Verleihung des Deutschen Schulpreises 20|21 Spezial

Schwerpunktthema: Rede

Berlin, , 10. Mai 2021

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat bei der Preisverleihung zu einer Pandemie-Sonderausgabe des Deutschen Schulpreises am 10. Mai in Berlin eine Ansprache gehalten. Bei der Liveveranstaltung auf dem Deutschen Schulportal sagte er: "Ihnen allen danke ich von Herzen für Ihren großartigen Einsatz! Denn Sie alle beweisen täglich, wie viel sich mit Mut, Leidenschaft und Kreativität bewegen lässt, auch und gerade in der Krise. Ihre Arbeit ist nicht nur systemrelevant, sie ist zukunftsrelevant!"

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hält eine Ansprache auf der rbb Dachlounge während des Livestreams anlässlich der Verleihung des Deutschen Schulpreises 20|21 Spezial in Berlin

Auch ich möchte Sie ganz herzlich begrüßen zu diesem besonderen Finale eines besonderen Schulpreises in diesem Jahr 2021.

Natürlich hätte ich die Vertreterinnen und Vertreter der nominierten Schulen heute gern in einem großen Saal begrüßt und ebenso gern den Gewinnerinnen und Gewinnern nachher die Hand geschüttelt. Aber, Sie wissen es, die Pandemie lässt das nicht, lässt das noch nicht zu, und ich freue mich, dass wir uns wenigstens auf einem digitalen Weg heute miteinander austauschen können; und ich weiß ja, Kameraerfahrung haben mittlerweile alle an den Schulen.

Vor mehr als einem Jahr wurden in unserem Land das erste Mal Schulen geschlossen, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Seitdem müssen Schülerinnen und Schüler immer wieder ganz oder an bestimmten Tagen zu Hause bleiben.

Homeschooling, Distanzunterricht, Wechselbetrieb – diese Wortungetüme sind längst in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen. Aber niemand weiß besser als Sie, welche Herausforderungen und Belastungen sich hinter diesen Begriffen verbergen.

Viele Kinder und Jugendliche vermissen ihre Schulfreundinnen und -freunde, manche leiden unter der häuslichen Enge, einige von ihnen sind wegen Einsamkeit auch seelisch krank geworden. Besonders schwer beim Lernen haben es diejenigen, die zu Hause keinen eigenen Arbeitsplatz haben, keinen Computer, keinen Internetzugang. Gerade die Schülerinnen und Schüler, die ohnehin viel Unterstützung brauchen, sind weiter zurückgefallen.

Dass der Bildungserfolg in unserem Land immer noch viel zu stark von der Herkunft und den finanziellen Möglichkeiten abhängt, das habe ich schon vor der Pandemie oft beklagt. Jetzt ist es aber besonders bitter, dass Leistungsunterschiede in der Corona-Zeit sogar noch größer werden könnten. Das dürfen wir nicht hinnehmen, und das ist auch mein Appell an die Bildungspolitik – ein Aufruf zum Handeln! Mit dem jüngsten Aktionsprogramm der Bundesregierung ist ein wichtiger Schritt gemacht, aber weitere müssen folgen.

Auch für die Eltern sind dies anstrengende und belastende Monate. Viele reiben sich auf zwischen Homeoffice und Homeschooling, machen sich Sorgen, dass bei ihren Kindern Lücken entstehen, die nur schwer wieder zu schließen sind.

Aber nicht zuletzt sind es die Schulleitungen und Lehrkräfte, die seit dem Beginn der Pandemie neue Hürden überwinden und zusätzliche Lasten schultern müssen. Wo es bereits vor der Pandemie an Lehrkräften mangelte, da fällt es besonders schwer, den Distanz- und den Wechselunterricht zu stemmen. Wo es an digitaler Technik und digitalem Know-how fehlt, da wird es sogar zu einer Herkulesaufgabe, Unterricht online zu organisieren.

Deutschland ist nicht da, wo es sein sollte. Die Pandemie entblößt unsere Schwächen im Bildungssystem. Und das muss anders werden!

Ich weiß aber auch, dass die Pandemie ungeahnte kreative Stärken hervorgebracht hat: An vielen Schulen haben Schulleiterinnen und Lehrer nicht geklagt, sondern in kürzester Zeit umgedacht und beherzt gehandelt.

Viele wachsen in dieser schwierigen Zeit über sich hinaus, um für ihre Schülerinnen und Schüler da zu sein. Sie halten Kontakt zu jedem und jeder Einzelnen, sorgen für einen verlässlichen Tagesablauf und – natürlich im Rahmen des Möglichen – für gute Laune, haben ein offenes Ohr für Kummer, stärken den Zusammenhalt in der Schulgemeinschaft, tauschen sich mit Eltern aus.

Viele haben Ideen entwickelt, um im digitalen Raum guten Unterricht zu machen, um Schülerinnen und Schüler trotz der Isolation die Welt entdecken zu lassen. Vielen Lehrerinnen und Lehrern ist es gelungen, auch unter den Bedingungen der Pandemie individuell zu fördern, eigenständiges Lernen zu ermöglichen, niemanden zurückzulassen.

Ihnen allen danke ich von Herzen für Ihren großartigen Einsatz! Denn Sie alle beweisen täglich, wie viel sich mit Mut, Leidenschaft und Kreativität bewegen lässt, auch und gerade in der Krise. Ihre Arbeit ist nicht nur systemrelevant, sie ist zukunftsrelevant!

Mehr als 350 Schulen haben ihre Konzepte beim Deutschen Schulpreis eingereicht. Die achtzehn, die es ins Finale geschafft haben, die lernen wir heute näher kennen. Ich freue mich auf Sie alle! Und ich danke allen, die diese Sonderausgabe des Wettbewerbs organisiert haben. Sie machen sichtbar, was Schulleitungen und Lehrkräfte in dieser Zeit alles leisten.

Die Konzepte der nominierten Schulen weisen zugleich über die Zeit der Pandemie hinaus. Sie sind geeignet, Schule und Unterricht auf lange Sicht zum Besseren zu verändern. Ich wünsche mir, dass Ihre Beispiele Schule machen, dass Sie andere inspirieren und ermutigen, nicht zuletzt auch die politisch Verantwortlichen. Anders als bei der nächsten Klassenarbeit gilt hier: Abgucken ist ausdrücklich erlaubt, sogar gewünscht.

Engagierte Schulleitungen, tolle Lehrkräfte und wegweisende Ideen reichen nicht aus. Damit Schulen sich entwickeln, ihre Schülerinnen und Schüler wirksam fördern und negative Folgen der Schließungen abmildern können, brauchen sie jetzt die Unterstützung von Gesellschaft und Politik. Sie brauchen jetzt Aufmerksamkeit, Engagement – ja, und auch Geld. Die Bekämpfung der Pandemie lässt die öffentliche Verschuldung steigen. Der Kassensturz wird kommen – aber an Bildung dürfen wir nicht sparen!

Nicht zuletzt müssen wir jetzt alles dafür tun, dass möglichst viele Kinder und Jugendliche möglichst bald wieder in ihre Klassenzimmer zurückkehren und den verpassten Stoff aufholen können. Ob es um die rasche Impfung der Lehrkräfte geht, um Lüftungsanlagen, Teststrategien, digitale Aufrüstung oder Nachhilfeangebote: Wir haben keine Zeit zu verlieren!

Sie alle tragen dazu bei, dass Kinder und Jugendliche gut durch die Krise kommen. Sie alle weisen den Weg, wie gute Schule auch nach der Pandemie gelingen kann. Sie alle haben den Deutschen Schulpreis verdient, und ich weiß, dass es die Jury schwer hatte, unter den vielen großartigen Einsendungen die besten auszuwählen.

Wir dürfen also gespannt sein auf die Vorstellung und noch mehr gespannt auf die Gewinner. Ich freue mich auf den heutigen Tag und auf den Austausch mit Ihnen.