Liebe Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, liebe Freundinnen und Freunde der Humboldt-Stiftung, zu den festen Terminen im Kalender des Bundespräsidenten gehört der Empfang für die Humboldtianerinnen und Humboldtianer und ihre Familien hier im schönen Park von Schloss Bellevue. Warum wir das auch in diesem Jahr leider nicht hier an Ort und Stelle tun können, wissen Sie. Nach den guten Erfahrungen mit der digitalen Jahrestagung im vergangenen Jahr denke ich, dass es auch in diesem Jahr für uns und Sie alle dennoch ein schönes, bereicherndes und die Gemeinschaft vertiefendes Ereignis sein wird.
Aber dennoch spüren wir schmerzhaft: Nichts kann wirklich die direkte menschliche Begegnung ersetzen. Und nichts kann die weltweite Vernetzung und die bunte internationale Zusammengehörigkeit in der Humboldt-Stiftung sichtbarer machen, als wenn um die tausend Tagungsteilnehmer zusammenkommen und sich persönlich treffen und austauschen können.
Aber auch bei dieser digitalen Tagung wird die Gemeinschaft wieder erlebbar, die Sie alle miteinander verbindet. Die Gemeinschaft der Forschenden, die durch ein hohes Ethos und durch leidenschaftlichen Willen zur Erkenntnis bewegt wird. Die internationale Gemeinschaft derer, die durch ihre tagtägliche Arbeit den Fortschritt der Wissenschaft ermöglichen. Die Gemeinschaft derer, die sich nie mit dem einmal Erreichten, dem einmal Gewussten, dem einmal für wahr Gehaltenen zufriedengeben. Die wissen, dass hinter jeder Erkenntnis neue Fragen auftauchen und hinter jeder Lösung eine neue Herausforderung.
Wir in Deutschland sind stolz darauf und wir können uns glücklich schätzen, dass wir es so vielen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus so vielen Ländern der Welt ermöglichen können, ihre Forschungen eine Zeit lang hier bei uns zu betreiben – und dass wir es deutschen Forschenden ermöglichen können, in der ganzen Welt ihren Horizont zu erweitern. Sie alle grüße ich; Sie alle ermutige ich, Ihrer wissenschaftlichen Leidenschaft weiter zu folgen. Und ich gestehe, dass ich vor Ihnen allen einen großen Respekt und eine hohe Achtung habe.
Präsident Pape hat in seiner Eröffnungsrede gerade vom diesjährigen Motto gesprochen: Vielfalt der Ideen
. Und tatsächlich ist ja in der letzten Zeit kaum ein Thema gesellschaftlich und politisch so virulent und so sehr Gegenstand des Nachdenkens und der Diskussion wie Vielfalt, Diversität. Davon ist selbstverständlich auch die Wissenschaft zentral betroffen.
Es gibt zunächst eine Vielfalt der wissenschaftlichen Disziplinen. Das gilt zum einen sicher für die grobe Unterscheidung zwischen Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften, das gilt aber auch, und ich denke, dass Sie das alle längst mehr als einmal erfahren haben, auch zwischen Wissenschaften, die sehr benachbart erscheinen. Jede Form von interdisziplinärem Austausch ist zunächst von der Erfahrung von Unterschieden geprägt.
Es gibt auch eine Vielfalt wissenschaftlicher Kulturen, die oft lange und tiefe Wurzeln in ihrer mentalitäts- und kulturgeschichtlichen Erfahrung haben. Das kennen wir schon hier, im kleinen Kontinent Europa, aber das wird noch einmal ganz besonders erfahrbar im interkontinentalen Austausch. Die Humboldt-Stiftung hat gerade in dieser Hinsicht eine ganz große Chance: Sie kann nicht nur diese Unterschiede wissenschaftlicher Kulturen erfahrbar machen, sie kann auch erfahrbar machen, wie fruchtbar es sein kann, wenn man solche Diversität zulässt und wenn man solche Diversität als bereichernd und als erkenntnisfördernd begreift.
Das kann auch anstrengend sein. Diversität wirklich zu akzeptieren, ist tatsächlich eine ethische, eine kulturelle, eine gesellschaftliche, eine politische Herausforderung. Aber Diversität akzeptieren und dabei, trotz und bei allen Unterschieden, versuchen, einem gemeinsamen Ziel zu folgen, das ist der Königsweg zu einer gerechten Gesellschaft – und der Königsweg zu wissenschaftlichen Erfolgen. Ein Weg, der weiter führt und tiefer blicken lässt, weil er keinen Ausgangspunkt und keinen Blick von vornherein ausschließt.
Ich wünsche uns und Ihnen allen von Herzen, dass Sie diese anstrengende Diversität aushalten und diese lohnende Diversität erfahren. Ich wünsche Ihnen allen, dass Sie bei dieser virtuellen Tagung einiges davon schon oder wieder miteinander teilen können.
Und allen unseren Gästen wünsche ich, dass sie bald – oder wenn Sie einmal wiederkommen – ein Deutschland ohne Lockdown erleben können. Wir freuen uns immer auf Sie. Ihnen allen einen herzlichen Dank!