Bundespräsident Steinmeier gratuliert Gerhart Baum

Schwerpunktthema: Pressemitteilung

27.10.2022 10:00


Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gratuliert Gerhart Baum zum 90. Geburtstag am 28. Oktober. Der Bundespräsident schreibt:

Zu Ihrem 90. Geburtstag gratuliere ich Ihnen herzlich und wünsche Ihnen alles erdenklich Gute!

Ihr politisches Leben erstreckt sich nun über eine so lange Spanne, über so viele Jahrzehnte, dass meine Glückwünsche ein gutes Stück bundesdeutscher Zeitgeschichte berühren und in dieser Geschichte mit Ihnen einen der größten liberalen Denker und Politiker unserer Zeit würdigen. Liberale standen oft in Reibung zu den Geschicken eines Deutschlands, das vor 150 Jahren seine Einheit nur um den Preis demokratischer Freiheiten bekam und dem Verhängnis der totalitären Herrschaft des 20. Jahrhunderts verfiel. Umso wichtiger ist es heute, dass wir uns der Bedeutung der schließlich doch errungenen Freiheitsrechte bewusst sind.

'Es gibt keine individuelle Freiheit ohne gesellschaftliche Freiheit', diesen Satz haben Sie – ob als Parlamentarier, Bundesminister des Innern, Jurist und Publizist – immer entschieden verteidigt und beharrlich mit Leben gefüllt. Ich denke dabei insbesondere an Ihren Einsatz für eine den Grundrechten verpflichtete Innenpolitik. Der Gerechtigkeit, Freiheit und Menschlichkeit in unserer Gesetzgebung, in der Rechtsprechung und im Strafvollzug Geltung zu verschaffen, war und ist Ihnen ein Herzensanliegen.

Als UN-Sonderbeauftragter für den Sudan haben Sie sich weltweit für die Einhaltung der Menschenrechte eingesetzt – auch an diese wichtige Aufgabe denke ich an Ihrem Ehrentag.

Unermüdlich haben Sie die demokratischen und freiheitlichen Werte unseres Landes in der Welt verteidigt.

Die Menschen haben stets gespürt, dass hier eine Persönlichkeit agierte, die Freiheit als Verpflichtung gegen Gleichgültigkeit und duldendes Hinnehmen verstand. Verlässlichkeit im Handeln und Klarheit im Wort sind bis heute Ihre Maxime.

In der Aufarbeitung von Krisen, Konflikten und Katastrophen haben Sie im Laufe Ihres politischen Lebens reichlich Erfahrung gesammelt. Als Bundesminister des Innern waren Sie in den vom Kampf gegen den RAF-Terrorismus geprägten Jahren besonders gefordert. Sie haben dazu beigetragen, dass in einer Gesellschaft, die von ideologischer Verblendung und brutaler Gewalt erschüttert wurde, der Rechtsstaat Bestand hatte und glaubwürdig auch die Menschenwürde seiner Gegner wahrte.

Nach dem Ausscheiden aus der aktiven Politik vertraten Sie als Anwalt russische Zwangsarbeiter im Kampf um deutsche Entschädigung für erlittenes Unrecht im Nationalsozialismus. Auch Angehörigen und Opfern des Flugschau-Unglücks in Ramstein, des Absturzes der Concorde und der Loveparade-Katastrophe in Duisburg standen Sie menschlich und juristisch bei.

Erst kürzlich haben Sie als Rechtsbeistand der israelischen Opferfamilien des Olympia-Attentats von 1972 dazu beigetragen, eine Einigung über historische Aufklärung, Anerkennung und Entschädigung zu erzielen. Gern erinnere ich mich an unsere Begegnung in München, wo ein gemeinsames Gedenken mit den Familien der Opfer und mit dem israelischen Staatspräsidenten möglich wurde.

Sie haben nie aufgehört, an unseren Mut und unsere Verantwortung zu appellieren, wenn Menschenrechte, Bürgerrechte und Meinungsfreiheit eingeschränkt, wenn unsere freiheitlichen Werte infrage gestellt werden. Mit der von Ihnen und Ihrer Frau ins Leben gerufenen Gerhart-und-Renate-Baum-Stiftung zeichnen Sie Persönlichkeiten aus, die sich für Menschenrechte und Freiheit einsetzen.

Ihre Überzeugungen wissen Sie nach wie vor mit Nachdruck für die Sache und mit unerschütterlicher Standfestigkeit zu verbinden. Solche Tugenden werden allzeit jung bleiben. Sie haben Ihr Tun stets diesen Überzeugungen gewidmet – und sind damit zum Vorbild auch für nachfolgende Generationen geworden.

Für all das und vieles mehr sage ich Ihnen heute meinen Dank.

Alles Gute zum Neunzigsten!