Neujahrsgruß für die Angehörigen der Bundeswehr

Schwerpunktthema: Bericht

15. Januar 2015

Bundespräsident Joachim Gauck hat der Zeitung "Bundeswehr aktuell" einen Neujahrsgruß geschickt, der am 12. Januar erschienen ist. Darin sagt er: "Meine Bitte: Sprechen Sie noch mehr als bisher über das, was Sie tun. Sie können Erfahrungen einbringen, die wertvoll sind für die öffentliche Diskussion. Unser Land braucht selbstbewusste Staatsbürger in Uniform. Es verdankt Ihnen viel."

Bundespräsident Joachim Gauck im Gespräch mit Bundeswehrsoldaten (Archiv)

Bundespräsident Joachim Gauck hat der Zeitung Bundeswehr aktuell einen Neujahrsgruß geschickt, der am 12. Januar erschienen ist:
Für diesen Gruß zum Neuen Jahr kommen mir zuerst die Klassiker in den Sinn: Gesundheit, Glück und gutes Gelingen. All das wünsche ich Ihnen von Herzen, möchte aber gern noch etwas besonders Aktuelles hinzufügen. Ich wünsche Ihnen für 2015 vor allem Selbstbewusstsein – verbunden mit dem Bewusstsein, dass unser Land für universelle Werte eintritt. Dies zu wissen, kann Ihnen dabei helfen, die weltweiten Einsätze in Krisengebieten zu bewältigen. Ich bin überzeugt, die deutschen Streitkräfte haben gute Gründe, selbstbewusst zu sein. Sie sind leistungsfähig. Sie sind anerkannt. Und ich möchte, dass Sie wissen, dass ich oft als Bundespräsident die Wertschätzung für Ihre Arbeit stellvertretend entgegennehmen darf.

Jüngstes Beispiel dafür war die ISAF-Mission in Afghanistan. Eine abschließende Bewertung des Einsatzes wird erst mit mehr Abstand zu den Ereignissen möglich sein, aber Tatsache ist schon heute: Die Deutsche Botschaft in Kabul und das Generalkonsulat in Mazar-e Sharif erfahren viel Dank für all das, was nicht zuletzt von deutscher Seite – durch Soldaten wie Entwicklungshelfer – ermöglicht wurde. Straßen, Brücken und andere Infrastrukturen wurden in Stand gesetzt oder neu gebaut. Mehr Menschen als je zuvor haben jetzt Zugang zu Wasser und Strom, zu ärztlicher Versorgung und Bildung. Dass die Mädchenschulen in Zeitungsberichten häufig genannt werden, ist kein Zufall. Um jede Schuleröffnung wurde und wird hart gerungen. Und jede erinnert daran, dass gleichberechtigte Teilhabe für afghanische Frauen immer noch die Ausnahme ist, nicht Alltag. Dieses Beispiel zeigt: Es gibt keine einfachen Urteile, keine Fortschritte, bei denen nicht hinzuzufügen wäre, welche lange Wegstrecke noch zu bewältigen bleibt. Und ohne ein sicheres Umfeld, das Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, zuletzt auch gemeinsam mit afghanischen Sicherheitskräften geschaffen haben, wären diese Fortschritte nicht erreicht worden.

Viele Beobachter stimmt es zuversichtlich, dass die Anfänge eines funktionierenden demokratischen Gemeinwesens zu erkennen sind. Den regierungsfeindlichen Kräften ist es nicht gelungen, das wichtigste Ergebnis der Präsidentschaftswahlen zu verhindern – den ersten friedlichen Machtwechsel Afghanistans. Ohne Zweifel gehört dies zu den Erfolgen der afghanischen Sicherheitskräfte, deren Ausbildung auch von deutschen Soldatinnen und Soldaten geschützt und gefördert wurde. Offensichtlich ist aber zugleich: Die Sicherheitslage bleibt fragil. Der Drogenanbau boomt, und die Entwicklung wünschenswerter Wirtschaftszweige scheint in weiter Ferne. Es muss ernüchternd stimmen, dass Regionen des Landes, in denen Sie unter großen Gefahren gekämpft haben, inzwischen wieder in Händen der Regierungsgegner sind. Ich kann verstehen, dass einige von Ihnen fragen, ob das deutsche Engagement letztlich als Erfolg zu bezeichnen sein wird.

Als Bundespräsident möchte ich Sie jedoch bestärken. Sie sind im Namen unseres ganzen Landes in Afghanistan, im Namen der Bundesrepublik. Der Kampf gegen den internationalen Terrorismus brachte Sie zu Ihrer Mission. Und Ihr Engagement für Frieden, Freiheit und Demokratie bleibt weiterhin wertvoll. Auch wenn diese Ziele nur mühsam und oft erst nach vielen Jahren erreichbar sind, so begründen und prägen sie doch Ihre Arbeit für unsere Sicherheit und die Sicherheit Schutzbedürftiger. Das macht Sie, liebe Soldatinnen und Soldaten, zu Botschaftern des wichtigsten universellen Grundsatzes: Die Menschenwürde ist unantastbar. Bei aller Verschiedenheit von Herkunft, Kulturen und Religionen müssen Menschen respektvoll und gleichberechtigt auf dieser Erde leben können.

Der Einsatz für Frieden und Sicherheit, für Werte und Rechte hat seinen Preis. Mehr als 130.000 deutsche Soldatinnen und Soldaten haben in 13 Jahren ISAF ihr Leben riskiert. Für diesen Mut möchte ich Ihnen danken, stellvertretend für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes. Danken möchte ich auch den zahlreichen Kooperationspartnern. Ich weiß, dass eine solche Mission nur gelingt, wenn militärische und zivile Kräfte gut zusammenspielen.

Mein tiefes Mitgefühl gilt den Familien und Freunden der Gefallenen. Und es gilt all jenen, die körperlich und seelisch verwundet zurückgekehrt sind und an den Folgen schwer zu tragen haben. Auch ihre Geschichten gehören zur ISAF-Bilanz.
Ich wünsche mir, dass sie gehört werden, weil unsere Gesellschaft auch diesen Teil der Wirklichkeit für eine differenzierte Auseinandersetzung zum Thema Auslandseinsätze braucht.

Nachdem der Bundestag im Dezember die Fortsetzung des deutschen Engagements im Rahmen der Resolute Support Mission der NATO beschlossen hat, ist klar: Afghanistan bleibt Einsatzort der Bundeswehr. Deutschland behält seine Führungsrolle im Norden und übernimmt damit weiterhin Verantwortung – in und für Afghanistan sowie im Bündnis mit unseren Partnern.

Nicht erst seit dem ISAF-Einsatz wissen wir: Militär allein kann keinen Frieden schaffen. Gebraucht wird eine Mischung aus Diplomatie, Sicherheits- und Entwicklungspolitik, mit ihren jeweiligen Instrumenten. Das Engagement in Afghanistan bleibt ein gesamtstaatliches. Die militärische Komponente ist nur ein Teil davon, wenngleich sie von den Medien oft stärker wahrgenommen wird.

Liebe Soldatinnen und Soldaten,

liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundeswehr,

ich wünsche mir, dass mein Neujahrsgruß Sie alle an Ihren verschiedenen Einsatzorten erreicht – im Inland, wo Sie durch die Umsetzung der neuen Bundeswehrstruktur vielschichtige und fordernde Aufgaben zu bewältigen haben, und genauso im Ausland, wo Sie seit Jahren erfolgreich bestehen und die Bundesrepublik vorbildlich vertreten – ob auf dem afrikanischen Kontinent, im Kosovo, im Mittelmeer oder in der Türkei. Meine Bitte: Sprechen Sie noch mehr als bisher über das, was Sie tun. Sie können Erfahrungen einbringen, die wertvoll sind für die öffentliche Diskussion. Unser Land braucht selbstbewusste Staatsbürger in Uniform. Es verdankt Ihnen viel.