Grußbotschaft zum Jüdischen Neujahrsfest Rosch ha-Schana

Schwerpunktthema: Bericht

25. September 2022

Der Bundespräsident hat zum jüdischen Neujahrsfest Rosch ha-Schana am 25. September ein Grußwort versandt. Darin heißt es: "Das Engagement an vielen Orten in unserem Land zeigt, wie lebendig und vielfältig das jüdische Leben in Deutschland ist, und das erfüllt mich mit großer Freude. Diese Freude geht aber mit dem Auftrag einher, judenfeindlichen Taten und Äußerungen die Stirn zu bieten und gegen sie zu kämpfen – das lehrt uns die Geschichte."

Ansprache von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in einer Synagoge (Archiv)

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat zum jüdischen Neujahrsfest Rosch ha-Schana am 25. September eine Grußbotschaft gesandt:

Zum Neujahrsfest Rosch ha-Schana sende ich der jüdischen Gemeinschaft in unserem Land meine besten Wünsche für das beginnende Jahr 5783!

Rosch ha-Schana heißt wörtlich übersetzt 'Kopf des Jahres', und in den kommenden zehn Tagen, den ehrfurchtsvollen Tagen bis Jom Kippur, spielt der Kopf eine wichtige Rolle: Denn diese Tage sollen Zeit geben, um gedanklich in sich zu gehen, sich zu besinnen, auf das vergangene Jahr zurückzublicken und sich, wo nötig, nach Streitigkeiten zu versöhnen.

Zurückblicken können wir, können Sie auf eine große Welle der Solidarität: der Solidarität mit Menschen, die vor Russlands grausamem Angriffskrieg aus der Ukraine flüchten müssen. Es schmerzt, dass unter diesen Flüchtenden viele Menschen jüdischen Glaubens sind und auch ukrainische Jüdinnen und Juden, die schon von den Nationalsozialisten verfolgt wurden. Noch im Oktober vergangenen Jahres, vor Russlands Angriffskrieg, hatte ich in Babyn Jar gemeinsam mit dem israelischen Staatspräsidenten Herzog und unseren ukrainischen Gastgebern der Opfer des Menschheitsverbrechens von Nazideutschland gedacht.

Dass sich heute viele jüdische Gemeinden hier in Deutschland für die Flüchtenden engagieren, mit Willkommenszentren, Deutschkursen, Kinderbetreuung, aber auch gemeinsamen Feiern, dafür danke ich Ihnen von Herzen! Diese große Mitmenschlichkeit durfte ich in einem jüdischen Bildungszentrum in Berlin erleben, wo geflohene Kinder der jüdischen Gemeinde Odessa Zuflucht finden konnten.

Das Engagement an vielen Orten in unserem Land zeigt, wie lebendig und vielfältig das jüdische Leben in Deutschland ist, und das erfüllt mich mit großer Freude. Diese Freude geht aber mit dem Auftrag einher, judenfeindlichen Taten und Äußerungen die Stirn zu bieten und gegen sie zu kämpfen – das lehrt uns die Geschichte. Ich durfte im Juli eine Laudatio auf Margot Friedländer halten, als sie für ihren unermüdlichen Einsatz für Erinnerung, Verständigung und Toleranz mit dem Walther-Rathenau-Preis ausgezeichnet wurde. Kurz zuvor hatte ich Walther Rathenaus an seinem 100. Todestag gedacht, dem deutschen Außenminister der Weimarer Republik, ermordet von antisemitischen Extremisten.

Judenfeindlichkeit darf keinen Platz haben in unserem Land. Wir müssen uns mit aller Kraft widersetzen, wenn gegen jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger gehetzt und antisemitisches Gedankengut verbreitet wird. Das gilt überall, in allen Bereichen unseres gemeinsamen Lebens.

Wenn am Höhepunkt des Neujahrsfestes das Schofarhorn geblasen wird, durchdringt das den ganzen Körper. Es soll die Gläubigen an ihre moralischen Pflichten in den ehrfurchtsvollen Tagen erinnern. Ich wünsche mir, dass dieser durchdringende Ton uns alle zu Rosch ha-Schana dazu ermuntert, uns für ein friedliches und neugieriges Miteinander in Vielfalt einzusetzen. Ich wünsche Ihnen und uns allen: Shana Tova!