20. Jubiläum des Frauenhauses "Anna Wolf"

Schwerpunktthema: Bericht

20. November 2015

Daniela Schadt hat am 20. November ein Grußwort bei der Festveranstaltung zum 20. Jubiläum des Frauenhauses "Anna Wolf" in Schwabach gehalten. Zuvor hatte sie bereits die Leiterin des Frauenhauses, Andrea Hopperdietzel, sowie derzeitige und ehemalige Bewohnerinnen zu einem Gespräch getroffen.

Daniela Schadt hat bei der Festveranstaltung zum 20. Jubiläum des Frauenhauses "Anna Wolf" ein Grußwort gehalten

Daniela Schadt hat am 20. November ein Grußwort bei der Festveranstaltung zum 20. Jubiläum des Frauenhauses „Anna Wolf“ in Schwabach gehalten. Zuvor hatte sie bereits die Leiterin des Frauenhauses, Andrea Hopperdietzel, sowie derzeitige und ehemalige Bewohnerinnen zu einem Gespräch getroffen.

Ansprache von Daniela Schadt:

Ich freue mich, heute bei Ihnen zu sein. zwanzig Jahre Frauenhaus Schwabach – das ist ein Grund, zu feiern. Auch, wenn mich die Gespräche, die ich gerade bei meinem Besuch in Ihrem Haus, liebe Frau Hopperdietzel, sehr bewegt und angerührt haben. Ich habe von ganz individuellen Geschichten und Schicksalen erfahren und bei jeder einzelnen gedacht: Wie gut, dass es Menschen gibt, die etwas für diese Frauen tun – die helfen.

Mehr als 4.000 Frauen und ihre Kinder haben seit Gründung Ihres Frauenhauses bei Ihnen Zuflucht vor häuslicher Gewalt gesucht. Diese Zahl ist ebenso bedrückend wie die Feststellung, dass in Deutschland heute immer noch jede vierte Frau in der Partnerschaft Gewalterfahrungen macht und von ihrem Lebenspartner in ganz unterschiedlichen Formen, sei es körperlich oder psychisch, bedroht wird. Der schönste Erfolg wäre es doch, wenn es Einrichtungen wie Ihre überhaupt nicht geben müsste, wenn körperliche und seelische Bedrohungen in Familien und Partnerschaften keinen Platz hätten.

Und doch: Für Ihre Stadt, Herr Oberbürgermeister, für die ganze Region, für uns als Gesellschaft ist es ein zivilisatorischer Erfolg, dass es Häuser zum Schutz von Frauen und ihren Kindern gibt, dass sie sich deutschlandweit etabliert haben und dass dank immer professionellerer Öffentlichkeits- und Netzwerkarbeit mehr und mehr Frauen von diesen verlässlichen Anlaufstellen wissen. Die jüngste Einrichtung einer Interventionsstelle hier in Schwabach ist ein weiterer ganz wichtiger Schritt. Sie zeigen mit diesem Angebot den Frauen nach einem Übergriff Wege auf, sich aus über lange Jahre gewachsenen Zwängen ihrer Partnerschaft zu lösen. Ich habe heute Nachmittag erfahren, wie schwer das sein kann.

Gewalt im häuslichen Umfeld – einem eigentlich sicher anmutenden und vertrauensfördernden Raum des Rückzugs – tritt aus den unterschiedlichsten Gründen heraus auf. Wir lesen von Gewalt – vorgeblich – im Namen der Ehre. Oder hören von Schlägern, die ihre Exzesse mit Eifersucht, Drogenmissbrauch oder eigenen gewaltsamen Kindheitserfahrungen zu rechtfertigen suchen.

Dabei sind wir uns bewusst: Keine dieser Erklärungen ist akzeptabel, keine kann als Rechtfertigung für Prügel, Vergewaltigung, exzessive Kontrolle und psychische Unterdrückung herhalten.

Der Erfolg Ihres Frauenhauses liegt darin, dass Sie in zwanzig Jahren nicht nachgelassen haben, dieses Bewusstsein bei Ihren Bewohnerinnen zu wecken und in ihrem Selbstverständnis zu verankern. Dies gelingt Ihnen, nach allem was ich höre, in bemerkenswert einfühlsamer und auch kreativ-pragmatischer Weise. Ob Sie Mutter-Kind-Freizeiten oder Selbstverteidigungskurse organisieren, die Frauen bei der Wohnungssuche unterstützen, sie über Sozialleistungen aufklären oder später in der Nachbetreuung Anlauf- und Beratungsstelle für sie bleiben – Sie haben stets die individuellen Bedürfnisse Ihrer Klientinnen im Blick. Sie bieten Stabilität und Ruhe, ein vorübergehendes Zuhause, in dem die Frauen sich sammeln und sich Gedanken darüber machen können, wie ihr Leben weitergehen soll. Vorhin sagte mir eine 22-Jährige im Rückblick auf ihre schlimmen Erlebnisse: Mein Leben ist eigentlich schon kaputt. Wie gut zu wissen, dass es Menschen gibt, die zuhören und ihr versichern: Nein, Dein Leben fängt gerade erst an.

Nicht jede entscheidet sich schließlich für die Trennung von ihrem gewalttätigen Partner. Jedoch bin ich davon überzeugt, dass auch diejenigen, die – vielleicht nur zunächst oder auch längerfristig – in die gemeinsame Wohnung zurückkehren, etwas Entscheidendes mitnehmen: nämlich Selbstwertgefühl und das Wissen, dass es Unterstützung und einen Ausweg aus der Gewalt gibt, dass sie Schläge und Drohungen nicht hinnehmen müssen, dass sie nicht nur Opfer sind. Dieses Wissen gibt ihnen Kraft.

Eine Kraft übrigens, die es – diesen unendlich wichtigen Aspekt möchte ich besonders betonen – auch zum Schutz der von Gewalt betroffenen Kinder einzusetzen gilt. Denn ob als Opfer elterlicher Übergriffe oder bloß als deren Zeuge – jede junge Seele wird von derartigen Erfahrungen dauerhaft geprägt. Dieses Miterleben erschwert es Kindern enorm, Geschlechterbeziehungen als gleichberechtigt zu empfinden, später selbst Grenzen zu setzen oder diese anzuerkennen.

Wie wichtig ist es also auch für die Kinder Ihrer Klientinnen, sehr geehrte Frau Hopperdietzel, dass Sie ihren Schutz und ihre seelische Entwicklung immer mit im Blick haben! Danke dafür an Sie und all Ihre Mitarbeiterinnen!

Der Dank gilt schließlich auch dem starken fränkischen Netzwerk, das seit 1995 das Frauenhaus "Anna Wolf" geführt, gestützt und begleitet hat. Denn – diese Erfahrung mache ich immer wieder – auch Organisationen brauchen Unterstützung und gegenseitige Hilfe. Sei es die Stadt Schwabach, die beteiligten Landkreise, Spenderinnen und Spender, haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen oder auch manche ehemalige Bewohnerin, die ihre Erfahrungen mit anderen teilt – Sie alle haben in zwanzig Jahren Wichtiges geleistet und ich wünsche mir und Ihnen, dass Sie auch künftig eng beieinander bleiben.

Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, brauchen ebenso wie Ihre Kinder auch in Zukunft Ihre Unterstützung und die der Zivilgesellschaft. Daher meine Bitte an Sie alle: Reden Sie miteinander! Sprechen Sie über Verdachtsfälle, schauen Sie nicht weg – und bleiben Sie dem Frauenhaus Schwabach verbunden.

Für alles bisher Erreichte sage ich Ihnen nochmals: herzlichen Glückwunsch!