Bundespräsident gratuliert Wolf Biermann

Schwerpunktthema: Pressemitteilung

12. November 2021


Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat dem Liedermacher und Lyriker Wolf Biermann zum 85. Geburtstag am 15. November gratuliert. Der Bundespräsident schreibt:

Meine Glückwünsche gelten einem unverwechselbaren Liedermacher und Dichter. Das wäre ja schon was. Und doch geht es um viel mehr. Denn diese Gratulation sende ich einem unbestechlichen, einem mutigen, einem für zahllose Menschen inspirierenden Wegbereiter der geeinten deutschen Demokratie.

Dem einst geteilten und nun seit mehr als drei Jahrzehnten wiedervereinten Land haben Sie Ihr dichterisches Werk vermacht. Und was für eines: Wer unter Deutschlands Dichtern seit Heinrich Heine kann so genau ins Herz deutscher Zustände treffen, wer seit Bertolt Brecht hat die Widersprüche und Zerrissenheit einer künstlerischen Existenz in der DDR in eine einzige Zeile fassen können. 'Ich möchte am liebsten weg sein – und bleibe am liebsten hier.' Ein bis heute unvergesslicher Satz!

Was es heißt, wenn eine Diktatur in das Privateste hineinschnüffelt, jeden unbeaufsichtigten Dichtervers auslöschen, jede unbotmäßige Liedstrophe zum Verstummen bringen will, das haben Sie hautnah erlebt. Was es bedeutet, wenn ein ganzer Staatsapparat damit beschäftigt ist, immer neu Angst zu verbreiten, um Menschen zu brechen, das haben Sie nicht nur erfahren, Sie haben sich vor allem dagegen gewehrt, indem Sie die Tücke zur Sprache gebracht und damit entwaffnet haben.

Sie haben Enttäuschung und Verfolgung erlebt, wurden von der Bühne verbannt und schließlich aus der DDR vertrieben. Und doch haben Sie in den Stunden größter Bedrängnis zur Ermutigung aufgerufen. Der vermeintliche Triumph über den Bürger Biermann wurde der Diktatur zu einer folgenreichen Niederlage. Ihre Ausbürgerung provozierte einen zuvor noch nie dagewesenen öffentlichen Protest von Künstlerinnen und Künstlern: Es begann ein kultureller Exodus von Ost nach West, der Anfang vom Ende des SED-Regimes.

Freiheit ist bis heute, was Sie beseelt und motiviert. Mit Ihrem tiefen Empfinden für Aufrichtigkeit und Solidarität geben Sie Zeugnis davon, dass Freiheit keine Selbstverständlichkeit ist. Sei es Ihre Unterstützung der weißrussischen Demokratiebewegung, sei es Ihr klares Wort gegen die Demokratieverächter und Antisemiten in unserem eigenen Land. Sie zeigen: Freiheit muss immer wieder erkämpft und verteidigt werden. Dafür stehen Sie mit Ihrem Werk genauso wie mit Ihrer Biographie.