Herzlich willkommen in Schloss Bellevue! Ich freue mich sehr, Sie alle hier zu haben.
So oder so ähnlich klingt das, wenn man beim Bundespräsidenten zu Gast ist. Und genau das sind Sie alle heute – obwohl wir wegen der Pandemie nicht in einem Raum zusammen sein können.
Heute am Digitaltag sind wir per Videokonferenz miteinander vernetzt, weil wir uns räumlich noch fern bleiben müssen. Ja, das Virus hält uns nach wie vor auf Abstand. Die vergangenen drei Monate aber haben gezeigt: Unsere Verbundenheit in diesem Land, die haben wir uns zum Glück bewahrt, und ich bin froh, Sie alle heute hier zu Gast zu haben!
Heute ist Digitaltag, aber wenn wir genau hinschauen: Eigentlich ist im Jahr 2020 doch jeder Tag Digitaltag. 74 Prozent der Deutschen nutzen ein Smartphone, 86 Prozent sind im Netz, kaum ein Berufseinsteiger kommt heute ohne digitale Kompetenzen aus.
Uns miteinander vernetzen, um verbunden zu bleiben – diese Erfahrung haben wir während der Pandemie besonders intensiv gemacht:
Auf der Arbeit, wo viele im Homeoffice geblieben sind, andere im Betrieb die Distanz wahren mussten, und wo man sich oft nur noch per Videokonferenz zu sehen bekam. Wo das Lieblingsrestaurant per App erreichbar wurde und der kleine Laden bald per SMS Bestellungen angenommen hat.
In der Familie, wo Oma und Opa Abstand von den Enkeln halten mussten und sich deshalb zum ersten Mal mit Skype und Jitsi, Zoom und Facetime beschäftigt haben. Wo Mediatheken und Streaming die Lücke füllten, die Kino, Konzert und Theater während der Einschränkungen leider hinterlassen mussten.
Beim Infektionsschutz mit modernen Dashboards zum Infektionsgeschehen oder mit der neuen Corona-Warn-App, die den Gesundheitsämtern und damit uns allen bei der Eindämmung des Virus helfen wird. Nicht vergessen: Baldmöglichst installieren, wenn nicht schon geschehen!
Erfahrungen haben wir auch gesammelt bei vielen tollen Projekten und Initiativen, die trotz physischen Stillstands super Ideen gemeinsam auf die Startrampe gesetzt haben, zum Beispiel beim Hackathon #WirVsVirus, dessen Organisatoren ich gestern getroffen habe, jüngst bei #wirfürBildung oder beim Projekt Rettungs-Ring.de, das Menschen einen geschützten Raum bietet, die aufgrund der Pandemie in seelische Krisen geraten sind. Heute Morgen ist das Projekt ausgezeichnet worden.
Kurzum: Je länger wir uns vorstellen, wie einsam und traurig, wie langweilig und deprimierend der Lockdown ohne das Internet, ohne digitale Angebote gewesen wäre, umso bewusster wird uns doch: Digital ist heute unentbehrlich!
Oder vielleicht noch genauer: Diese Krise hat uns schmerzhaft bewusst gemacht, wie sehr wir den direkten, persönlichen und unmittelbaren Kontakt mit anderen Menschen brauchen, das Treffen mit Freunden und das Bier in der Kneipe, den Besuch im Kino und die Feier mit der Familie. All das hat uns doch sehr gefehlt. Aber was wären wir ohne wenigstens die digitalen Kontakte gewesen in diesen langen Wochen auf Abstand! Milliarden Menschen auf der ganzen Welt, die Smartphone, Notebook, Tablet und andere digitale Möglichkeiten nutzen, die große Mehrheit hier in Deutschland, zeigen uns: Digitales Rüstzeug gehört zu unserem Leben, und kaum jemand mehr will es missen.
Das ist die eine Seite. Wahr ist aber auch: Die Krise hat viele digitale Defizite schonungslos ausgeleuchtet, ganz besonders in den Schulen und in der öffentlichen Verwaltung, wo sich fehlende technische Voraussetzungen mit versäumter Fortbildung sowie jahrzehntealten Verfahren oft zu einem sehr unglücklichen Bild zusammengefügt haben.
Viel aufzuholen haben wir auch beim gerechten Zugang zur digitalen Grundversorgung, etwa auf dem platten Land oder für Familien, wo nicht jedes zweite Jahr ein neues iPad unter dem Tannenbaum liegt oder ein neuer Laptop zum Geburtstag kommt, wo sich in der Krise alle Geschwister das alte Handy der Mutter teilen müssen, um die Schulaufgaben erledigen zu können.
Digitalisierung ist niemals ein abstrakter, rein technischer Vorgang. Im Gegenteil: Digitalisierung ist menschengemacht – und sie sollte uns menschlicher machen!
Daran müssen wir unseren Weg durch die digitale Moderne messen. Je freiheitlicher, je menschlicher wir ihn beschreiten, umso mehr werden wir dabei als Gesellschaft aneinander wachsen: rücksichtsvoll und solidarisch, mündig und nahbar.
Deshalb geht es heute im digitalen Schloss Bellevue auch nicht um Gadgets und Algorithmen, um Daten und Sensoren, auch nicht um die Avantgarde im Silicon Valley oder in Berlin-Mitte.
Sondern heute geht es uns um die Digitalisierung im echten Leben, im zwischenmenschlichen Alltag: um die DorfFunk-App
und die Klönstube
, um Ovenhausen und Betzdorf-Gebhardshain und um die vielen anderen Initiativen im ganzen Land, von Menschen für Menschen, die Sie heute vertreten.
In diesem Sinn freue ich mich jetzt sehr auf das Gespräch mit Ihnen allen – ganz digital und trotzdem von Mensch zu Mensch!