Richterwechsel am Bundesverfassungsgericht – Entlassung und Ehrung von Andreas Voßkuhle sowie Ernennung von Stephan Harbarth zum Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Ernennung von Doris König zur Vizepräsidentin des Bundesverfassungsgerichts und Ernennung von Astrid Wallrabenstein

Schwerpunktthema: Rede

Schloss Bellevue, , 22. Juni 2020

Bundespräsident Steinmeier hat am 22. Juni anlässlich des Richterwechsels am Bundesverfassungsgericht eine Rede in Schloss Bellevue gehalten: "Es sind nicht zuletzt Polizistinnen und Polizisten, die den öffentlichen Raum schützen, die sich Hass und Gewalt mutig entgegenstellen. Übergriffe auf Polizistinnen und Polizisten müssen mit den Mitteln des Rechtstaates geahndet werden."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hält eine Ansprache zum Richterwechsel am Bundesverfassungsgericht im Großen Saal in Schloss Bellevue

Herzlich willkommen Ihnen allen! Wir mussten den Termin etwas hinauszögern, weil die Politik sich mit der Nachbesetzung der verschiedenen Positionen etwas mehr Zeit gelassen hat als üblich. Ich denke, lieber Herr Masing, Ihnen wäre es auch ganz recht gewesen, wenn die Nachfolge für Sie bis heute hätte geklärt werden können. Das ist nicht der Fall. Aber auch wenn Sie bis auf Weiteres im Amt bleiben, braucht man keine prophetische Gabe, um festzustellen: Wir werden uns bald wiedersehen!

Richterwechsel am Bundesverfassungsgericht sind besondere Termine im Verfassungsleben unseres Staates. Und sie sind es natürlich vor allem dann, wenn ein Präsident verabschiedet, sein Nachfolger ernannt wird und auch eine neue Vizepräsidentin ihr Amt antritt.

Unser heutiges Zusammentreffen ist für mich aber auch Gelegenheit, um deutlich zu machen: Unser Rechtsstaat funktioniert! Wir leben nicht – auch jetzt in Corona-Zeiten nicht, wie der eine oder die andere meint – in einem rechtsfreien Raum. Aus aktuellem Anlass erinnere ich daran: Es sind nicht zuletzt Polizistinnen und Polizisten, die den öffentlichen Raum schützen, die sich Hass und Gewalt mutig entgegenstellen. Übergriffe auf Polizistinnen und Polizisten müssen mit den Mitteln des Rechtstaates geahndet werden. Gewalt, Vandalismus, schiere Brutalität – wie in Stuttgart am Wochenende gesehen – müssen mit aller Härte des Rechtsstaates verfolgt und bestraft werden. Wer Polizistinnen und Polizisten angreift, wer sie verächtlich macht oder den Eindruck erweckt, sie gehörten entsorgt, dem müssen wir uns entschieden entgegenstellen. Diejenigen, die auf den Straßen und Plätzen Tag für Tag unser friedliches Miteinander schützen und das Gewaltmonopol des Staates verteidigen, alle die verdienen unseren Respekt und unsere Unterstützung.

Wir leben in Corona-Zeiten nicht in einem rechtsfreien und auch nicht in einem grundrechtsfreien Raum. Die Beschränkungen, die es gab und gibt, unterlagen immer unabhängiger gerichtlicher und verfassungsgerichtlicher Kontrolle am Maßstab unserer Grundrechte und rechtsstaatlichen Prinzipien. Das zeigen die ergangenen Gerichtsentscheidungen auch Ihres Gerichts, in der Sie Einschränkungen der Freiheitsrechte auf ihre Verhältnismäßigkeit überprüft und die Schutzmaßnahmen gegen die Pandemie auf ein aktuell verhältnismäßiges Maß zurückgeführt haben.

Lieber Herr Voßkuhle, mit dem heutigen Tag endet für Sie ein bedeutender Abschnitt ihres beruflichen Lebens. Verfassungsrichter, das ist in Deutschland ein Wahlamt, ausgestattet mit einer der längsten Amtszeiten überhaupt. Zwölf Jahre – eine so lange Zeit dient dazu, die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichts und seiner Richterinnen und Richter zu sichern. Sie gibt den Organwaltern auch Gelegenheit, Rechtsprechungslinien zu entwickeln, Verfassungsfragen über einen längeren Zeitraum auszubuchstabieren, eine ständige Rechtsprechung zu etablieren. Zwölf Jahre bieten auch Gewähr für Kontinuität, Stabilität und damit Erwartungssicherheit für Bürgerinnen und Bürger in Bezug auf die Verfassung und ihre Normen.

Von diesen zwölf Jahren waren Sie zehn Jahre lang Präsident des Gerichts. Das ist nicht trivial, sagen Sie gerne und das hätte auch hier gepasst. Und es ist auch nicht trivial, diese Zeit, Ihre Zeit im Gericht, angemessen und umfassend zu würdigen. Aber vielleicht reichen ein paar kräftige Striche für ein aussagefähiges Portrait.

Als Sie in das Amt eines Verfassungsrichters gewählt wurden, hatten Sie in der Bundesrepublik wohl nur wenige wirklich auf dem Schirm. In den einschlägigen Fachkreisen – bei Verwaltungs- und Verfassungsrechtlern – waren Sie natürlich kein Unbekannter, die besser Informierten sahen in Ihnen schon einen aufgehenden Stern am Himmel des Verfassungsrechts. Aber für die Politik waren Sie noch kein ganz eng beschriebenes Blatt. Sie kamen recht jung in dieses Amt – nach einer wissenschaftlichen Blitzkarriere sozusagen. Denn zuvor waren Sie gerade erst zum jüngsten Rektor der Universität Freiburg gewählt worden – kaum vier Wochen im Amt, ereilte Sie der Ruf nach Karlsruhe. Was zeigt: Jugend ist kein Nachteil – zumal dann, wenn sie sich wie in Ihrem Fall mit Exzellenz verbindet.

Ein klares Anforderungsprofil für Bundesverfassungsrichterinnen und -richter, eine Verfassungsrichterpsychologie gar, gibt es bislang nicht und wird es auch nur schwerlich geben können. Aber es bedarf selbstverständlich besonderer sozialer Kompetenzen, wenn man einem aus ganz unterschiedlichen, aber immer starken Persönlichkeiten bestehenden Gremium wie einem Senat und dem Bundesverfassungsgericht insgesamt vorsteht. Und da war schnell über Sie nur Gutes zu hören. Thomas Darnstädt beschreibt in seinem Buch Verschlusssache Karlsruhe, wie sich die Richter und die wenigen Richterinnen in den fünfziger und sechziger Jahren einander Memos zu ihren unterschiedlichen Positionen über einen Fall geschrieben und mehr oder weniger heimlich zugesandt haben. Auch in den Jahrzehnten danach waren offenbar private Zusammenkünfte und Kontakte zwischen den Mitgliedern des Gerichts eher die Ausnahme. Ich habe mir erzählen lassen, dass sich das in Ihrer Amtszeit, lieber Herr Voßkuhle, grundlegend geändert hat. Sie haben den Arbeitsalltag im Gericht neu geprägt. Und wir alle wissen: Das gelingt nicht mit Befehl und Zwang, sondern allein mit Fingerspitzengefühl und Sensibilität. Beide Kernkompetenzen haben sie als Gerichtspräsidenten ausgezeichnet. Alle, die Sie in dieser Rolle erlebt haben, rühmen Ihre soziale Ader und Ihre Integrationskraft. Senat und Gericht haben – so glaube ich – davon in hohem Maße profitiert. Es ist heute vielleicht nicht mehr ganz so ungewöhnlich, wie es wohl noch vor zehn oder fünfzehn Jahren gewesen wäre. Aber es ist doch bemerkenswert, wenn sich alle Richterinnen und Richter untereinander duzen – zumal dann, wenn dies über politische und verfassungspolitische Positionen hinweg erfolgt. Dass Richterinnen und Richter gemeinsam einen Skiurlaub gemacht haben – so wurde mir gesagt – hat den Teamgeist gestärkt. Ob das für gemeinsame Kochabende – die soll es auch gegeben haben – in gleicher Weise gilt, wage ich zu bezweifeln. Zwischen den Rezeptgläubigen und den Kreativen klaffen da ja bekanntlich Welten. Dennoch: Solche Aktivitäten schaffen eine Atmosphäre des gegenseitigen Verständnisses, selbst dann, wenn man tags darauf wieder über rechtliche und verfassungsrechtliche Bewertungen anhängiger Streitfälle diskutiert.

Lieber Herr Voßkuhle, Insider berichten, Sie sagten von sich selbst, Repräsentieren läge Ihnen nicht so sehr – ein wirklich schönes Understatement. Denn, lieber Herr Voßkuhle, Sie haben das Bundesverfassungsgericht exzellent nach außen vertreten. Der Präsident ist das Gesicht des Bundesverfassungsgerichts. Ihr Gesicht machte die Institution im Staat sichtbar.

Und es ist im Zweifel der Präsident, der die Rolle des Bundesverfassungsgerichts erläutert oder sich auch der Kritik von Entscheidungen öffentlich stellen muss. Denn auch das Gericht ist gegen Kritik nicht gefeit! Wem sage ich das? – Am Ende Ihrer Amtszeit steht die Entscheidung des Zweiten Senats zum Staatsanleihekaufprogramm der EZB. Die Entscheidung hat im politischen Raum keine ungeteilte Zustimmung erfahren und die öffentliche Diskussion dazu hält an. Es ist heute nicht die Stunde, einen Diskurs über diese Entscheidung zu führen, aber wir werden angesichts der fortdauernden Debatten sehen, was daraus in Zukunft wird. Ich hoffe auf Kooperation statt Konfrontation der Institutionen.

Mit meinem Hinweis auf die Senatsentscheidung zur EZB wird schon deutlich, dass Sie als Präsident im verfassungsgerichtlichen Verfahren Primus inter Pares sind. Und so haben Sie, lieber Herr Voßkuhle, wie alle Ihre Kolleginnen und Kollegen auch, ganz selbstverständlich zahlreiche Verfahren als Berichterstatter betreut: 2.205 waren es insgesamt, davon 2.130 Verfassungsbeschwerden. Verfassungsbeschwerden sind das Hauptgeschäft, vielleicht auch manchmal die Mühsal des Verfassungsgerichtsalltags – sie haben oft nicht die Öffentlichkeitswirksamkeit, wie die großen staatsorganisationsrechtlichen Verfahren, in denen der Zweite Senat entscheidet, die durch mündliche Verhandlungen meistens oder jedenfalls häufig medien- und öffentlichkeitswirksam sind. Eine kleine Anzahl von Verfahren möchte ich hier nennen, von denen ich vermute, dass sie Ihnen besonders wichtig waren:

All die Prozesse, in denen es um die europäische Integration ging – vom Lissabon-Vertrag, über das Verfahren zum europäischen Stabilitätsmechanismus ESM, bis zum genannten Urteil über das Anleihekaufprogramm der EZB.

Wichtig waren Ihnen auch die Verfahren zum Beamtenrecht, zuletzt die Entscheidung über das Beamtenstreikverbot. In diesen Entscheidungen kommt – so mein Eindruck – Ihre Grundhaltung zum Ausdruck, den Staat funktionsfähig zu wissen und Staatlichkeit im Verfassungsstaat des 21. Jahrhunderts und unter Bedingungen gesellschaftlichen Wandels erkennbar zu halten und zu definieren.

In diese Reihe und zu dieser Grundhaltung passen auch die Urteile zu Fragen des demokratischen Verfahrens im Bundestag und zu den parlamentarischen Oppositionsrechten.

Und zuletzt erwähne ich das Plenarverfahren zum Luftsicherheitsgesetz. Sie sollen gesagt haben: Wer einmal ein Plenum in seiner Amtszeit mitgemacht hat, hat eher wenig Lust auf ein weiteres. Ich stelle fest: Ihr Aufstöhnen ist offensichtlich gehört worden.

Dass demokratisch-rechtsstaatliche Institutionen und Verfahren für Bürgerinnen und Bürger erkennbar und wahrnehmbar sind, vor allem dass Sie so sehr Wert auf Verständlichkeit staatlicher Entscheidungen legen, entspricht zutiefst Ihrer Überzeugung! Eine Überzeugung, die vielleicht auch ein wenig von Ihrer ostwestfälisch-lippischen Herkunft geprägt ist, die uns beide verbindet. Geboren in einer Region, in der die Menschen nüchtern sind und ihre Sprache lakonisch und direkt – aufgewachsen in Detmold, einer mittelgroßen Stadt, die maßgeblich durch viele Stellen staatlicher Verwaltung geprägt ist, lernten Sie schon früh, wie sehr Akzeptanz und Vertrauen von Sichtbarkeit und Nachvollziehbarkeit staatlicher Entscheidungen abhängt. Diese Überzeugung haben Sie bis heute, und haben diese Überzeugung auch auf die Verantwortung als Präsident des Verfassungsgerichts übertragen. Öffentlichkeitsarbeit und Sichtbarkeit des Verfassungsgerichts haben Ihnen auch hier besonders am Herzen gelegen und Sie haben erfolgreich viel Kraft und Zeit investiert, um Karlsruhe in der Republik sichtbar zu machen.

Die Sichtbarkeit des Bundesverfassungsgerichts hatte in Ihrer Amtszeit – wortwörtlich – eine besondere Bedeutung. Das Bundesverfassungsgericht musste an einen Ersatzstandort ausweichen, weil das Gebäude im Schlossbezirk umfänglich modernisiert und renoviert werden musste. Dieses Bauvorhaben machten Sie zur Chefsache. Die Instandsetzung wurde in vergleichsweise kurzer Zeit – und das muss man heutzutage ja betonen – exakt zum geplanten Zeitpunkt ohne Verzögerungen verwirklicht. Sie sollten sich überlegen, Workshops zum termingerechten Bauen für andere Teile der öffentlichen Verwaltung anzubieten. Ich hätte da eine Reihe von Beispielen, wo Beratungsbedarf herrscht. Ihr dienstliches Engagement traf sich hier mit Ihrer privaten Vorliebe für Architektur und Kunst. Das Projekt ist hervorragend gelungen, wie man heute in Karlsruhe besichtigen kann, auch wenn Gerhard Richter nicht, wie von Ihnen erhofft, ein großes Gemälde für das Bundesverfassungsgericht schaffen durfte.

Das Bild von Andreas Voßkuhle wäre natürlich unvollständig, wenn man nicht auch die Themen erwähnen würde, denen Sie sich publizistisch sowohl als Verfassungsgerichtspräsident wie auch als Wissenschaftler gewidmet haben. Drei möchte ich hervorheben:

An erster Stelle – das verwundert nicht – stand der direkte Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern, um den Menschen in unserem Staat, seine Verfassungsmechanik, Rechtsstaatlichkeit und demokratische Ordnung, das Gericht und seine Rechtsprechung zu erklären. Es war eine Premiere 2019 und wahrscheinlich eine besondere Herausforderung, sich zum Jubiläum des Grundgesetzes im Fernsehen unmittelbar den Fragen der Bürgerinnen und Bürger zu stellen. Aber Herausforderungen, das weiß ich, haben Sie nie gescheut, lieber Herr Voßkuhle. Ich bin Ihnen persönlich sehr dankbar, dass Sie darüber hinaus im letzten Jahr an der großen Kaffeetafel im Garten hinter mir zum 70. Geburtstag des Grundgesetzes nicht nur teilgenommen haben, sondern auch dort den 220 Gästen aus allen Teilen der Republik Rede und Antwort gestanden haben und in Ihren Schlussworten die Bedeutung der Verfassung für die gelebte Demokratie hervorgehoben haben, ohne die Bürger aus ihrer Verantwortung dabei zu entlassen. Sie haben die Verfassung als Raum von Möglichkeiten beschrieben, die ihren Wert erst durch Inanspruchnahme und Beteiligung erhalten.

Ein zweites Thema lag Ihnen am Herzen: der Verbund von Verfassungsgerichten – die Kommunikation, der Gedankenaustausch und die Kooperation auch mit den überstaatlichen Gerichten, namentlich dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg und dem Gerichtshof der Europäischen Union, und daneben natürlich und umfangreicher noch der Austausch mit den Verfassungsgerichten in anderen Staaten der Welt. Ihre Amtszeit ist gekennzeichnet durch eine verfassungsgerichtliche Außenpolitik, durch viele Treffen mit Verfassungsrichterkolleginnen und -kollegen aus anderen Staaten – nicht immer einfach und gerade mit Blick auf Entwicklungen in Teilen Europas auch enttäuschend. Enttäuschend auch für Sie, wie ich aus unseren gemeinsamen Gesprächen weiß.

Und drittens: Sie machten deutlich, dass unsere Verfassung und Gesellschaftsordnung eine der liberalen Mitte ist. Die Verfassung der Mitte – so auch der programmatische Titel einer Ihrer Publikationen – ist auf ein Miteinander, auf Kompromiss und auf Problemlösung angelegt. Die Verfassung der Mitte betont das Gemeinsame und den Zusammenhalt, nicht das Trennende und die gesellschaftliche Spaltung.

Lieber Herr Voßkuhle, Sie haben immer wieder durch zu Recht vielbeachtete Beiträge, die auch für mich immer wieder Anregung waren, in den Diskurs um den Weg unserer Gesellschaft in Deutschland und Europa eingegriffen. Die gemeinsame Grundlinie dieser Beiträge ist der Wunsch nach Versöhnung, Ausgleich und Integration – ohne allerdings auf die intellektuelle Schärfe des eigenen Arguments zu verzichten oder gar der Neigung nachzugeben, Dinge unter den Teppich zu kehren.

Gesprächsbereitschaft und Neugier auf das andere Argument, dieser Wesenszug ist nicht nur für Ihr richterliches und akademisches Wirken charakteristisch, er ist es auch im unmittelbaren Kontakt mit Kolleginnen und Kollegen, mit Ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen oder ganz einfach mit den Menschen in Ihrem Umfeld.

Lieber Herr Voßkuhle, wer Sie fern der Repräsentationsaufgaben oder ganz privat trifft, erlebt den Menschen Voßkuhle, ohne die Gravitas des Karlsruher Amtes: ganz einfach verbindlich, humorvoll, zugänglich. Auch da sind Sie ein Brückenbauer, der Distanz zu überwinden weiß, Hierarchien ignorieren und – wo sie bestehen – Gräben zuschütten kann. Und so wird gerühmt, dass Sie ein in allen Dingen präsenter Präsident gewesen seien, der im Gericht für alle ein offenes Ohr hatte, für Ihre Kolleginnen und Kollegen, die Justizbediensteten des Gerichts oder die Bundespolizisten und -polizistinnen an der Wache. Bei Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Dezernat sind Sie ein hochgeschätzter Chef, mit dem man nicht nur über Staatsrecht spricht, sondern auch über Kunst, Musik oder alte und neue Filme diskutieren kann – eines Ihrer Lieblingshobbys. Sie gehören auch zu den Pionieren der Frauenförderung und Familienfreundlichkeit im Bundesverfassungsgericht. Ich hoffe, das hat man mir richtig berichtet! Aber vielleicht spricht hierfür auch die Tatsache, dass Ihr Dezernat das mit den meisten Kindern im Bundesverfassungsgericht sein soll.

Lieber Herr Voßkuhle, eine lange Amtszeit geht zu Ende. Manche fühlen sich nach einer so langen Zeit leer und vielleicht auch etwas orientierungslos. Das müssen wir bei Ihnen nicht befürchten. Bei Ihnen bin ich sicher, es gibt wissenschaftlich viele Themen, die Sie anpacken wollen und anpacken werden. Und gewiss wird es Sie freuen, öfter zu Hause zu sein, in Freiburg, in Ihrem Ferienhaus, wie Sie Ihr Domizil angesichts der vielen dienstlich bedingten Abwesenheiten immer wieder genannt haben. Und ich denke, auch Sie, liebe Frau Voßkuhle, werden froh sein, Ihren Mann wieder häufiger zu sehen. Das verlangt Eingewöhnung und Umgewöhnung, aber vor allzu großer Daueranwesenheit am nunmehr ersten Wohnsitz in Freiburg müssen Sie sich nicht allzu sehr fürchten, denn lieber Herr Voßkuhle, Ihre Äußerung, sich mit öffentlichen Beiträgen in der näheren Zukunft zurückzuhalten, wollen wir nicht gar so ernst nehmen. Ich möchte jedenfalls auf Ihre Einmischungen nicht verzichten und erwarte, wie viele andere, noch viele wegweisende Debattenbeiträge – gar nicht nur in der Staatsrechtswissenschaft, sondern auch in gesellschaftspolitischen Fragen. Und dass Sie, das ist, glaube ich, schon entschieden, den Vorsitz bei Gegen Vergessen – Für Demokratie e. V. übernehmen, ist ja auch vielleicht ein erster Hinweis darauf, und ich bin Ihnen persönlich dafür sehr dankbar.

Selbst wenn Sie weiter aktiv und viel unterwegs sein werden – Sie werden mehr Zeit mit Ihrer Frau verbringen können, mit Kochen, mit Wandern und Tennis, auch mit dem Besuch der neuesten cineastischen Ereignisse. Wenn denn die Kinos bald mal wieder öffnen. Das sehne ich ebenso herbei wie Sie! Und Sie werden die Zeit finden, wieder aus Romanen mehr zu lernen als aus Sachbüchern. So haben Sie es selbst mal, wie ich finde in wunderbarer Weise, formuliert.

Lieber Herr Voßkuhle, als sichtbare Anerkennung Ihrer Verdienste für unseren Staat darf ich Ihnen gleich – nach Überreichung der Entlassungsurkunde – das Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verleihen.

Dazu darf ich Sie zunächst nach vorne bitten.

Lieber Herr Harbarth, der Bundesrat hat Sie am 15. Mai 2020 zum Nachfolger von Herrn Voßkuhle und damit zum Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts bestimmt. Dazu darf ich Ihnen von Herzen gratulieren. Sie sind gut auf dieses Amt vorbereitet, mit Ihren Erfahrungen als Anwalt, Politiker und Ihren wissenschaftlichen Aktivitäten an der Universität Heidelberg. Da Sie bereits ein Jahr Vizepräsident des Gerichts sind, wissen Sie, lieber Herr Harbarth, was auf Sie ab heute zukommt. Für Ihr neues Amt wünsche Ihnen viel Erfolg!

Ich darf Sie nun zur Ernennung nach vorne bitten.

Liebe Frau König, herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Wahl zur Vizepräsidentin des Bundesverfassungsgerichts. Die Politik hat sich ein wenig Zeit damit gelassen – mit Vakanzen in Karlsruhe scheint es zu sein wie mit Weihnachten: Sie kommen immer so überraschend!

Mit Ihnen ist erstmals seit der Amtszeit Jutta Limbachs wieder eine Frau Vizepräsidentin des Gerichts – es wurde auch Zeit, hat der eine oder andere gesagt. Und auch Sie, liebe Frau König, sind gut für das neue Amt gerüstet und kennen die Aufgaben, die zukünftig neben Ihrem richterlichen Alltag auf Erledigung warten. Sie sind bereits seit 2014 Richterin des Bundesverfassungsgerichts. Zuvor hatten Sie mit einem Masterstudium internationale Erfahrungen gesammelt, waren drei Jahre Richterin am Landgericht in Hamburg, bevor Sie in die Wissenschaft wechselten. Und Sie waren auch schon einmal Präsidentin – Präsidentin nämlich der Bucerius Law School von 2012 bis zu Ihrer Wahl an das Bundesverfassungsgericht. Alles Gute für Ihr Amt als Vizepräsidentin!

Ich darf Sie zur Ernennung nach vorne zu bitten.

Liebe Frau Wallrabenstein! Nun ist es endlich soweit! Der Bundesrat hat Sie bereits am 15. Mai zur Richterin des Bundesverfassungsgerichts als Nachfolgerin von Herrn Voßkuhle gewählt. Dazu gratuliere ich Ihnen von Herzen.

Heute beginnt für Sie ein sehr neuer beruflicher Lebensabschnitt – jetzt gehören Sie dem Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts an. Auch Sie sind für Ihr neues Amt bestens gerüstet. Ich denke, ich darf das sagen, und für die meisten hier ist es ohnehin kein Geheimnis, wir beide kommen aus demselben akademischen Stall. Beide durften wir – allerdings zu unterschiedlichen Zeiten; zehn Jahre lagen bestimmt dazwischen –, beide durften wir für einen akademischen Lehrer arbeiten, der dann später Ihr aller Kollege im ersten Senat war: Brun-Otto Bryde. An seiner Professur für Öffentliches Recht und Wissenschaft von der Politik an der Universität Gießen waren Sie nach dem Studium in Münster und – wo sonst, Herr Voßkuhle – natürlich Freiburg, danach waren Sie wissenschaftliche Mitarbeiterin in Gießen. 1999 hatten Sie dort zu dem Thema Das Verfassungsrecht der Staatsangehörigkeit promoviert, 2008 habilitierten Sie dort mit der Arbeit Versicherung im Sozialstaat. Dieses Thema war sicher auch inspiriert durch Ihre anwaltliche Tätigkeit von 2001 bis 2008, in der Sie auch den Bund der Versicherten vor dem Bundesverfassungsgericht vertraten. Seit 2010 haben Sie eine Professur für Öffentliches Recht mit Schwerpunkt Sozialrecht an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt. Den Bezug zur Praxis haben Sie neben Ihrer akademischen Tätigkeit nicht vernachlässigt – so waren Sie Mitglied im Sozialbeirat der Bundesregierung und sind seit 2013 Richterin am Hessischen Landessozialgericht. Auch das Bundesverfassungsgericht kennen Sie, wenn auch von der anderen Seite des Richtertisches. Ich bin überzeugt, dass Ihr Sachverstand und Ihre richterliche Erfahrung eine große Bereicherung für das Gericht sein werden. Und am Ende nicht nur das! Der eine oder andere hat mitgezählt und wird festgestellt haben: Mit Ihrer Wahl ist erstmals die Zahl der Richterinnen und Richter am Bundesverfassungsgericht ausgeglichen!

Ich darf Sie nach vorne bitten und Herrn Harbarth bitte auch.

Liebe Frau Wallrabenstein! Nochmals herzlichen Glückwünsch und viel Erfolg in Ihrem neuen Amt.