Staatsbankett in Island

Schwerpunktthema: Rede

Reykjavík/Island, , 12. Juni 2019

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat am 12. Juni beim Staatsbankett, gegeben vom isländischen Staatspräsidenten Guðni Jóhannesson in Reykjavík, eine Ansprache gehalten: "Island und Deutschland verbinden heute starke Bande. Über 2.000 Nachfahren der deutschen Einwanderinnen leben heute bestens integriert als isländische Staatsbürger. Wir sind verbunden über die Kultur, mit Künstlern wie Ólafur Elíasson, oder über den Sport, mit Menschen wie Alfreð Gíslason vom THW Kiel."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hält eine Rede beim Staatsbankett, gegeben vom Präsidenten von Island, Guðni Jóhannesson

Gott kvöld og kærar þakkir!

Verehrter Herr Staatspräsident, Ihr Land lehrt die Welt das Fürchten.

Es tut mir leid, Herr Kollege, aber diplomatischer kann ich das aller Übung zum Trotz nicht ausdrücken. Mit den Wikingern ging das los, okay, das lassen wir jetzt einmal beiseite. Dann kamen der Fußball und all das Hu! in den Stadien, bei der EM 2016. Damals hu!-ten nach mancher Schätzung mehr Isländer auf französischem Boden als in ihrer Heimat. Von Vulkanen und Aschewolken will ich heute nicht weiter sprechen, aber jüngst erst haben Sie uns wieder erschreckt! Bei dieser großen internationalen Veranstaltung für Völkerverständigung in Tel Aviv, beim Eurovision Song Contest! Sie wissen genau wovon ich spreche, und ich hoffe, niemand von den Anwesenden ist Mitglied in der Gruppe Hatari. Auch das war ein bisschen zum Fürchten. Aber wirklich auch nur ein bisschen, und auch nicht besonders lange.

Deshalb, wenn Sie mir diese zweite Bemerkung erlauben, lieber Guðni Jóhannesson, deshalb vermute ich hinter alledem auch eher ein ausgeklügeltes Täuschungsmanöver als eine ernstgemeinte Angstkampagne. Eine Finte vielleicht, um einen ganz besonderen Schatz zu bewahren? Um dieses wunderbare Land ganz für sich zu behalten, durch bedrohliches Gebaren nach außen? Eher als Fassade mit großer Freundlichkeit dahinter? Ich habe fast den Eindruck.

Denn wer nach Island kommt, der merkt schnell: Hier ist die Natur nicht furchterregend, sondern einzigartig schön! Hier sind die Menschen nicht angsteinflößend, sondern aufgeschlossen, freundlich und tiefenentspannt!

In den letzten Jahrzehnten sind viele meiner Landsleute hinter dieses Geheimnis gekommen. Angefangen mit hunderten deutschen Frauen – und wenigen Männern –, die ab 1949 als Landarbeiter hierherkamen, auf der Suche nach einem besseren Leben, und die es ganz offensichtlich gefunden haben, denn überwiegend sind sie in Island geblieben. Meine Frau und ich haben uns sehr gefreut, einige dieser Frauen und Männer heute Nachmittag zu treffen und mit ihnen zu sprechen. Gelernt haben das aber auch die vielen deutschen Touristen, die vor allen Dingen in den letzten Jahren in zunehmender Zahl Ihr Land bereisen, und natürlich all die deutschen Firmen, die in Ihr Land investieren und mit Island Geschäfte machen.

Herr Präsident, auch meine Frau und ich sind längst überzeugte Fans Ihres Landes und sind beide sicher nicht zum letzten Mal hier!

Lieber Guðni Jóhannesson, wir beide sind kurz nacheinander ins Amt gekommen, allerdings auf ganz unterschiedlichen Wegen. Wir kommen beide aus der Wissenschaft, aber Sie sind der Wissenschaft viel länger erhalten geblieben als ich! Ich schätze Ihre Perspektive ganz außerordentlich – und bin beeindruckt von Ihrer Arbeit, Ihrem Engagement für sozialen Zusammenhalt und Ihrer Fürsorge für die Schwächsten in der Gesellschaft. Viele der Fragen, die Sie an die Veränderungen unserer Zeit und deren Auswirkungen auf unser Zusammenleben stellen, treiben auch mich um. Ich würde mich freuen, wenn wir den Austausch nicht nur aufrechterhalten, sondern noch viel intensiver gestalten.

Island und Deutschland verbinden heute starke Bande. Über 2.000 Nachfahren der deutschen Einwanderinnen leben heute bestens integriert als isländische Staatsbürger. Wir sind verbunden über die Kultur, mit Künstlern wie Ólafur Elíasson, oder über den Sport, mit Menschen wie Alfreð Gíslason vom THW Kiel. Wir sind aber auch verbunden über den Europäischen Wirtschaftsraum und über das Schengengebiet.

Auch das Nordatlantische Bündnis hält uns zusammen, und unsere gemeinsamen Interessen in der Sicherheitspolitik. Die sicherheitspolitische Bedeutung des Nordens war schon im Kalten Krieg hoch. Sie nimmt in jüngerer Zeit wieder zu. In der Mitte des Atlantiks zwischen Grönland und den britischen Inseln schaut Island auf den Zugang zum Nordmeer, immer öfter auch auf eisfreie Seewege und auf riesige Ressourcenvorkommen. All das führt zu neuen Interessen, neuen Begehrlichkeiten, hoffentlich nicht zu neuen Konflikten. Und damit kommt Island im westlichen Bündnis – und für die deutsche Außenpolitik – eine wichtige Rolle zu.

Hier in Island wissen Sie auch gut, wie sehr unser eigenes Handeln in Wechselwirkung mit unserer Umwelt steht, von der wir abhängig sind. Klimaschutz ist bei Ihnen schon seit Langem weit oben auf der politischen Tagesordnung – nicht als Expertenthema, sondern als Existenzfrage. In Island muss man es nicht besonders erklären: Der Klimawandel zerstört Lebensräume für Mensch und Tier, er führt zu Artensterben und einem Mangel an Ressourcen. Er verändert unsere physische Umwelt, er befeuert bestehende Konflikte und schafft neue Gräben zwischen den Menschen. Am Ende führt er zu großem menschlichem Leid, zu massenhafter Migration und gefährdet damit den Frieden. Gerade die Jüngsten in unseren Gesellschaften fordern heute in ganz Europa zu Recht, dass wir dem Klimawandel mit aller Macht begegnen. Ich bin Ihnen, Herr Präsident, dankbar dafür, dass wir diese große Herausforderung morgen gemeinsam in den Blick nehmen.

Meine Delegation und ich kommen mit besonders wachem Auge in ein Land wie Island, das schon heute all seine Energie für Strom und Heizung aus erneuerbaren Quellen bezieht. Ein Land, das den Schutz der Umwelt als zentralen Wirtschaftsfaktor erkannt hat und konkrete, zukunftstaugliche Antworten darauf entwickelt.

Vor 70 Jahren kamen, beginnend mit der Esja, deutsche Auswanderinnen nach Island, die viel für die Freundschaft zwischen unseren beiden Ländern getan haben. Aber neben der Erinnerung an die Vergangenheit eröffnet diese Reise eben auch einen Blick in die Zukunft. Dafür bin ich sehr dankbar!

Deshalb bitte ich Sie alle, nun mit mir Ihr Glas zu erheben: auf die gute Zukunft unserer Völker in Frieden, Wohlstand und Harmonie mit der Natur, auf Präsident Jóhannesson und Frau Reid, und auf das Wohl aller Isländerinnen und Isländer!