Ordensverleihung "Vereint und füreinander da"

Schwerpunktthema: Bericht

1. Oktober 2020

Der Bundespräsident hat am 1. Oktober in Schloss Bellevue 15 Bürgerinnen und Bürger zum Tag der Deutschen Einheit mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Die sieben Frauen und acht Männer haben sich durch außerordentliche Leistungen verdient gemacht – sie helfen, die Corona-Pandemie zu bewältigen, fördern das Zusammenwachsen von Ost und West und tragen dazu bei, Vorurteile in unserer Gesellschaft abzubauen.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Elke Büdenbender beim musikalischen Auftakt von 'The 10String Orchestra' zur Ordensverleihung zum Tag der Deutschen Einheit unter dem Motto 'Vereint und füreinander da' im Schloss Bellevue

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat am 1. Oktober zum Tag der Deutschen Einheit 15 Bürgerinnen und Bürger mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet.

Das Motto der Ordensverleihung Vereint und füreinander da stand für die außerordentlichen Leistungen, mit denen sich die sieben Frauen und acht Männer verdient gemacht haben: Sie helfen, die Corona-Pandemie zu bewältigen, fördern das Zusammenwachsen von Ost und West und tragen dazu bei, Vorurteile in unserer Gesellschaft abzubauen.

Folgende Bürgerinnen und Bürger wurden ausgezeichnet:

Birgit Brandtscheit, Sachsen-Anhalt
Verdienstkreuz am Bande

Füreinander da sein – das lebt Birgit Brandtscheit seit vielen Jahren in ihrer anhaltinischen Heimat. Die Facharbeiterin hat mit großem persönlichen Einsatz die Zerbster Tafel mit aufgebaut. Um auch Kinder aus sozial schwachen Familien zu unterstützen, hat sie 2007 außerdem die Kindertafel gegründet. Dabei sorgt sie nicht nur für eine gesunde Ernährung, sondern hilft auch bei allem, was die Schule betrifft, kümmert sich um Freizeitangebote und ist bei kleineren wie größeren Problemen für die Kinder da. Wie bedeutsam das Engagement für die Schwächsten in unserer Gesellschaft ist, wurde vielen Menschen gerade in der Corona-Pandemie bewusst. In Zerbst gilt Birgit Brandtscheit als die gute Seele. Am 10. Gründungstag der Kindertafel sagte sie: Feiern können wir erst, wenn wir nicht mehr benötigt werden. Um den Zusammenhalt in unserem Land hat sich Birgit Brandtscheit aber bereits heute verdient gemacht.

Albrecht Broemme, Berlin
Verdienstkreuz 1. Klasse

Wenn es darum geht, für andere da zu sein, ist auf Albrecht Broemme stets Verlass: Im Frühjahr hat er im Kampf gegen die Corona-Pandemie in nur sechs Wochen in Berlin ein Behandlungszentrum für 500 Covid-19-Patienten aufgebaut. Dabei wäre sein Ruhestand wohlverdient, denn Albrecht Broemme ist schon seit seinem 17. Lebensjahr im Katastrophenschutz aktiv. Er war jüngster Leiter der Berliner Feuerwehr, der größten in Deutschland, und von 2006 bis 2019 Präsident des Technischen Hilfswerks. Der Teamgedanke und die Integration aller Engagierten unabhängig von Glauben, Herkunft oder Behinderung waren ihm dabei immer selbstverständlich. Ob Hochwasser, Waldbrände, Stürme oder Pandemie – Hilfeleistung ist für Albrecht Broemme nie eine Frage von Grenzen. In Deutschland, Europa und der ganzen Welt ist er bis heute Helfer aus Überzeugung und Leidenschaft.

Prof. Dr. Christian Drosten, Berlin
Verdienstkreuz 1. Klasse

Der Direktor des Instituts für Virologie der Charité Berlin gehört national wie international zu den führenden Wissenschaftlern, denen eine herausragende Rolle bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie zukommt. Nach Bekanntwerden der ersten Erkrankungsfälle in Wuhan ist es Christian Drosten sehr schnell gelungen, den Erreger als SARS-Virus zu identifizieren und einen Nachweis zu entwickeln, der bereits im Januar verfügbar war. Er lieferte wichtige und weltweit anerkannte Erkenntnisse zum Infektionsgeschehen und hat diese auch mit innovativen Formaten der Öffentlichkeit vermittelt. Dass sein wöchentlicher Podcast Coronavirus-Update mehr als 60 Millionen Mal abgerufen wurde, zeigt, wie groß gerade zu Beginn der Pandemie das Bedürfnis nach fundierter und verständlicher Erläuterung und Aufklärung in der Bevölkerung war.

Dr. Lisa Federle, Baden-Württemberg
Verdienstkreuz am Bande

Bei Ausbruch der Corona-Pandemie hat die Notärztin innerhalb kürzester Zeit eine Fieberambulanz eingerichtet. Einen eigenen Pandemieplan hatte sie schon vor vielen Jahren erstellt. Lisa Federle handelt immer wieder vorausschauend, um anderen zu helfen. 2015 entwickelte sie als Erste bundesweit eine rollende Arztpraxis, damit Geflüchtete in ihren Unterkünften versorgt werden konnten. Als sich die Lage wieder entspannte, wurden mit diesem Arztmobil andere Bedürftige versorgt, wie die Bewohner eines Obdachlosenheims. Die rollende Arztpraxis hat bis heute Modellcharakter. Ohne große Vorlaufzeit konnte sie bei Ausbruch der Corona-Pandemie mit einer mobilen Teststelle ausgestattet werden und sofort bei Pflegeeinrichtungen, deren Situation besonders schwierig war, eingesetzt werden. Menschen wie Lisa Federle bilden den Kitt in unserer Gesellschaft – und das nicht nur in Krisenzeiten.

Prof. Dr. Kai Frobel, Bayern
Verdienstkreuz am Bande

Dass aus dem Todesstreifen entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze eine Lebenslinie für seltene und gefährdete Pflanzen- und Tierarten geworden ist, das ist besonders Kai Frobel zu verdanken. Und mehr noch: Was uns einst trennte, wurde zum Symbol für die Deutsche Einheit. Kai Frobel gilt als der Vater dieses Grünen Bandes. Seit mehr als 40 Jahren setzt sich der Geoökologe beruflich wie ehrenamtlich für den Natur- und Vogelschutz ein. Direkt nach dem Fall der Mauer organisierte er ein erstes Treffen von Naturschützern aus Ost und West. Viele weitere folgten, und gemeinsam entstand die Idee des Grünen Bandes, das sich bundesweit zum größten Naturschutzprojekt entwickelt hat. Der Traum von 1989 ist heute Wirklichkeit – und mehr noch: Das Grüne Band ist auch zu einer europäischen Initiative geworden.

Toralf Herzog, Mecklenburg-Vorpommern
Verdienstkreuz am Bande

In der Corona-Krise zeigt sich besonders, wie wichtig und unverzichtbar der Einsatz von ehrenamtlich Engagierten ist. Denn auf Menschen wie Toralf Herzog ist Verlass. Der Kfz-Meister engagiert sich seit 18 Jahren auf Kreis- und Landesebene beim Deutschen Roten Kreuz. Er ist Kreisbereitschaftsleiter des DRK-Kreisverbandes Nordwestmecklenburg und Landesbereitschaftsleiter in Mecklenburg-Vorpommern. Nachdem im Landkreis kurzfristig ein Corona-Abstrichzentrum eingerichtet werden musste, übernahm er ohne zu zögern die Aufgabe des Teamleiters. In kreativer Eigenregie entwickelte er ein gut strukturiertes System der Probenentnahme. Mit diesem wichtigen Engagement vor Ort hat Toralf Herzog einen bedeutenden Beitrag zur Eindämmung der Pandemie geleistet.

Thomas Hitzlsperger, Bayern
Verdienstkreuz am Bande

Der ehemalige Profifußballer und Nationalspieler Thomas Hitzlsperger hat sich bereits während seiner aktiven Laufbahn für Toleranz sowie für soziale und bildungspolitische Projekte engagiert. Durch sein öffentliches Coming-out 2014 als erster ehemaliger Fußballnationalspieler in Deutschland hat er das Thema Homosexualität im Fußball und Sport enttabuisiert und zu einer breiten und sachlichen Debatte über Diskriminierung im Sport beigetragen. Thomas Hitzlsperger ist seit 2017 Botschafter für Vielfalt beim DFB. Außerdem zeichnet er sich durch großes ehrenamtliches Engagement aus – für den Verein Gesicht Zeigen! Für ein weltoffenes Deutschland, das Projekt Fußball für Vielfalt – Fußball gegen Homophobie und Sexismus sowie für Township-Kinder in Südafrika. Sein Engagement zeigt, wie wichtig der Abbau von Vorurteilen für ein gelingendes Zusammenleben in einer offenen Gesellschaft ist.

Sandra Hüller, Sachsen
Verdienstkreuz am Bande

Kultur überwindet Mauern – auch die in den Köpfen. Dass ihre Leidenschaft dem Theater gilt, erkannte Sandra Hüller bereits als Schülerin in Suhl. Zielstrebig ging sie als eine der jüngsten Studentinnen an die renommierte Berliner Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch. Es folgten Engagements von Jena über München bis Bochum. Und so selbstverständlich, wie Sandra Hüller in Ost und West spielt, spielt sie auch Rollen für Frauen wie Männer. Für ihre Darstellung des Hamlet, mit der das Schauspielhaus Bochum zum diesjährigen Berliner Theatertreffen eingeladen war, hat sie den Gertrud-Eysoldt-Ring erhalten. Auch auf der Leinwand wurde Sandra Hüller ein Star, gefeiert auf der Berlinale wie in Cannes. Dabei verliert sie nie den Blick für den anderen. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie weist sie unermüdlich auf soziale Missstände hin, am Theater, im Kulturbetrieb und mit Blick auf alle, die in ihrer beruflichen Existenz gefährdet sind.

Hannah Kiesbye, Hamburg
Verdienstmedaille

Sprache kann Mauern überwinden. Das war Hannah Kiesbye schon mit 14 Jahren bewusst, als sie für ihren Schwerbehindertenausweis eine Hülle anfertigte, auf der Schwer-in-Ordnung-Ausweis steht. Ihre Initiative ließ aufhorchen und hat bundesweit eine Diskussion angestoßen, in der es nicht nur um eine neue Bezeichnung für einen Ausweis geht, sondern um den veränderten Blick auf Menschen mit Behinderungen. In diese Debatten bringt sich Hannah Kiesbye aktiv ein und vertritt ihre Interessen – ganz nach dem Grundsatz der UN-Behindertenrechtskonvention: Nicht ohne uns über uns. Ihren Vorschlag haben viele Bundesländer aufgenommen und ihrem Beispiel folgend Schwer-in-Ordnung-Ausweishüllen eingeführt – mit großem Erfolg, und zwar für alle.

Prof. Igor Levit, Berlin
Verdienstkreuz am Bande

Bürger, Europäer, Pianist – so bezeichnet sich Igor Levit selbst, und diese Reihenfolge ist dem außergewöhnlichen Künstler auch Programm. Bei ihm sind künstlerisches Wirken, gesellschaftspolitisches Engagement und Solidarität mit anderen untrennbar verbunden. Er brilliert auf den Konzertpodien der Welt mit seiner enormen Virtuosität wie mit tiefgründigen Interpretationen. Dabei vermittelt er seinem Publikum, welche Antworten die Musik auf Fragen hat, die heute noch so aktuell sind, wie sie es vor 250 Jahren für Beethoven waren. Zu Beginn der Corona-Krise hat Igor Levit mit täglichen, aus seinem Wohnzimmer selbst übertragenen Corona-Hauskonzerten aus der Isolation heraus ein Miteinander über Grenzen hinweg entstehen lassen. Sein Hauskonzert am 29. April widmete er zum 75. Jahrestag der Befreiung des Lagers Dachau den Überlebenden der Konzentrations- und Vernichtungslager. Von seinem Engagement gegen Antisemitismus, die Ausgrenzung von Minderheiten und für die Demokratie lässt er sich weder durch Morddrohungen einschüchtern noch durch Hetze gegen ihn im Netz abbringen.

Dr. Mai Thi Nguyen-Kim, Hessen
Verdienstkreuz am Bande

Wissenschaft verständlich zu vermitteln, hat Mai Thi Nguyen-Kim zu ihrem Spezialgebiet gemacht – und das ist heute wichtiger denn je. Innovativ, auf der Höhe der Zeit und alle Medien vom Podcast über das Fernsehen bis zum Buch nutzend erklärt uns die Chemikerin und Wissenschaftsjournalistin die Welt. Dabei erreicht sie ein Millionenpublikum. Ihre Themen sind so vielfältig wie die Chemie, mit der man, wie sie sagt, fast alles erklären könne, seien es die Folgen von Alkoholgenuss oder die Ausbreitung des Coronavirus. Sachlichkeit ist ihr dabei oberste Pflicht. Bei Mai Thi Nguyen-Kim lernen schon die Jüngsten: Wissenschaft kann begeistern – und gemeinsam vernünftig zu handeln, bringt eine Gesellschaft voran.

Stephan Pusch, Nordrhein-Westfalen
Verdienstkreuz am Bande

Als sich im Februar das Coronavirus in Heinsberg als erstem Landkreis in Deutschland rasant ausbreitete, wurde in den Medien der Begriff das deutsche Wuhan geprägt. Stephan Pusch ist Landrat von Heinsberg, und er hat mit seinen so schwierigen wie souveränen Entscheidungen Pionierarbeit bei der Eindämmung der Pandemie geleistet. Viele seiner Maßnahmen wurden in den folgenden Monaten von anderen Kreisen in der ganzen Bundesrepublik übernommen. Von Anfang an war es ihm ein besonderes Anliegen, über die getroffenen Maßnahmen sofort zu informieren und diese zu erklären. Fast täglich wandte sich Stephan Pusch mit Videobotschaften an die Heinsbergerinnen und Heinsberger. Sein beherzter Appell das Medikament heißt Solidarität hat über den Landkreis hinaus den Menschen Mut gemacht und wurde weltweit vernommen.

Elke Schlegel, Rheinland-Pfalz
Verdienstkreuz am Bande

Als junger Mensch in der DDR wurde Elke Schlegel politisch verfolgt, weil sie sich systemkritisch äußerte, kirchlich engagierte und im Weißen Kreis in Jena aktiv war, einer Gruppe, die mit der Forderung nach Ausreise aus der DDR an die Öffentlichkeit ging. Wegen versuchter Republikflucht wurde sie im Frauenzuchthaus Hoheneck inhaftiert. Als Zeitzeugin geht Elke Schlegel heute in Schulen, um jungen Menschen zu vermitteln, was es heißt, in einer Diktatur zu leben. Außerdem setzt sie sich als Regionalbeauftragte der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft in Rheinland-Pfalz für Betroffene ein. Und damit auch an Rhein und Mosel Menschen aus aller Welt verstehen, was die Teilung einst bedeutete, hat Elke Schlegel dafür gesorgt, dass Informationstafeln in vier Sprachen am Deutschen Eck in Koblenz über die einstigen Grenzanlagen, ihre Opfer und den Widerstand in der DDR informieren.

Ingo Schulze, Berlin
Verdienstkreuz 1. Klasse

Auch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung ist für die einen der Osten und für die anderen der Westen noch fremd geblieben. Der Schriftsteller Ingo Schulze setzt sich in seinem Werk mit diesem Zustand auseinander. Seine Protagonisten sind so vielfältig wie die Schicksale im wiedervereinigten Deutschland: Die Helden seiner Bücher haben großen Erfolg oder sie scheitern, sie fühlen sich als Gescheiterte oder als Gewinner. Ingo Schulze stellt Lebensmodelle vor und verdeutlicht an ihnen, wohin den Einzelnen die Lebensbedingungen bis heute gebracht haben. Als einer der meistgelesenen deutschen Gegenwartsautoren, dessen Werk bereits in mehr als 30 Sprachen übersetzt ist, treffen seine Themen den Nerv der Zeit. Er ist ein politischer Autor, der zuhört, sich in die aktuellen Debatten einbringt und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt engagiert. Damit hat er sich nicht nur als politischer Künstler, sondern auch als engagierter Demokrat verdient gemacht.

Leila Younes El-Amaire, Berlin
Verdienstkreuz am Bande

Leila Younes El-Amaire setzt sich in zahlreichen Projekten für gesellschaftliche Teilhabe von jungen Menschen und gegen Rassismus ein. Sie liebt Poetry-Slam und hat, auf ihren eigenen Erfahrungen aufbauend, den Verein i,Slam gegründet, der junge Menschen ermutigt, sich auf einer Bühne zu allem, was sie betrifft, zu äußern. Was als lockerer Treffpunkt in Berlin begann, hat heute viele in ganz Deutschland erreicht. Ein weiteres Projekt, bei dem sich Leila Younes El-Amaire einbringt, ist JUMA – jung, muslimisch, aktiv, das muslimischen Jugendlichen eine Stimme gibt. Mit ihrem Engagement verfolgt sie ein zutiefst demokratisches Ziel: Junge Menschen sollen sich als Teil der Gesellschaft verstehen, sich nicht selbst abgrenzen und sich auch nicht ausgrenzen lassen. Sie tritt für ein tolerantes Miteinander ein, bei dem die eine Generation die nächste stärkt – Werte, die in einer Demokratie unverzichtbar sind.