Bundespräsident Steinmeier kondoliert zum Tod von Margot Friedländer

Schwerpunktthema: Pressemitteilung

9. Mai 2025

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat zum Tod von Margot Friedländer erklärt:

"Die Nachricht vom Tode Margot Friedländers erfüllt mich mit tiefer Trauer. Sie hat unserem Land Versöhnung geschenkt – trotz allem, was die Deutschen ihr als jungem Menschen angetan hatten. Für dieses Geschenk können wir nicht dankbar genug sein.

Margot Friedländer hat als Kind und als junge Frau die Shoah erlebt und überlebt. 'Versuche dein Leben zu machen‘: Diese letzte Nachricht hinterließ ihr ihre Mutter, ehe sie 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet wurde. Für Margot Friedländer, die in Verstecken und schließlich auch ihre Deportation nach Theresienstadt überlebte, wurde dieser Satz zum Vermächtnis und zur Maxime ihres Lebens.

Im hohen Alter kehrte Margot Friedländer aus den USA in ihre Heimatstadt Berlin zurück, in jene Stadt, in der sie selbst gedemütigt, bedroht und verfolgt worden war. Und bis ins hohe Alter hinein berichtete sie hier und in ganz Deutschland von ihrem Schicksal, trat für Demokratie und Menschenrechte ein, wandte sich gegen Hass und jede Form von Rassismus, Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit. Sie wusste, was Menschen anderen Menschen antun können. Und deshalb war es ihr so wichtig, dass die Erinnerung an die Zerstörung von Recht, Freiheit und Demokratie weitergetragen wird. Sie teilte ihre Erinnerung mit uns, damit das, was geschehen war, nicht wieder geschieht. Dafür wurde sie vielfach ausgezeichnet, zuletzt durfte ich ihr das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verleihen.

Ganz besonders am Herzen lagen Margot Friedländer die jungen Menschen in unserem Land. Ihnen erzählte sie, was sie selbst als junge Frau erlebt hatte, sie erzählte von den ungeheuerlichen Verbrechen, die die Nationalsozialisten verübt hatten. Wer das Glück hatte, ihr zuhören zu dürfen, der weiß: Sie erzählte nie mit Bitterkeit oder Wut. Nie klagte sie an. Margot Friedländer hat jeden, der ihr begegnete, mit ihrer Wärme, ihrer Zugewandtheit, ihrer ungeheuren Kraft beeindruckt. Ihre tiefe Menschlichkeit hat mich im Innersten berührt.

Margot Friedländers Vermächtnis ist uns Mahnung und Verpflichtung, gerade in einer Zeit, in der die Demokratie angefochten wird und sich Antisemitismus wieder unverhohlen zeigt, bleibt es unsere Verantwortung, die jüdische Gemeinschaft in unserem Land nie wieder im Stich zu lassen.

Ich hatte das Glück, sie oft treffen zu können, zuletzt bei der Ehrung mit dem Sonderpreis des Westfälischen Friedens im April dieses Jahres. Und begegnet sind wir uns immer wieder bei Veranstaltungen zur Erinnerung an die Opfer nationalsozialistischen Rassenwahns, zum jüdischen Leben in Deutschland heute und anlässlich öffentlicher Ehrungen. Ich trauere um eine tief beeindruckende Frau, die mir auch persönlich ihre Freundschaft geschenkt hat. Für diese Freundschaft werde ich immer dankbar sein. Margot Friedländer wird uns allen schmerzlich fehlen. Wir werden sie niemals vergessen.

Wir verneigen uns vor Margot Friedländer, dieser wunderbaren deutschen Jüdin aus Berlin."