Neuausstattung der Galerie in Schloss Bellevue mit Gemälden aus der DDR

Schwerpunktthema: Rede

Schloss Bellevue, , 29. August 2019

Der Bundespräsident hat die Neuausstattung der Galerie in Schloss Bellevue mit Gemälden von Künstlern aus der DDR am 29. August mit einer Ansprache eröffnet: "Die Bilder, die wir hier ausstellen, zeugen von dem starken Willen der Künstler, sich eine Quer- und Dickköpfigkeit zu bewahren und mit keiner Menge in eine vorgegebene Richtung mitzumarschieren. Sie zeugen von der Widerständigkeit einer individuellen Weltsicht inmitten ideologischer Vereinnahmungsversuche."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hält eine Rede aus Anlass der neuen Kunstausstattung der Galerie von Schloss Bellevue

Schön, dass Sie zu dieser kleinen Vernissage gekommen sind. Wir haben im Schloss Bellevue neue Bilder aufgehängt; nichts Ungewöhnliches vielleicht – ist es aber doch, denn diese Bilder haben eine ganz besondere Bedeutung. Sie erraten es mühelos: Wir erinnern an die Friedliche Revolution in der DDR, die vor dreißig Jahren im Sommer mit den großen Fluchtbewegungen ihre ersten Beben erlebt hat, die von den Oppositionsbewegungen, den vielen, die mit Mut und großem persönlichen Risiko die Veränderung vorangetrieben haben und dann mit Einreißen der Berliner Mauer einen welthistorischen Höhepunkt erreicht haben.

Wir haben aus diesem Anlass diese Eingangsgalerie, durch die alle Besucher des Schlosses kommen, völlig neu gestaltet und Kunst aus der DDR aufgehängt. Kunst, die in den Jahren etwa seit der Ausbürgerung Wolf Biermanns bis zum Mauerfall entstanden ist.

Das erste Datum ist mit Bedacht gewählt, spielt doch die Ausbürgerung Biermanns und der darauf antwortende Protest vor allem von Künstlern und Intellektuellen eine bedeutende Rolle beim immer sichtbarer werdenden Abstand, ja Widerstand vieler Künstler. Biermann selbst hat übrigens in seinem berühmten Kölner Konzert dazu zwei bedeutende Statements gegeben.

Einmal hat er sein Gedicht über Fritz Cremers vom Regime damals gefeierte große Bronzestatue Der Aufsteigende vorgetragen, in dem er mit großem Sarkasmus über dieses Werk als Beispiel für Lebenslügen im sozialistischen Realismus gespottet hat. Die in meinem Alter erinnern sich daran, und den anderen empfehle ich, auf Youtube sich das noch einmal anzuschauen. Und er hat die entscheidende Formel für künstlerisches Engagement unter Gesinnungs- und Ausdrucksdiktaturen geprägt, indem er gesagt hat: Wer sich nicht in Gefahr begibt, der kommt drin um, wo Hölderlin noch etwas abwartender und etwas hoffnungsfroher gedichtet hatte: Wo aber Gefahr ist, da wächst / Das Rettende auch.

Die Bilder, die wir hier ausstellen, zeugen von dem starken Willen der Künstler, sich eine Quer- und Dickköpfigkeit zu bewahren und mit keiner Menge in eine vorgegebene Richtung mitzumarschieren. Sie zeugen von der Widerständigkeit einer individuellen Weltsicht inmitten ideologischer Vereinnahmungsversuche. Sie zeugen von der Bereitschaft, sich in Gefahr zu begeben – um eben nicht darin umzukommen. Und sie zeugen von der Energie, mit der der Wunsch nach Freiheit sich Bahn bricht – nach künstlerischer Freiheit, sicher auch nach politischer Freiheit.

Nun soll das bitte keiner so verstehen, als präsentiere hier ein siegreicher Westen staatsoffziell die Trophäen für die zweifelhafte Überzeugung, Recht behalten zu haben. Vor und mit der Kunst hat niemand Recht. Kunst hat ihr eigenes Recht. Darum nur geht es. Diese Bilder – dass sie hier hängen, hat einen anderen Grund. Diese Bilder hägen hier als eine Art Verbeugung vor diesen – und vor allen anderen – Künstlern, auch Schriftstellern, Musikern, Theaterleuten in der DDR, die etwas riskiert haben, weil sie ihren eigenen Augen, ihrem eigenen Herzen, ihrem eigenen künstlerischen Gewissen folgen wollten oder folgen mussten – und nicht einer verordneten, parteilichen Sicht auf die Welt. Und sie hängen hier als Verbeugung vor allen, die im Jahr 1989 den Mut aufgebracht haben, auf die Straße zu gehen.

Ich danke allen, die möglich gemacht haben, dass diese Bilder nun hier im Schloss Bellevue zu sehen sind. Zuallererst natürlich den Künstlern, die sie geschaffen haben. Ich freue mich, dass heute Hartwig Ebersbach, Angela Hampel, Harald Metzkes und Trak Wendisch hier sind sowie Till Firit, der Sohn des leider verstorbenen Günter Firit.

Dann danke ich den Leitern der Museen, die uns diese Bilder anvertraut haben – keine Selbstverständlichkeit: Herrn Thomas Bauer-Friedrich vom Museum Moritzburg aus Halle an der Saale, Herrn Dr. Joachim Jäger von der Neuen Nationalgalerie hier in Berlin, Herrn Dr. Gisbert Porstmann von den Museen der Stadt Dresden sowie Frau Ines Zinsch von der Stiftung Kunstforum Berliner Volksbank.

Und ein sehr herzlicher Dank geht schließlich an die beiden Kuratoren, Herrn Dr. Michael Philipp und Frau Valerie Hortolani, die schon die Ausstellung Hinter der Maske zur DDR-Kunst vor anderthalb Jahren im Museum Barberini so wunderbar gestaltet haben. Ich durfte die Ausstellung eröffnen, und ehrlich gesagt, erst diese Ausstellung hat mich auf die Idee gebracht, diese Hängung hier vorzuschlagen.

Bis zum nächsten Oktober, wenn wir dreißig Jahre Deutsche Einheit feiern, werden die Bilder nun hier hängen. Sie werden vielen Besuchern sichtbar machen, dass es zweifellos riskant, aber immer auch möglich ist, seinen eigenen Weg zu gehen.

Darüber freue ich mich, und die vielen Besucherinnen und Besucher, die hier vorbeigehen und sicherlich stehen bleiben, auch.

Herzlichen Dank.