Abendessen mit dem Präsidenten der Republik Bulgarien

Schwerpunktthema: Rede

Sofia/Bulgarien, , 4. April 2019

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat am 4. April beim Abendessen, gegeben vom Präsidenten der Republik Bulgarien, Rumen Radev, in Sofia eine Ansprache gehalten: "Wir schätzen die Rolle Bulgariens im europäischen Projekt – Ihren umsichtigen und besonnenen Ansatz gegenüber einer fragilen Nachbarschaft auf dem Westbalkan und gegenüber der Türkei, aber ebenso Ihren Einsatz für die Sicherung der EU-Außengrenzen."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hält eine Tischrede beim Abendessen, gegeben vom Präsidenten der Republik Bulgarien, Rumen Radev, im Nationalen Historischen Museum

Gestatten Sie mir, zunächst Ihnen, Präsident Radev, für den herzlichen Empfang zu danken, den Sie mir und meiner Delegation heute bereitet haben. Ihre großzügige Gastfreundschaft ist Ausdruck der engen und freundschaftlichen Beziehungen, die unsere Länder und Völker miteinander verbinden.

Ich bin sehr gern wieder in Sofia, das ich schon als Außenminister zweimal besuchen durfte. Und ich freue mich sehr über diese erneute Begegnung mit Ihnen, Herr Präsident, nachdem wir uns im vergangenen Jahr bereits in Riga getroffen haben. Ich danke Ihnen für die offenen und konstruktiven Gespräche und weiß Ihre Ansichten und Ihre Urteilskraft zu schätzen. Wir beide haben unsere neuen Ämter im Jahr 2017 angetreten, was für Sie den Übergang aus einer herausragenden Laufbahn als Offizier bedeutete. Ich möchte Ihnen für Ihre Klarheit und Offenheit danken, vor allen Dingen bei Ihrem Einsatz für die Zukunft der Demokratie in Europa, und ich möchte meinen tiefen Respekt vor Ihrer Führungsstärke zum Ausdruck bringen.

Im Laufe des Tages hatte ich heute die Gelegenheit zu Begegnungen und Gesprächen mit vielen Bulgarinnen und Bulgaren – Politikern, Intellektuellen, Geschäftsleuten. In jedem dieser Gespräche konnte ich mich davon überzeugen, dass die Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern in den vergangenen 140 Jahren diplomatischer Beziehungen nie enger und stärker waren.

Uns verbindet keine gemeinsame Grenze, aber wir fühlen uns einander auch über unsere Partnerschaft im Rahmen der Europäischen Union und der Nato hinaus verbunden. Millionen von Deutschen genießen ihren Urlaub an den herrlichen Stränden des Schwarzen Meeres. Hunderttausende Bulgarinnen und Bulgaren leben und arbeiten in Deutschland. Mehr als 5.000 deutsche Unternehmen sind in Bulgarien aktiv, und jedes Jahr erlernen tausende Ihrer Landsleute die deutsche Sprache. Dies sind solide Grundlagen für eine gemeinsame Zukunft.

Bulgarien und Deutschland verbindet auch eine dezidiert europäische Perspektive. Das vereinte Europa ist unser Projekt – und es ist ein einzigartiges Projekt!

Unsere Union unterscheidet nicht zwischen Mitgliedstaaten in der geographischen Mitte und solchen in der Peripherie. Es gibt tatsächlich nur zwei Arten von EU-Mitgliedern: kleine Staaten – und Staaten, die noch nicht verstanden haben, wie klein sie im globalen Maßstab sind!

Ich bin fest davon überzeugt, dass die Europäische Union in einer zunehmend multipolaren und unsicheren Welt bei all ihrer Unvollkommenheit für die künftige Sicherheit und den künftigen Wohlstand unseres Kontinents von zentraler Bedeutung bleiben wird. Wir schätzen die Rolle Bulgariens im europäischen Projekt – Ihren umsichtigen und besonnenen Ansatz gegenüber einer fragilen Nachbarschaft auf dem Westbalkan und gegenüber der Türkei, aber ebenso Ihren Einsatz für die Sicherung der EU-Außengrenzen. Bulgarien hat sich durch seinen erfolgreich und professionell ausgeführten Ratsvorsitz im ersten Halbjahr 2018 mit Recht die Anerkennung seiner Partner erworben.

Auf dem gemeinsamen Weg sind wir auch in Zukunft auf das Engagement und den Beitrag Bulgariens angewiesen. Das Jahr 2019 ist ein Schlüsseljahr für Europa – der Brexit und die bevorstehenden Europawahlen sind wichtige Themen. Unsere Union steht auf dem Prüfstand, und unsere demokratischen Gesellschaften werden herausgefordert – von außen wie auch von innen. Unsere Arbeit beginnt zuhause. Wir sind gefordert, Lösungen für die drängenden Probleme in unseren Gesellschaften zu finden. Wir müssen aber auch inspirieren und eine Vorstellung der Zukunft vermitteln, mit der sich die jüngere Generation identifizieren kann.

In diesem Sinne möchte ich Ihnen, Herr Präsident, meine Anerkennung für Ihre klare Sicht und Ihre starke Stimme aussprechen. Wir hoffen, dass Bulgarien einen Weg finden kann, das Vertrauen zwischen seinen politischen Institutionen und Interessengruppen wiederherzustellen. Wir alle, die Bürgerinnen und Bürger Bulgariens wie auch ihre europäischen Partner, können nur profitieren von einer starken Demokratie in diesem Land, von stabilen Institutionen und von einem erneuerten Vertrauen des bulgarischen Volkes in den Rechtsstaat. Deutschland wird Ihnen auf diesem Weg stets ein verlässlicher Freund und Partner sein.

Bitte erheben Sie nun das Glas mit mir auf das Wohl von Präsident Radev, auf eine friedliche und gedeihliche Zukunft der Republik Bulgarien und auf die dauerhafte Freundschaft zwischen unseren Völkern in einem geeinten Europa.