Würdigung von Elisabeth Schmitz

Schwerpunktthema: Bericht

23. November 2015

Daniela Schadt hat am 23. November in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche an einer Gedenkfeier für Elisabeth Schmitz teilgenommen. Sie würdigte die evangelische Theologin in einem Grußwort für ihren mutigen Widerstand gegen das Regime der Nationalsozialisten.


Daniela Schadt hat am 23. November in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche an einer Gedenkfeier für Elisabeth Schmitz teilgenommen. Sie würdigte die evangelische Theologin in einem Grußwort für ihren mutigen Widerstand gegen das Regime der Nationalsozialisten.

Ansprache von Daniela Schadt:

Als mich die Anfrage erreichte, ob ich heute Abend zu Ihnen sprechen wolle, habe ich mit voller Überzeugung und aus tiefstem Herzen Ja" gesagt!

Das Ja beruhte dabei zwar auch ein bisschen, aber nicht in erster Linie, auf biografischen Anknüpfungspunkten: Wie Elisabeth Schmitz wurde auch ich in Hanau geboren, und wie sie habe ich Berlin als späteren Lebensmittelpunkt gewählt. Aber obwohl Elisabeth Schmitz wie auch ich siebzehn Jahre lang – also bis zu ihrem Tod 1977 – in Hanau lebten und obwohl ich auf das Gymnasium ging, an dem Elisabeth Schmitz lehrte, habe ich Elisabeth Schmitz im Gegensatz zu meiner Mutter, die bei ihr Religionsunterricht hatte, nicht persönlich kennen gelernt.

Mein „Ja“ ist zu allererst der besonderen Leistung geschuldet, die die Historikerin und Theologin mit ihrem Widerstand gegen das unmenschliche Regime der Nationalsozialisten vollbracht hat und die viel zu spät und bis heute nicht in ausreichendem Maße gewürdigt wurde.

Mit meinem Ja will ich dazu beitragen, dass ihr ausgewöhnlicher Mut und der entschlossene Kampf gegen die rassistische Verblendung, die in der NS-Diktatur zur De-Humanisierung, zu Verfolgung und Ermordung der deutschen und später der europäischen Juden führte, gebührende Würdigung und Anerkennung finden.

Elisabeth Schmitz ist ihren Weg gegangen – gegen viele Widerstände mit prophetischer Weitsicht und mit tatkräftigem Handeln. Wir gedenken heute Elisabeth Schmitz – einer wahrhaft bewundernswerten Frau. Da ist zum einen die kritische Weitsicht, die sie auszeichnete. Mit ihrer Denkschrift, die im Zentrum des heutigen Abends steht, sah und sagte sie schon 1935 völlig zutreffend voraus, was mit dem Nationalsozialismus auf die jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger zukommen würde. In ihrem Dankesschreiben an Pfarrer Gollwitzer, zwei Wochen nach der Reichspogromnacht 1938, prophezeite sie den späteren Holocaust mit den folgenden Worten:

Unmöglich ist nichts in diesem Lande, das wissen wir. Wir haben die Vernichtung des Eigentums erlebt, zu diesem Zweck hat man im Sommer die Geschäfte bezeichnet. Geht man dazu über, Menschen [mit dem sog. Judenstern] zu bezeichnen – so liegt ein Schluss nahe, den ich nicht weiter präzisieren möchte. Und niemand wird behaupten wollen, dass diese Befehle nicht ebenso prompt, ebenso gewissenlos und stur, ebenso böse und sadistisch ausgeführt würden wie die jetzigen. Ich bin überzeugt, so schließt sie ihren Brief an Gollwitzer vom 24. November 1938, dass (…) mit dem letzten Juden auch das Christentum aus Deutschland verschwindet. Das kann ich nicht beweisen, aber ich glaube es.

Hätte man nur auf sie gehört! Was wäre dem jüdischen Volk und der ganzen Welt erspart geblieben!

Die zweite Eigenschaft, die Elisabeth Schmitz zu einem besonderen Menschen und damit zum Vorbild für uns alle gemacht hat, war ihr unbeschreiblicher Mut, mit dem sie für ihre Werte und damit gegen das übermächtige Regime der Nazis und gegen die Verblendung der ganz normalen Männer und Frauen ankämpfte.

Nachweise dieses ausgewöhnlichen Mutes sind die Veröffentlichung der Denkschrift oder die Unterstützung und Beherbergung jüdischer Mitbürgerinnen. Es ist aber auch das offene Bekenntnis gegenüber staatlichen Strukturen, mit dem sie nach der Pogromnacht 1938 ihren Dienst als Lehrerin quittierte und sich damit selbst in Gefahr brachte. Ganz offen begründet sie ihre Entscheidung gegenüber der Schulbehörde mit den Worten:

„Es ist mir in steigendem Maße zweifelhaft geworden, ob ich den Unterricht bei meinen rein weltanschaulichen Fächern – Religion, Geschichte, Deutsch – so geben kann, wie ihn der nationalsozialistische Staat von mir erwartet und fordert“.

Hätten nur mehr Deutsche 1938 diese Zivilcourage aufgebracht.

Elisabeth Schmitz hat vorgelebt, dass uns auch in Zeiten größter Gefahr Zivilcourage und Mut möglich sind. Auch deshalb erinnern wir uns ihrer mit Respekt und Dankbarkeit. Ich bin Ihnen, sehr geehrter Herr Professor Gailus, aber auch Frau Dietgard Meyer und dem Ehepaar Lüdecke-Eisenberg, dankbar, dass Sie sich für die Erinnerung an Elisabeth Schmitz einsetzen.

Ohne Ihren Forscherdrang und Ihr Beharrungsvermögen, gepaart mit glücklichen Umständen, wüssten wir heute immer noch nicht, welches Vorbild Deutschland, meine Geburtsstadt Hanau und ebenso wie unser beider Wahlheimat Berlin mit Elisabeth Schmitz, dieser Widerstandskämpferin, verloren – und zugleich durch Sie wiedergewonnen hat.

Haben Sie Dank dafür!

Zur Geschichte und historischen Einordnung der Denkschrift, die Elisabeth Schmitz erst 2004 zweifelsfrei zugordnet werden konnte, werden Ihnen gleich Gabriele Lüdecke-Eisenberg und Gerhard Lüdecke aus Hanau sowie der Schmitz-Biograph Manfred Gailus berichten.

Ich bin ebenso wie Sie gespannt, mehr über Elisabeth Schmitz zu erfahren, und wünsche Ihnen einen interessanten Abend, an dem wir mehr erfahren über Elisabeth Schmitz und der uns zugleich nachdenken lässt über das, was ihre Botschaft uns heute lehren kann.