die globalen Zukunftsprobleme, die wir gemeinsam lösen müssen, nehmen an Gewicht zu. Es ist das Verdienst des Deutsch-Russischen Forums, das rechtzeitig erkannt und mit tatkräftiger Unterstützung aus Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung das "Deutsch-Russische Kulturforum Potsdamer Begegnungen" ins Leben gerufen zu haben. Mein Dank gilt auch dem Land Brandenburg als weiterem Förderer dieses Projekts. Es stärkt den Rang und Ruf des Landes und der Stadt Potsdam als Ort der internationalen Begegnung und der Toleranz.

Für das Bemühen, den anderen kennenzulernen, ist es nie zu spät. Im russisch-deutschen Verhältnis hat die gegenseitige kulturelle Attraktion schon vor Jahrhunderten begonnen. Ihre erste große Blüte hatte sie in der Zeit der Aufklärung; Lew Kopolew hat es uns immer wieder vor Augen geführt. Nichts hindert uns an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, die Saat für eine neue Blüte zu säen. Nichts zwingt uns, uns von den atavistischen Reflexen einiger enthemmter Machtpolitiker des Balkans in ein Elend treiben zu lassen, das Bilder des "Dreißigjährigen Krieges" oder des letzten Weltkrieges heraufbeschwört.

Sie, die kulturellen Eliten, haben die Chance, Sie sind aber auch herausgefordert, als geistige Kraftquellen, als Katalysatoren der Problemlösung, als Zentren zukunftsweisender Aktivitäten dem öffentlichen Leben dabei Orientierungshilfe zu geben. Selbstverständlich geht es hier nicht nur um Literatur, Musik und schöne Künste, sondern in einer Zeit des Umbruchs geht es auch um den Erfahrungsaustausch über den Aufbau von Demokratie, Rechtsstaat und moderner Wirtschaftsordnung. Es geht um die Leistungsfähigkeit von Schulen und Hochschulen, um die berufliche Qualifikation von Menschen, um die Vermittlung von Fremdsprachenkenntnissen, um Austausch von Information und um Transfers von Technik und Technologie.

Die "Potsdamer Begegnungen" eröffnen uns die Chance, die Kultur als Feld der Begegnungen zwischen den Menschen beider Völker neu zu entdecken und das in ihr schlummernde "immaterielle Kapital" zutage zu fördern. Sie sollen auch - und das ist für die Zukunft des gemeinsamen Europas wichtig - unsere Kräfte in Kultur, Politik, Wissenschaft und Information bündeln helfen. Mit anderen Worten: die "Potsdamer Begegnungen" können ein Kompaß für unseren gemeinsamen Weg in ein Europa sein, das Kraft genug hat, um für seine kulturellen und geistigen, aber auch für seine politischen und sozialen Werte in einer sich verändernden Welt einzutreten. Europa ist schließlich mehr als die Europäische Union. Rußland mit seiner Geschichte und seiner Kultur gehört unabänderlich dazu. Der geistige Spannungsbogen Europas bliebe ohne Rußland ein Torso.

Drei Gründe haben mich bewogen, die Schirmherrschaft über die "Potsdamer Begegnungen" zu übernehmen:

  • erstens, weil wir den Kulturdialog als neue Dimension einer Außenpolitik der Zukunft brauchen
  • zweitens, weil er ein unerläßlicher Beitrag zum Selbstverständnis Europa ist
  • und drittens, weil er eine der tragfähigsten Brücken zwischen Deutschland und Rußland sein kann - über alle politischen Konjunkturen und Krisen hinweg.

Ich will das kurz erläutern und mit dem Kulturdialog als neuer Dimension der Außenpolitik beginnen: Im Zeitalter der Globalisierung darf Politik nicht zu einer Restgröße globaler Wirtschaftsprozesse werden, zu einer bloßen Reparaturwerkstatt negativer Wirtschaftsentwicklungen; ich habe das schon im Januar dieses Jahres in Davos gesagt. In der globalisierten Welt verwischen sich die Grenzen zwischen Innen- und Außenpolitik. Jede Politik im weitesten Sinne, also einschließlich Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur, hat heute auch eine außenpolitische Dimension. Diese Dimension müssen wir allerdings aktivieren. Denn dann können wir die Globalität beherrschen, statt von ihr beherrscht zu werden.

Deshalb wird die Außenpolitik in Zukunft unweigerlich auch als kultureller Dialog angelegt werden müssen. Von der Peripherie rückt dieser ins Zentrum der Politik. Heute wird kein Staat mehr auswärtige Kulturpolitik aus rein nationalem Kalkül betreiben können. Eine kulturelle Außenpolitik der Zukunft muß sich am Austausch von Erfahrungen, am Lernen voneinander, am Testen zukunftsweisender, wenn auch manchmal noch unerprobter Ideen orientieren. Wir müssen also mehr als bisher anderen zuhören und von anderen lernen. Das gilt seit der politischen Wende in Europa besonders auch im Verhältnis zu unseren osteuropäischen und russischen Nachbarn. Dadurch wachsen unsere Innovationspotentiale zum gegenseitigen Vorteil.

Kulturen als solche können sich nicht miteinander unterhalten. Deshalb müssen sich Menschen treffen und miteinander ins Gespräch kommen. Das Konzept der Begegnung und des Dialogs, wie in den "Potsdamer Begegnungen" angelegt, ist daher ein ziemlich konkreter Beitrag zur Zukunftsfähigkeit und zur Sicherheitspolitik.

Je mehr unser Schicksal von dem anderer Menschen und Völker in der ganzen Welt abhängt und je mehr wir in gemeinsamer Verantwortung mit ihnen die Zukunft gestalten, desto wichtiger ist die Fähigkeit der Kommunikation mit diesen anderen. Es geht also darum, aus Informationen übereinander Kommunikation miteinander zu machen. Kommunikation bedeutet stets auch Vertrauensbildung und gegenseitige Sympathiewerbung. Sie macht die Anbahnung und Pflege von Kontakten in Künsten, Literatur, Wissenschaft und Medien, in Politik und Wirtschaft möglich. Kommunikation schafft kulturelle Vielfalt. Diese aber ist Kreativitätsressource und damit Zukunftssicherung.

In krassem Widerspruch zu diesem Modell der Kommunikation steht die heute in Jugoslawien wütende Gewalt gegen ethnische und religiöse Minderheiten. Die Reaktion der NATO darauf ist nicht Ausdruck des Hegemonialstrebens einzelner Staaten oder einer westlichen "Kultur". Kultur definiert sich durch mehr als nur durch ethnisch-religiöse Kriterien. Im Kosovo gibt es keinen "clash of civilizations" zwischen Orthodoxie und Katholizismus, auch keinen zwischen Christentum und Islam. Angesichts des interkulturellen Dialogs zwischen Islam und Christentum und der Kontakte zwischen dem Moskauer Patriarchat und dem Vatikan ist die Zeit der Religionskriege vorbei. Im Kosovo geht es vielmehr um die Verteidigung der Moderne gegen einen Rückfall in prämoderne Barbarei. Der Einsatz militärischer Mittel gegen Serbien gilt einem Zivilisationsbruch, der mit den zivilisatorischen Grundprinzipien der überwältigenden Mehrheit der Menschen und Völker Europas, einschließlich Rußlands und Deutschlands, unvereinbar ist. Denn das Europa, zu dem Serbien gehört, definiert sich nicht in erster Linie durch seine Wirtschaftskraft, sondern durch seine geistige "Botschaft": die Gültigkeit des Rechts, die Geltung des Individuums vor dem Kollektiv, durch die Achtung der Menschenrechte, den Schutz der Minderheiten, kurz: durch Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Zu diesen Werten muß Serbien zurückfinden, wenn es den ihm gebührenden Platz in der Gemeinschaft der europäischen Völker einnehmen will. Wir vertrauen dabei auf Rußland: auf seine Rolle als Vermittler und Wegbereiter der Rückkehr Serbiens nach Europa und eines Friedensschlusses im Kosovo. Ohne Rußland gibt es beides nicht.

Als zweiten Grund meines Engagements für die Potsdamer Begegnungen habe ich den Kulturdialog als Beitrag zum Selbstverständnis und zur Identität Europas genannt. Das ist er dann, wenn er sich nicht durch kulturelle Beliebigkeit auszeichnet. Nur wenn er wertorientiert ist, leistet er diesen Beitrag. Zentral dabei ist die Verständigung über Werte wie Demokratie und Menschenrechte. Denn Demokratie und Rechtsstaat gehören zu den Wurzeln des modernen Europa. Die menschenrechtlichen Universalien Europas können nur ganz oder gar nicht gelten. Werden sie nicht notfalls gewaltsam durchgesetzt, so besteht die Gefahr, daß sie über kurz oder lang im gesamten europäischen Haus ihre Geltungskraft verlieren, nicht nur auf dem Balkan.

Es kommt darauf an, daß gerade unsere jungen Menschen ein Europa sehen, das geistig und politisch wert ist, überhaupt gebaut zu werden. Europäische Identität bedingt die Herausbildung eines europäischen Gedächtnisses, das das Gemeinsame an Verantwortung ins Bewußtsein hebt. Fjodor Dostojewski hat einmal gesagt: "Jeder Russe hat eigentlich nicht nur eine Heimat, sondern deren zwei: Rußland und Europa." In gleicher Weise kann jeder Deutsche Deutschland und Europa, jeder Franzose Frankreich und Europa als seine beiden Heimaten bezeichnen.

Wir müssen also das Phänomen einer europäischen Kultur, und damit einer europäischen Identität nicht neu erfinden. Es gibt sie bereits, in der Tradition und Erfahrung einer langen gemeinsamen Geschichte. Schon das angeblich so finstere Mittelalter war insoweit europäischer als die Europäische Union heute. Die alten Handelsstraßen - z.B. die von Brügge und Antwerpen bis nach Nowgorod - waren stets auch Straßen des kulturellen Austausches. Worauf es ankommt ist, das in unser aller Bewußtsein zurückzurufen. Wir müssen uns vor Augen führen, daß wir alle, gleich wo wir in Europa leben, Teil dieser gemeinsamen Geistesgeschichte sind, die uns prägt, weil wir aus der gleichen Quelle von Erinnerungen, Werten und Ideen schöpfen.

Unsere europäische Identität hat ihre Wurzeln übrigens gerade in dieser Vielgestaltigkeit der nationalen und regionalen Kulturen. Damit diese Vielfalt uns aber bereichert und nicht etwa zum Kriegsgrund wird, brauchen wir bessere wechselseitige Kenntnisse der Geschichte, Traditionen, Sprachen und Gewohnheiten unserer Nachbarn. Wenn wir die anderen wahrnehmen und verstehen, lernen wir auch etwas über unsere eigene Identität. Europa wird in dem Maße zusammenwachsen, in dem das Bewußtsein dieser kulturellen Einheit, aber einer Einheit in Vielfalt wächst.

Das bringt mich zum dritten Grund für meine Entscheidung, die Schirmherrschaft über die "Potsdamer Begegnungen" zu übernehmen: Kulturdialog als Brücke zwischen Rußland und Deutschland. Hier brauchen Russen und Deutsche wahrlich kein Neuland zu betreten. Wir haben ein Fundament jahrhundertealter Traditionen der kulturellen Nähe, die unsere Gesellschaften im Geben und im Nehmen geprägt haben. Die Einflüsse wanderten gleichermaßen von Westen nach Osten wie umgekehrt. Gewiß: Unsere Gefühle wurden in diesem Jahrhundert durch zwei Weltkriege und durch die politisch-ideologische Trennung der vergangenen Jahrzehnte zutiefst verletzt. Aber die Wunden scheinen zu heilen, wenn auch die Narben immer wieder noch zu spüren sind. Russen und Deutsche sind Nachbarn in Europa. Wir sind und bleiben also aufeinander angewiesen. Und: Wir haben gemeinsame kulturelle Werte.

Lassen Sie mich nur ein Beispiel für die Substanz dieser Werte nennen: Hans Scholl las als Soldat in Rußland Dostojewski. Das war der Beginn des Weges, der ihn als Mitglied der Weißen Rose zum Widerstand gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft führte. Die Wirkung Dostojewskis auf Scholl und viele andere lag darin, daß er lernte, auf der anderen Seite Menschen mit ähnlicher Sensibilität zu erkennen. Dieses Beispiel empfinde ich als so prägnant, daß ich hier auf die zahllosen anderen gegenseitigen Beeinflussungen und Befruchtungen - auf den Gebieten der Philosophie, der Literatur, der Musik und der Malerei - verzichten möchte.

Und diese gemeinsamen Werte existieren unabhängig von der politischen Konjunktur oder der politischen Mode. Auf keinen Fall darf der kulturelle Reichtum unserer Beziehungen zur Geisel im politischen Kampf werden. Nur, wenn Russen und Deutsche sich klar zu diesen Werten bekennen, können wir gemeinsam auch den fundamentalen Änderungsprozessen in der Welt Gestalt und Richtung geben.

Heute steht für uns Deutsche sozusagen eine zweite Entdeckung an: die des neuen Rußland, eines Landes, das in einem dramatischen Umbruch begriffen und noch auf der Suche nach sich selbst ist. Diese Suche findet - wie könnte es anders sein - ihren Ausdruck im öffentlichen Diskurs verschiedener Denkschulen. Darunter sind gewiß auch illiberale Trends, die wir mit Sorge sehen und die in uns Gefühle der Fremdheit aufkommen lassen. Aber auch und gerade deshalb ist es gut, daß russisches Denken im europäischen Dialog zunehmend klarer und lauter vernehmbar ist; denn das zeigt: Rußland bleibt nicht ausgeschlossen, sondern es ist einbezogen.

Es hat ein völliger Neubeginn eingesetzt: Lange verschüttete Denktraditionen werden wiederentdeckt, totgeschwiegene Werke werden neu aufgelegt, ein breites Spektrum neuer Zeitschriften soll den Nachholbedarf decken und den Austausch mit dem westlichen Denken wieder herstellen. Und, ganz wichtig für mein Verständnis des Dialogs: auch politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich finden unsere Völker jetzt zusammen. Es ist für mich ein Ausdruck der Rückkehr zur Normalität, daß Rußland und Deutschland zunehmend wieder miteinander, mit Europa und mit der Welt verflochten sind: über die Zusammenarbeit im Rahmen des Partnerschafts- und Kooperationsabkommens mit der Europäischen Union, über die Kooperation in der OSZE, über den Europarat, über die G 8, die Mitarbeit in den internationalen Finanzinstitutionen Weltbank, Internationaler Währungsfonds und Europäische Entwicklungsbank, aber auch, last but not least, über die Fortsetzung der Zusammenarbeit im NATO-Rußland-Rat. Dabei ist es sicherlich richtig, daß die politischen Strukturen und Kulturen Europas schwerer integrierbar sind als die wirtschaftlichen. Aber wenn es stimmt, was ich höre: daß die heranwachsende junge Generation Rußlands den bürgerlichen und demokratischen Werten bereits aufgeschlossen gegenübersteht, so ist das ein nicht zu unterschätzendes Zeichen der Hoffnung und des Optimismus.

Dazu zähle ich auch die verschiedenen Programme und Projekte unserer kulturpolitischen Zusammenarbeit, die beim Übergang zu einer pluralistischen und demokratischen Gesellschaft Hilfestellung leisten können. Ich erwähne hier nur den Aufbau eines Netzes kulturpolitischer Kontaktstellen in den Regionen Rußlands, die Einrichtung von Lesesälen, die Intensivierung der Hochschulbeziehungen, z.B. durch das Stipendienprogramm des Rußlandfonds der deutschen Wirtschaft und das "Alexander Herzen-Programm" zur Förderung der Geisteswissenschaften, dazu zähle ich die Konstituierung der deutsch-russischen Historikerkommission, die Fortschritte bei der Anerkennung von Studienzeiten und Abschlüssen im Hochschulbereich, das zur Zeit laufende Festival "Puschkin und Goethe" in Moskau und St. Petersburg sowie die für Mai vorgesehenen Kulturwochen in Sibirien.

Bei kulturellen Begegnungen wie dieser kann und soll es nicht um einen abschließenden Konsens gehen. Auch der Kulturdialog ist mit der Fehlbarkeit menschlicher Erkenntnis konfrontiert. Möglich ist aber eine praxisorientierte Kommunikation mit dem Ergebnis gegenseitigem Verstehens und wachsenden Interesses aneinander. Es geht ja um mehr als nur darum, den Deutschen den Blick für Rußland zu öffnen und den Russen ein neues Bild von den Deutschen zu vermitteln: es geht auch und vor allem darum, daß Russen und Deutsche gemeinsam mit allen Europäern zusammenstehen und für unseren Kontinent eine gute Zukunft im nächsten Jahrhundert gestalten. Die Welt auch mit den Augen des anderen zu sehen und seine Perspektiven in das eigene Denken einzubeziehen, das erscheint mir als der sicherste Weg, um gemeinsame Lösungen zu finden für die vor uns liegenden Zukunftsprobleme.

Das setzt voraus, daß einerseits Rußland keinen von Europa getrennten Weg geht und daß andererseits die Europäer Rußland den Weg nach Europa nicht versperren. Daß die "Potsdamer Begegnungen" hierzu ihren Beitrag leisten, hoffe ich von ganzem Herzen: nicht als Arena miteinander wetteifernder Analysen des einen über den anderen - davon hatten wir genug -, sondern als Börse der Ideen, als Treffpunkt des kreativen Miteinander, des Gestaltens, der gegenseitigen Ermutigung und der Synergie der organisatorischen Kräfte.

In diesem Sinne wünsche ich Ihrer Arbeit den Erfolg, den sie verdient - und daß sie auch von allen wahrgenommen und genutzt wird, die davon profitieren können. Das wichtigste ist, daß diese Begegnungen fortgesetzt werden können.