Verleihung "Goldene Victoria für Pressefreiheit"

Schwerpunktthema: Bericht

4. November 2015

Daniela Schadt hat am 2. November mit einer Laudatio bei der Überreichung der Goldenen Victoria für Pressefreiheit zwei Journalistinnen und einen Redakteur für ihre Arbeit gewürdigt. In der Ansprache sagte sie: "Die 'Goldene Victoria für Pressefreiheit' ist Mahnung und Ansporn zugleich, uns mit aller Kraft und Überzeugung für eine freie Presse einzusetzen – denn es geht um unser aller Freiheit."


Daniela Schadt hat am 2. November mit einer Laudatio bei der Überreichung der Goldenen Victoria für Pressefreiheit zwei Journalistinnen und einen Redakteur für ihre Arbeit gewürdigt. Mit ihrem Wirken zeigten sie, wie Presse- und Meinungsfreiheit im Umfeld von organisiertem Verbrechen über Korruption bis hin zu ideologischem und religiösem Extremismus gelebt werden kann.

Die Preisträgerinnen sind die mexikanische Journalistin Ana Lilia Pérez, die seit Jahren auch aus dem Exil über Korruption, Geldwäsche und Menschenhandel, über das organisierte Verbrechen und die engen Verbindungen von Politikern und Wirtschaftsunternehmen mit der Mafia berichtet, und die afghanische Journalistin Ana Farida Nekzad, die mit der Nachrichtenagentur Wakht eine Verbindung zwischen Regierung und Bevölkerung schuf und sich seither beständigem Druck und Bedrohungen ausgesetzt sieht. Der dritte Preisträger ist der Redakteur und Journalist Peter Bandermann. Er berichtet trotz anhaltender Drohungen seit fünfzehn Jahren für die Ruhr Nachrichten über die rechtsextreme Szene in Dortmund.

Der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger betonte im Jahr der Anschläge in Paris und Kopenhagen das Thema Pressefreiheit auf seinen Veranstaltungen Publishers' Summit und Publishers' Night in besonderem Maße. So wurde im Rahmen der Publishers' Night am 2. November 2015 zum ersten Mal die "Goldene Victoria für Pressefreiheit" verliehen.

Ansprache von Daniela Schadt:

Ich freue mich sehr, heute Abend einer Premiere beizuwohnen und bei der ersten Verleihung der Goldenen Victoria für Pressefreiheit zwei mutige Frauen und einen nicht minder mutigen Mann ehren zu dürfen. Als Journalistin, aber auch als Bürgerin, nehme ich diese Aufgabe besonders gerne an, weil eine freie Presse für das Gelingen von Demokratie nun mal von zentraler Bedeutung ist.

Ich durfte diese Erfahrung als Journalistin und als Leserin machen, weil das Land, in dem ich lebe, die Pressefreiheit in seiner Verfassung verankert hat. Meine Generation hat mit derart verbürgten Freiheiten komfortabel gelebt, so komfortabel, dass wir ihre Voraussetzungen heute möglicherweise schon für allzu selbstverständlich halten.

Dabei ist allen klar: ohne eine freie Presse, ohne freie Rundfunkberichterstattung, ohne die Möglichkeit, unabhängige Informationsquellen zu nutzen, kann politische Meinungsbildung nicht funktionieren, sind politische Diskurse unvollständig, bleiben Bürgerinnen und Bürger unmündig. Allerdings sind auch bei uns Journalisten immer häufiger Angriffen ausgesetzt.

Es sind Angriffe, die zumeist vom rechten Rand der Gesellschaft ausgehen, aber durchaus nicht nur von dort. Wer für Pressefreiheit eintritt, denke ich, sollte sich deutlich distanzieren von Formen des Protests, die den einen Berufsstand als Lügenpresse diffamieren und einem anderen, nämlich den Politikern, mit Galgen und Guillotine drohen.

Freie Medien sind die Grundlage jeder demokratischen Ordnung. Wer meint, sie angreifen zu müssen, weil ihm die übermittelte Nachricht nicht gefällt, der untergräbt das Fundament dieser Ordnung – die es doch gerade zu verteidigen gilt. Gegen solche Angriffe und gegen die Einschränkungen ihrer Freiheit werden wir die Medien immer neu verteidigen müssen – auch hier bei uns. Denn Fälle von Verletzungen der Pressefreiheit aus der jüngeren Vergangenheit gibt es auch in Deutschland. Eine effektive öffentliche Kontrolle aber gibt es nur, wo Medien über Unrecht, Machtmissbrauch oder Korruption berichten können.

Freie Medien erfüllen noch eine andere Funktion: Sie sind Seismographen, sie spüren schnell und zuverlässig Missstände auf, geben Auskunft über politische Strömungen und zeigen uns die Ausschläge kleinerer und größerer Beben im politischen System. Den politischen Akteuren können sie eigentlich nur willkommen sein, denn unterbleibt diese öffentliche Kontrolle, kann ein friedlicher Ausgleich von Interessen nicht stattfinden. Irgendwann steigt der Druck im Kessel, was zumeist noch schärfere Zensurmaßnahmen nach sich zieht und einen fatalen circulus vitiosus auslöst, der Gesellschaften bestenfalls äußerlich anästhesiert, aber keine Stabilität schafft.

Was das Bundesverfassungsgericht einmal das ständige Verbindungs- und Kontrollorgan zwischen dem Volk und seinen gewählten Vertretern in Parlament und Regierung genannt hat, ist für uns hier in diesem Saal eine Selbstverständlichkeit geworden, die niemand mehr in Frage stellen würde. In vielen Regionen dieser Welt ist das jedoch nicht der Fall. Farida Nekzad und Ana Lilia, die beiden Preisträgerinnen des heutigen Abends, können eindrücklich davon berichten. Aber nicht nur in Krisenregionen wie Afghanistan oder Mexiko ist die freie Presse bedroht. Der Anschlag auf die französische Satirezeitschrift Charlie Hebdo und die sich daran anschließenden Attentate in Kopenhagen haben uns das auf grausame Weise bewusst gemacht.

Der jüngste Bericht von Reporter ohne Grenzen zeigt, dass sich die Arbeitsbedingungen für Journalisten und unabhängige Medien nahezu überall auf der Welt in letzter Zeit verschlechtert haben. 67 Journalisten und Medienaktivisten wurden im Jahr 2015 bislang getötet, 327 sind in Haft. Das Fazit der Nichtregierungsorganisation ist ernüchternd: Zu den Risiken in Kriegsgebieten wie Syrien und der Ukraine kommen Einschränkungen zum Schutz der nationalen Sicherheit, Einschüchterung und skrupellose Gewalt durch Terrorgruppen, religiöser Fanatiker, Verbrecherkartelle, die Polizei oder Demonstranten. Zu den Problemen gehört aber auch die Medienkonzentration in den Händen einzelner oder weniger ökonomischer Akteure.

Die Journalisten und Journalistinnen, die heute Abend mit der ersten Goldenen Victoria für Pressefreiheit ausgezeichnet werden, haben dieser Gewalt und Einschüchterung widerstanden. Sie stehen damit auch stellvertretend für viele ihrer Kolleginnen und Kollegen, die täglich weltweit über Kriege, Terror, Missstände und Unrecht berichten und sich dabei häufig selbst in Gefahr begeben. Ein Film über ihre Arbeit und ihre Lebensverhältnisse wird gleich einen Eindruck davon vermitteln, wie viel Kraft und Überzeugung nötig ist, eine freie Berichterstattung gegen Islamisten in Afghanistan, die Drogenmafia in Mexiko oder Rechtsradikale in Deutschland durchzusetzen.

Die drei Preisträger sind:

  • Farida Nekzad, die in Afghanistan zur Verteidigung der Pressefreiheit tiefe Einschnitte in ihrem Berufs- und Privatleben hinnehmen muss. Sie setzt sich für einen freien Journalismus und die Rechte von Frauen ein und ist deshalb Zielscheibe der Taliban. Aus diesem Grund lebt und arbeitet Farida Nekzad mit ihrer kleinen Tochter im Verborgenen.
  • Ana Lilia Pérez, zu deren Alltag Bodyguards und kugelsichere Westen zum Schutz vor Vergeltungsmaßnahmen der Drogenkartelle in Mexiko gehören. Sie berichtet in preisgekrönten Reportagen über die Machenschaften der mexikanischen Mafia und sieht sich deshalb einer permanenten Bedrohung ausgesetzt.
  • Peter Bandermann aus Dortmund, der unermüdlich gegen die Gefahr vom rechtsextremen Rand anschreibt und sich auch durch Einschüchterungen und Hetze der Extremisten nicht von der Berichterstattung abhalten lässt.

Ich spreche wohl für alle hier im Saal, wenn ich sage: Wir bewundern die Leistung, den Mut und die Kraft dieser Journalisten. Sie sind Anwälte auch unseres Rechts und unserer Werte, wo immer sie tätig werden, ob in Mexiko, Afghanistan oder Dortmund. Damit sie dies auch weiterhin sein können, müssen sie frei und ungehindert arbeiten können. Darin müssen und wollen wir sie unterstützen.

Die "Goldene Victoria für Pressefreiheit" ist Mahnung und Ansporn zugleich, uns mit aller Kraft und Überzeugung für eine freie Presse einzusetzen – denn es geht um unser aller Freiheit. Ich bin dem Verband der Deutschen Zeitschriftenverleger sehr dankbar, dass er mit der Würdigung von Frau Nekzad, Frau Pérez und Herrn Bandermann ein sichtbares Zeichen für die Notwendigkeit einer freien und ungehinderten Berichterstattung setzt. Und ich schließe mich der Jury ganz ausdrücklich an: Solche mutigen Frauen und Männer brauchen wir – weltweit!